Der Protagonist - Entwicklung der Hauptfigur deiner Geschichte (7 Tipps)


Erfahre, wie du einen Protagonisten entwickelst, den deine Leser lieben, und sicherstellst, dass du die richtige Figur für diese Rolle ausgewählt hast.

zuletzt bearbeitet am 30. Nov 2021

veröffentlicht am 21. Feb 2019 von Eva Maria Nielsen

Kommentare: 1

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Bestimme die Hauptfigur deiner Story (2021)

Bestimme die Hauptfigur deiner Story (2021) - Der Protagonist - Entwicklung der Hauptfigur deiner Geschichte (7 Tipps)


Der Artikel ist Teil der Erkenntnisse des Story Grid.
© Story Grid, Shawn Coyne

 

Hast du die richtige Figur gewählt, um deine Geschichte zu erzählen?

Hauptfiguren können den Erfolg einer Geschichte entscheiden.

Oftmals scheinen die Unsicherheiten, mit denen wir bei der Entwicklung unserer Hauptfiguren kämpfen, endlos zu sein.

  • Sind unsere Protagonisten vielseitig genug?
  • Sind sie interessant?
  • Werden die Leser mit ihnen mitfiebern, wenn sie sich den ungeahnten Herausforderungen stellen, um ihr Ziel zu erreichen?

 

Die Wahl der richtigen Hauptfigur ist absolut entscheidend, denn sie macht das Herzstück deiner Story aus.

Doch zu wissen, ob du den passenden Protagonisten ausgewählt hast, kann schwierig sein. Muss es aber nicht.

In diesem Beitrag gebe ich dir die besten Tipps, wie du deine Hauptfigur entwickeln kannst. Dabei gebe ich dir essentielle Tipps, die sich vor allem auf die Figurenentwicklung beziehen, und nicht auf das Äußere. Am Ende dieses Artikels wirst du in der Lage sein, glaubwürdige Romanfiguren zu entwickeln.

 

 Inhalt

  1. Definition: Protagonist
  2. Tipp 1: Wie weiß man, wer der Protagonist der Geschichte ist?
  3. Tipp 2: Was treibt den Protagonisten an?
  4. Tipp 3: Baue Konflikte für den Protagonisten ein.
  5. Tipp 4: Zeige den wahren Charakter deiner Hauptfigur
  6. Tipp 5: Verfügt dein Protagonist über die richtige Perspektive?
  7. Tipp 6: Ein Protagonist sollte sich entwickeln.
  8. Tipp 7: Empathie ist der Schlüssel für einen guten Protagonisten
  9. Pro Tipp: Stelle deinen Protagonisten (mit Namen!) früh am Anfang der Geschichte vor

 

1. Definition: Protagonist

Der Protagonist oder die Protagonistin in einem Buch oder einem Film ist die zentrale Figur, um welche sich die Ereignisse der Geschichte drehen und die sie mit ihren Entscheidungen und Aktionen beeinflusst.

Egal, ob Film, Roman, Kurzgeschichte oder Computerspiel – der Protagonist ist immer die Person, von der die gesamte Geschichte handelt. 

Das Wort Protagonist wird vor allem im englischen Sprachgebrauch oft verwendet. Man könnte meinen, dass das Wort 'Protagonist' aus dem Englischen stammt, jedoch ist es altgriechisch und bedeutet soviel wie: erster Schauspieler.

Interessant zu wissen: Neben dem ersten Schauspieler gab es im antiken Theater auch die Rolle des Deuteragonisten und des Tritagonisten, der zweiten und dritten Figur des Dramas.

Ein Synonym für Protagonist ist z.B. tragende Figur, Schlüsselfigur, Hauptperson oder Hauptfigur. Im Film setzt man den Protagonisten oft mit der Hauptrolle gleich.

Der Protagonist ist immer die primäre Romanfigur, von der die Geschichte hauptsächlich handelt.

Das Gegenteil des Protagonisten ist der Antagonist / der Gegenspieler.

Der Antagonist muss nicht unbedingt der Bösewicht sein. Er ist die Figur, mit welcher der Protagonist am stärksten aneinandergerät. Entweder verfolgt der Antagonist ein Ziel, dass der Protagonist für sich erreichen will (aber auf eine andere Art und Weise), oder er will den Antagonisten daran hindern, dass zu bekommen, was er will. (Und umgekehrt!)

 

Kann deine gewählte Hauptfigur deine Geschichte zum Leben erwecken? (7 Tipps)

Eine überzeugende Hauptfigur muss in der Lage sein, die Handlung deiner Story mit Leben zu füllen. Aber was genau bedeutet das?

Lass uns genauer darauf eingehen:

 

Wie weiß man, wer der Protagonist der Geschichte ist?

Tipp 1: Wie weiß man, wer der Protagonist der Geschichte ist?

Deine Hauptfigur muss Teil der Geschichte sein!

Frag dich: Gibt es einen guten Grund, warum dein Protagonist in die Geschehnisse hineingezogen wird?

Oder sieh es so: Welche Konsequenzen wären für deinen Protagonisten schlimmer: die des Nichtstuns oder Handelns?

Wenn deine Hauptfigur sich genauso gut aus dem Schlamassel heraushalten könnte - und dadurch kaum Konsequenzen zu befürchten hat - hast du wahrscheinlich keine Figur ausgewählt, der die mitreißende Kraft hat, deine Geschichte für deine Leser zum Leben zu erwecken.

 

Deine Hauptfigur muss mit dem Leitmotiv deiner Story in Verbindung stehen.

Denkst du, dass deine Geschichte keine bestimmte Thematik braucht? Überleg es dir nochmal anders. Selbst die actionreichsten Geschichten bauen auf einem Leitmotiv auf.

Denk nur an Batman und das Prinzip von Gut gegen Böse, Gerechtigkeit, Vergebung und Integrität. Oder Jason Bourne und Identität, Korruption und Ungerechtigkeit. Das sind zwei actiongeladene Filmreihen, oder?

Themen definieren Geschichten - alle Geschichten - und deshalb müssen starke Protagonisten in der Lage sein, diese Leitmotive zu verkörpern - und das besser als alle anderen Figuren der Story. Mit anderen Worten, es ist an der Zeit, die Dinge für deinen Protagonisten persönlich werden zu lassen. Erzähle eine Geschichte, die nur deine Hauptfigur erzählen kann.

 

Warum ist es so wichtig, dass dein Protagonist Teil der Geschichte und des Leitgedankens ist?

Eine Figur wird zum Handeln gezwungen, wenn etwas gravierendes für sie auf dem Spiel steht.

Das Leitmotiv der Story bezieht sich auf das Ergebnis dieses Handelns.

Natürlich muss eine Figur in der Lage sein, das Gewicht dieser beiden Elemente zu tragen, wenn sie ein starker Protagonist sein soll.

 

Aber nur weil eine Figur das Gewicht dieser Elemente tragen kann, heißt das nicht, dass sie automatisch die richtige Figur ist, um als Protagonist deiner Geschichte zu dienen. Es gibt noch ein paar weitere Dinge, auf die du achten solltest:

Weitere Tipps, wie du den Protagonisten am besten erkennen kannst.

  1. Für den Protagonisten steht am meisten auf dem Spiel. Er hat am meisten zu verlieren.
  2. Der Protagonist hat ein klares Ziel, das er verfolgt.
  3. Der Protagonist ist die Figur, auf welcher der größte Fokus liegt.
  4. Der Protagonist ist meist diejenige Figur, welche die größte Veränderung durchmacht (muss nicht sein, aber wenn sich eine Person entwickelt, sollte es der Protagonist sein!)
  5. Der Protagonist wird am Erreichen seiner Ziele gehindert, meist durch antagonistische Kräfte.
  6. Der Protagonist bestimmt durch seine Entscheidungen und Aktionen, wie sich die Handlung weiterentwickelt (Prinzip von Ursache und Wirkung)
  7. Der Protagonist muss sich Komplikationen, Tests und Prüfungen stellen, die er überwinden muss

 

Beachte, dass ein Protagonist nicht der Gute sein muss.

Ein Protagonist kann ein Anti-Held sein. Er kann der Schurke sein. Der Protagonist muss nicht einmal ein Mensch sein. (Ein Schweinchen namens Babe)

Der Protagonist kann sogar ein Serienmörder sein (Das Parfüm) oder ein Pädophiler (Humbert Humbert aus Lolita).

Ein Protagonist kann auch Opfer, Schurke und Held in einer Person sein. (Fight Club)

 

 Finde heraus, was deinen Protagonisten antreibt.Wer dein Protagonist ist und was er will. Infografik Roman schreiben.

Tipp 2: Finde heraus, was deinen Protagonisten antreibt.

Hast du dir schon einmal Gedanken gemacht, weswegen dein Protagonist oder dein Antagonist so handelt, wie er es tut?

Oder hast du vielleicht vergessen, deinen Figuren etwas zu geben, das sie um jeden Preis erreichen wollen?

Starke Figuren werden nicht von der Handlung deiner Geschichte herumgeschubst, sie treiben sie an.

Wie das?

Indem sie ein starkes Ziel vor Augen haben und die notwendige Motivation, dieses auch zu erreichen.

Nutze folgende Fragen, um deine Hauptfigur besser verstehen zu können. Vor allem versuche herauszufinden, was sie motiviert.

  1. Was will dein Protagonist und warum?
  2. Welche Konsequenzen befürchtet er, wenn er nicht bekommt, was er will? Was steht für ihn auf dem Spiel?
  3. Was steht zwischen ihm und seinem Ziel? Was hindert ihn daran, sein Ziel zu erreichen?
  4. Was braucht dein Protagonist? Was ist sein innerlicher Antrieb, der seine Handlungen bestimmt?
  5. Welche Zwischenziele helfen dem Protagonisten, seinem Ziel näherzukommen?
  6. Warum glaubt der Protagonist, dass sein Ziel ihm Zufriedenheit/Glück/Ruhe bringt?

 

Mehr zum Objekt des Verlangens findest du auch hier auf der Seite von The Write Practice.

 

2.1 Achte auf dein Genre, um zu wissen, welches Ziel dein Protagonist verfolgt.

Was dein Protagonist will, hängt immer davon ab, in welchem Genre du schreibst. Klick um zu tweeten

Wir können Geschichten in unterschiedlichen Genres voneinander unterscheiden, weil sie durch ihre Charakteristik eindeutig zu identifizieren sind.

Was ein Protagonist verfolgt, wird vor allem durch den globalen externen Wert des Genres und seine positiven und negativen Energien angetrieben. Das bedeutet, der Konflikt, der sich in diesen Geschichten bildet, beruht auf externen Ursachen.

Beispiel:

In einer Actiongeschichte ist das externe / bewusste Objekt des Verlangens eine Konvention. Sie lautet: Der Held / der Protagonist der Geschichte muss den Bösewicht stoppen und ein unschuldiges Leben retten. Das der Protagonist ein Held sein muss (jemand, der sich selbst opfert um andere zu retten) ist eine weitere Konvention.

In einer Liebesgeschichte ist das externe / bewusste Objekt des Verlangens auch eine Konvention: Der Protagonist sucht oder verweigert den Aufbau einer intensiven Beziehung mit jemanden. Das ist sein Objekt des Verlangens – eine Beziehung.

In einem Krimi lautet die Konvention: Der Protagonist will den Verbrecher vor Gericht bringen.

In einem Western lautet die Konvention: Der Protagonist will die Freiheit und sich niemanden unterwerfen.

In einer Performance-Geschichte strebt der Protagonist nach Respekt.

In einer Status-Geschichte trachtet der Protgagonist nach Anerkennung.

(mehr sh. infografik)

  

Wenn sich deine Handlung am Verlauf der Heldenreise orientiert, kannst du dir sicher sein, dass der Protagonist nach einem bewussten Objekt des Verlangens strebt, das vom Genre vorbestimmt wird.

Dieses Objekt des Verlangens ist das greifbare Ziel, das der Protagonist will und seit dem auslösenden Moment verfolgt. Sein Streben nach diesem einen Ziel treibt die Geschichte voran.

Denken wir an die Konventionen, die in jedem Genre unterschiedlich sind, so stellt sich heraus, dass dieses bewusste Objekte des Verlangens von den Genre-Konventionen selbst bestimmt wird.

Dahingegen bestimmt die Verfolgung des unbewussten Objekt des Verlangens das interne Genre. 

Wie du als Autor diese inneren und externen Objekte des Verlangens offenbarst, gehört zu den bedeutendsten Entscheidungen, die du für deine Geschichte treffen musst.

Diese Entscheidungen beeinflussen einen Teil der ›Fünf Bereiche der Genre-Entscheidung‹ – den Inhalt, der die Atmosphäre / die zentrale Idee der Geschichte setzt.

Dieser Bereich lässt sich, wie das Objekt des Verlangens, in eine externe und eine interne Seite unterteilen, wobei die externe Seite von dem bewussten Objekt des Verlangens bestimmt wird (Was will der Protagonist) und die interne Seite von dem unbewussten Objekt des Verlangens (Was braucht der Protagonist).

 

2.2 Halte dich an die Konventionen und Pflichtszenen des Genres.

Wie du in den oberen Beispielen erkennen kannst, triffst du mit der Wahl deines externen Genres eine Entscheidung, welche deine Geschichte und die Art prägt, wie du sie erzählst.

Die obligatorischen Szenen und Konventionen müssen in jedem Genre eingehalten werden.

Eine Pflichtszene ist vor allem auch der Moment, wo sich herausstellt, ob der Protagonist sein Ziel erreicht oder nicht.

Beachte, dass Leser keine Geschichte weiterempfeheln, von dessen Ende sie enttäuscht sind. Die wichtigsten obligatorische Szenen sind vor allem auch die Höhepunkte, die sich von Genre zu Genre unterscheiden.

Beispiele:

In einer Liebesgeschichte muss die Frage beantwortet werden: Kommen sie wieder zusammen oder nicht?

In einer Actiongeschichte will der Leser erfahren: Wird das Opfer gerettet oder nicht? Kann der Held den Bösewicht überlisten/besiegen?

In einem Krimi wollen wir wissen, ob der Ermittler den Täter schnappt?

In einem Thriller wollen wir den Helden sehen, wie er dem Bösewicht ausgeliefert ist.

 

Wer die obligatorischen Szenen und Konventionen seines Genres nicht kennt, (oder nicht weißt, wie Autoren sie gemeistert haben), wird nie etwas Originelles schaffen können. Andere Geschichten zu lesen, ist für einen Autor Pflicht.

Und als Autor muss man wissen, was die Geschichte, die man schreiben will, an Konventionen und Pflichtszenen verlangt.

Wie kann man eine Liebesgeschichte schreiben, wenn man nicht berücksichtigt, dass sich in einer Liebesgeschichte das Paar an einem Punkt trennen wird, und somit die große Frage aufwirfst: Kommen die beiden wieder zusammen oder ist alles verloren?

Angenommen, du schreibst einen Thriller und du vergisst das falsche Ende. Deine Leser werden unzufrieden das Buch zuschlagen, denn sie haben eine finale Auseinandersetzung erwartet. Ein falsches, und somit doppeltes Ende ist ein Muss für einen Thriller.

 

Baue Konflikte für den Protagonisten ein.

Tipp 3: Baue Konflikte für den Protagonisten ein.

Wie oben erwähnt, beruht der Konflikt entweder auf persönlichen oder natürlich verursachten Wendungen. Diese antagonistischen Kräfte sind für den Leser leicht zu identifizieren, sei es ein Konkurrent des Unternehmens oder der Auserwählten, ein Widersacher, der Täter eines Verbrechens, ein Monster, Naturkräfte etc. 

Wenn du dein Genre kennst, weißt du auch, welche antagonistische Kraft deinem Helden die größte Herausforderung auferlegt. Das trifft vor allem zu, wenn der Protagonist gegen einen offensichtlichen Bösewicht ankämpft (sei es die Natur, eine Gesellschaft oder ein echter Schurke), welcher die Welt zerstören will oder einer geliebten Person des Helden schaden möchte. 

Beispiele:

Herr der Ringe: Sauron will Mittelerde versklaven. Der Held Frodo will den einen Ring zerstören, um Sauron zu vernichten.

Batman: Der Clown will die Gesellschaft ins Chaos stürzen. Der Held Batman will die Menschen vor dem Clown beschützen.

Die Tribute von Panem: Eine kleine Elitegruppe will ihren Status sichern, während sie die anderen Distrikte durch die Hungerspiele von einer Revolution abhalten will und gegeneinander ausspielt. Die Heldin Katniss will ihre Schwester beschützen.

Der Marsianer: Der Held Mark Watney versucht, auf dem Planeten Mars zu überleben, der ihn umbringen will.

Brauchst du mehr Tipps, wie du Konflikte für und zwischen deinen Figuren schaffst? Dann erfahre mehr dazu in diesem Beitrag: Konflikte für Figuren schaffen

 

Exkurs: Warum lieben wir Konflikte?

Unser Leben lang sind wir mit jenen Geschichten aufgewachsen, die uns einen Protagonisten/Helden zeigen, der gegen ein Monster, einen Konkurrenten, Naturkräfte etc. kämpfen muss, um irgendetwas zu gewinnen oder um für eine gute Sache einzustehen. 

Sei es im Kindesalter von den Märchen, die uns auf überspitzte Weise den Unterschied von Gut und Böse erklärten, oder im Erwachsenenalter von Geschichten, die uns für einen Moment aus dem Alltag in eine Welt entfliehen lassen, in der wir ohne Konsequenzen oder unter Lebensgefahr bei waghalsigen Autorennen mitheizen, die Casinos von Las Vegas berauben, oder uns der Leidenschaft einer neuen Liebe hingeben können, ohne unsere Ehe zu gefährden.

Geschichten sind uns urvertraut, und wenn sie die Konventionen und obligatorischen Szenen einhalten, dann befriedigen sie unsere Erwartungen – denn nur durch diese Erwartungen an eine Geschichte, entscheiden wir uns einen bestimmten Film in Kino ansehen zu wollen oder ein Buch zu kaufen. Selbst wenn wir nicht genau sagen können, was wir von der Geschichte erwarten, wissen wir es sofort, wenn wir es nicht darin finden.

Jeder, der schon einmal einen schlechten Film aus Enttäuschung bewertet hat, weiß, wovon ich rede.

 

Zeige, wer dein Protagonist ist.

Tipp 4: Zeige, wer dein Protagonist ist.

Beispiel: James sagte immer, dass man sich auf ihn verlassen konnte. Er ginge für seine Freunde durch's Feuer und für seine Familie sogar bis ans Ende der Welt.

Als Autor kann ich von James alles behaupten. Aber sind Behauptungen wie diese glaubwürdig?

Nein.

Show, don't Tell ist nicht grundlos das meist genannte Prinzip, wenn man Tipps zum Schreiben sucht. So ist es auch, wenn man darstellen möchte, wer eine Figur wirklich ist.

Wie zeigt man den wahren Charakter einer Person?

Stürze die Figur in eine Krise! Denn jeder, der sich in einem Dilemma befindet und vor einer schwierigen Entscheidung steht, zeigt, wer er wirklich ist.

Beispiel:

Die Mafia hatte die Familie von James entführt. Sie wären frei, wenn James sich dem Don unbewaffnet stellen würde. James musste sich entscheiden, ob er sein Leben für seine Familie geben würde, oder ob er ihr Leben riskieren sollte. James setzte sich nach Indien ab und keiner hat jemals wieder von ihm gehört.

Was denken wir, wer James in Wirklichkeit ist? Glauben wir der Behauptung am Anfang, dass er alles für seine Familie tun würde? Oder können wir uns ein besseres Bild einer Person machen, wenn wir wissen, wie sie in Krisen reagiert?

Wäre James nicht James, sondern John McClane (Stirb Langsam) wüssten wir, dass er seine Familie niemals im Stich lassen würde. Seine Aktionen zeichnen ein ganz anderes Bild von ihm.

Mehr zur Krise kannst du in diesem Beitrag nachlesen: Die Krise für Figuren im Roman.

Außerdem kannst du hier weiterlesen, wie du den Charakter deiner Figuren am besten zeigen kannst: Zeige den wahren Charakter deiner Figuren (Tipps)

 

Verfügt dein Protagonist über die richtige Perspektive?

Tipp 5: Verfügt dein Protagonist über die richtige Perspektive?

Deine Hauptfigur ist die Linse, durch welche die Leser deine Geschichte verfolgen.

Daher solltest du wissen, was du mit deiner Story ausdrücken willst (Leitmotiv), denn dieser Leitgedanke bleibt bei den Lesern am Ende hängen.

Aber wie kannst du erkennen, welche der Figuren am besten für diese wichtige Rolle geeignet ist?

Auch hier kommen wir wieder zum Leitmotiv zurück - oder, um genauer zu sein, zu den thematischen Aussagen.

Oftmals entscheiden sich Autoren dafür, bestimmte Themen in ihren Geschichten zu behandeln, weil sie diese Themen direkt ansprechen wollen. Das, was sie über die Handlung oder die Figurenentwicklung ihrer Geschichte zu jedem Thema ausdrücken, wird als thematische Aussage bezeichnet.

Wie im Beitrag zur Botschaft in der Geschichte erklärt, sollten Autoren thematische Aussagen nicht als eine Gelegenheit sehen, den Lesern eine bestimmte Botschaft um den Kopf zu hauen. Vielmehr erlaubt ein gutes thematisches Statement den Lesern, aus den Erfahrungen des Protagonisten Rückschlüsse auf die Kernthemen der Geschichte zu ziehen.

Kennst du deine thematischen Aussage, dann hast du den Schlüssel zur Wahl des richtigen Protagonisten für deine Geschichte in der Hand.

Warum?

Weil es unendlich viele Aussagen gibt, die ein Autor über ein einziges Thema treffen kann. Aber es gibt nur ein paar Figuren, welche diese Aussagen verkörpern und diese dem Leser zwischen den Zeilen vermitteln können.

Lass uns zum Beispiel über das Thema Freunde sprechen ...
Durch den Handlungsbogen der Hauptfigur kann ein Autor jede dieser Aussagen über Freunde treffen:

  • Beste Freunde halten dir immer den Rücken frei.
  • Du solltest deinen Freunden gegenüber loyal bleiben, egal was passiert.
  • Du musst keine Beziehungen zu Personen aufrechterhalten, die dir nicht gut tun.
  • Freunde können dir eine Familie sein.
  • Mit Freunden kannst du die spannensten Abenteuer erleben.

 

Wenn du den Plot für deine Geschichte ausarbeitest, denke auch an die thematischen Aussagen, welche du behandeln möchtest.

Sobald du deine Antwort gefunden hast, überlege, ob die gewählte Romanfigur die beste Wahl des Protagonisten verkörpert, um diese thematische Aussage zu unterstreichen.
Wenn sie nicht die richtige Sichtweise besitzt, wird sie nicht in der Lage sein, als passende "Linse" für deine Leser zu dienen.

Beispiel: Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien

Eines der Hauptthemen in Der Herr der Ringe ist die Korruption von Macht. Tolkiens Botschaft ist es, dass selbst die Kleinsten unter uns die Macht haben, die Korruption zu bekämpfen. Deshalb wählte Tolkien Frodo - einen Repräsentant der unscheinbaren und kaum bekannten Rasse der Hobbits - um den Ring - das Symbol der Korruption - zu tragen.

Hätte Tolkien einer anderen wichtigen Figur diese Rolle gegeben, hätte seine Geschichte nicht die gleiche Wirkung erzielt. Ein Beispiel gefällig? Gandalf ist ein Zauberer und ein Halbgott. Aragorn ist ein verloren geglaubter Erbe eines wohlhabenden Königreichs. Gimli gehört zu einer Rasse von Handwerksmeistern mit großen Ambitionen und Legolas zu einer alten, mächtigen Linie von Elben. 

Keine dieser Figuren ähnelt dem alltäglichen Leser, den Tolkien zu erreichen hoffte.

Aber Frodo ist vom einfachen Volk der Hobbits. Er hat keinen Anspruch auf Macht und Ruhm, und besitzt keine unglaublichen Fähigkeiten.

Allein durch seine starke Moral ausgezeichnet und dem einfachen Wunsch nach mehr als dem, was ihm gegeben wird, macht Frodo sich auf den Weg.

Und genau aus diesen Gründen verkörpert er die beste Perspektive und stellt die perfekte Hauptfigur dar, die einen wichtigen Teil der Geschichte darstellt und deren Botschaft am besten verkörpert.

 

Ein Protagonist sollte sich entwickeln.

Tipp 6: Ein Protagonist sollte sich entwickeln.

Die Entwicklung des Protagonisten ist kein Muss, zumindest nicht, wenn du einen Krimi, eine Action- oder Horrorgeschichte schreibst.

Aber wenn du darüber nachdenkst, einen Thriller, eine Lovestory, eine Performancestory oder vor allem einen Young Adult Roman zu schreiben, dann brauchst du die Entwicklung des Protagonisten. In Young Adult Romanen geht es vor allem um die naive Weltanschauung des Helden, der am Ende der Geschichte eine neugefundene Reife erlangt. Auch Bildungsromane wie 'Die Unendliche Geschichte' erfordern die Entwicklung des Protagonisten. Er erlangt in der Geschichte mehr Wissen über sich selbst und/oder die Welt, in der er lebt.

Sobald du deinen Protagonisten auf die Heldenreise sendest, ist es Pflicht, dass er sich vom Anfang der Geschichte zum Ende hin verändert.

Beispiele für die Entwicklung der Hauptfigur:

Frodo Beutlin kam nicht als der abenteuerlustige und sorglose Hobbit zurück, der er einst war. (Weltanschauung)

Harry Potter ist nicht mehr der kleine Junge, der sich von jemanden herumschubsen lässt. (Weltanschauung)

Katniss Everdeen muss lernen, dass sie zu einem Symbol der Hoffnung herangewachsen ist. Sie kann ihr altes Leben nicht weiterleben, als wäre nichts gewesen. (Weltanschauung)

Rocky musste einsehen, dass er zwar den Champion nicht besiegen kann, aber er kann Respekt erlangen (Selbstrespekt und Respekt von dritten), wenn er alle 15 Runden im Ring durchhält. (Status)

Gladiator: Maximus hat alles verloren. Aber sein Wille die Vision von Marcus Aurelius zu erfüllen, gibt ihm die Kraft und Stärke, um als Gladiator mehr Anerkennung zu gewinnen. (Status)

In Kramer gegen Kramer lernt Ted Kramer, dass das Beste für seinen Sohn nicht das Beste für ihn selbst ist. Wenn er nach dieser Einsicht handelt, kann er sein Fehlverhalten wiedergutmachen. (Moral)

 

Hier erhältst du eine Übersicht der verschiedenen internen Genres, welche sich mit dem Kampf im Inneren des Protagonisten befassen: Die innere Psyche deiner Romanfiguren.

 

Empathie ist der Schlüssel für einen guten Protagonisten.

Tipp 7: Empathie ist der Schlüssel für einen guten Protagonisten.

Wer einen Protagonisten entwickeln will, auf dessen Seite der Leser ist, muss die Figur in ihren Handlungen und Entscheidungen nachvollziehbar gestalten.

Beispiel:

Das Parfüm: Selbst wenn wir wissen, dass Mord absolut nicht okay ist, verzeihen wir Jean Baptiste Grenouille, wenn er alles daran setzt, sein übermenschliches Parfüm zu entwickeln. Wir sind auf seiner Seite. Wir wollen, dass er es schafft. Wir haben so viel mit ihm erlebt, dass wir hoffen, dass er seinen einzigen Traum erfüllt, der ihn am Leben hält. Umso niederschmetternder ist auch das Ende, wenn Grenouille herausfindet, dass er zwar bekam, was er wollte, aber nicht erhielt, was er braucht (ohne die Maske eines Parfüms von den Menschen wahrgenommen zu werden, als die hasserfüllte Person, die er in Wahrheit ist.)

Selbst wer Lolita von Vladimir Nabokov liest, ist auf der Seite von Humbert Humbert. Das ist krank! Er will ein minderjähriges Mädchen verführen. Aber Nabokov hat es geschafft, dass Humbert Humbert als Figur so mitreißend ist, dass wir nicht anders können, als ihm Erfolg zu wünschen.

 

Wie entwickelt man Empathie für die Hauptfigur?

Es liegt in der Natur des Menschen, dass wir vor allem Empathie mit denjenigen entwickeln, die nicht bekommen, was sie wollen.

Ja, wer mag schon jemanden, dem alles gelingt? Wir begegnen diesen Menschen eher mit Neid, als dass wir uns über ihre Erfolge freuen.

Beispiel:

Wenn wir den Film Wall Street sehen, wo der junge, ehrgeizige Börsenmakler Bud Fox alles daran setzt, für den Finanzhai Gordon Gekko zu arbeiten und dabei auch vor illegalen Geschäften nicht zurückschreckt, wollen wir, dass er dafür bestraft wird. Sobald sich eine Geschichte um die Moral des Protagonisten dreht, hoffen wir, dass er die richtige Entscheidung treffen wird. Sollte er das nicht tun, ziehen wir Befriedigung daraus, wenn unmoralische Entscheidungen am Ende auch angemessen bestraft werden.

Der Trick liegt darin, dass wir einen Helden oder Anti-Helden schaffen, der nicht perfekt ist oder der durch unglückliche Umstände in eine Situation geworfen wird, aus der er versuchen muss, wieder herauszukommen. 

Der Protagonist braucht ein Ziel! Er muss etwas haben, nach dem er strebt und das all seine Entscheidungen und Aktionen bestimmt.

 

Pro Tipp: Stelle deinen Protagonisten (mit Namen!) früh am Anfang der Geschichte vor.

Der größte Fehler, den Autoren-Neulinge begehen, ist, ihre Hauptfigur zu spät einzuführen. In der Regel sollte sie als erste Person auf der Bildfläche erscheinen und der Leser sollte imstande sein, ihren Namen damit zu assoziieren, wie er sie erlebt.

Einen Namen für eine Figur zu finden, kann fast so schwierig sein wie die Namensfindung für ein Baby. Du willst etwas Interessantes und Einprägsames, aber nichts Skurriles oder Unverschämtes. 

Dein Ziel ist es, eine Verbindung zwischen Leser und Figur herzustellen, daher sollte der Name seine Herkunft widerspiegeln und vielleicht sogar seine Persönlichkeit andeuten.

Beispiel: In The Green Mile nannte Stephen King einen schwachen, feigen Charakter Percy Wetmore. Natürlich behandeln wir Helden mit mehr Respekt.

Gib der Namensgebung die Zeit, die sie braucht. Suche online nach Babynamen für beide Geschlechter. In den meisten Listen werden diese nach ethnischer Herkunft kategorisiert.

Achte darauf, dass der Name historisch und geographisch korrekt ist. Du würdest zum Beispiel keine Charaktere namens Jaxon und Brandi in einer Geschichte haben, die im elisabethanischen England spielt. ;-)

 

Was denkst du? Welches ist der Tipp, der dir am besten weiterhilft? Lass es mich in den Kommentaren wissen. Danke!



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Melanie Naumann ist die erste zertifizierte deutsche Story Grid Lektorin. Sie ist die Gründerin von Storyanalyse.de und gab die Leitung von Storyanalyse im Dezember 2021 an die Geschichtenhebamme Eva Maria Nielsen ab. Melanie arbeitet seither vorwiegend mit Songwritern zusammen, um ihnen zu helfen, die Power of Storytelling für ihre Songtexte zu nutzen.

Dein Kommentar

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Kommentare 1


Marcel

11. Mai 2021

Ein toller Beitrag mit vielen nützlichen Informationen und einer sehr schönen Erklärweise. Vielen Dank dafür!