Der Artikel ist Teil der Erkenntnisse des Story Grid.
© Story Grid Shawn Coyne und Rachelle Ramirez
Inhaltsverzeichnis
- Der Herr der Alpträume: Das Monster.
- Globale Merkmale des Horror-Genres
- Wie ist eine Horror-Geschichte aufgebaut?
- Szenen, die in jede Horror-Geschichte gehören.
- Die 12 Konventionen des Horror-Genres.
- Noch mehr Tipps und Kniffe zum Schreiben einer Horror-Geschichte
Horror – Der Drang nach dem Verbotenen
Kennst du das?
Bevor man 18 war, hat man mit Freude heimlich die Horrorfilme gesehen, die ab 22:00 Uhr liefen und einen mit der Warnung begrüßten: Die nachfolgende Sendung ist nicht für Zuschauer unter 18 Jahren geeignet.
Horrorfilme sind das Wagnis des Erwachsenwerdens.
The Ring, Friedhof der Kuscheltiere, Wir, Conjuring, Halloween, 28 Tage später, SAW, Paranormal Activity, Nightmare on Elm Street, The Walking Dead, der Exorzist, ES, Poltergeist ... all diese Bilder von zerfleischten Zombies, fiesen Folterspielen und kranken Kreaturen faszinieren uns.
Und sie besitzen eine Gemeinsamkeit:
Sie spielen mit unseren Ängsten und das auf makabere und grauenhafte Art und Weise.
1. Horror-Geschichten sind kein Kitsch oder Hollywood-Irrgespenster. Sie sind die Chance eines Autors, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten.
Horror-Geschichten sind eine Metapher für die tieferliegende Brutalität des Lebens. Klick um zu tweeten In Horrorfilmen und -büchern kämpfen wir gegen die Gewalt, die uns in der heutigen Welt beinahe lähmt, denn diese Geschichten sind ein abstraktes Spiegelbild des Grauens unserer Gesellschaft.
Es sind die Untiefen, wo man im Schatten des übernatürlichen Monsters steht, ohne zu ahnen, in welcher Gefahr man schwebt. Und schneller, als man denkt, wird man zum nächsten Opfer.
Nach Shawn Coyne (Autor des Story Grid) hat eine Horror-Geschichte folgenden Zweck:
»Die Horror-Geschichte ist die Darstellung einer schreckenerregenden Welt, die wir gegenwärtig oder bald bewohnen könnten.
Sie dient als eine präskriptive und warnende Geschichte und befasst sich damit, wie wir unsere dunkelsten Ängste am besten verarbeiten können, um zu überleben. Der Kräfteunterschied zwischen Monster und Opfer ist immens. Aber wenn das Opfer den Mut aufbringt, das übermächtige Monster mit seinem inneren Genie bis zum letzten Atemzug zu bekämpfen, gelingt es ihm, uns zu inspirieren, dasselbe zu tun. Zu gewinnen heißt zu überleben.«
2. Die globale Handlung einer Gruselgeschichte dreht sich um den Kampf zwischen Opfer und Monster.
Hier ist eine weitere, einfachere Erklärung von Shawn Coyne zum Horror-Genre:
»Die Horror-Geschichte ist ein Bogenplot (einzelner Protagonist) oder ein Mini-Plot (mehrere Figuren) als externes Genre. Ein einzelnes Opfer (auch wenn es mehrere Figuren gibt) muss sich unmöglichen Herausforderungen stellen, sowie gegen ein Monster kämpfen, das vom Bösen besessen und auf Vernichtung aus ist.«
3. Verdammnis muss auf dem Spiel stehen.
Wer wird am Ende des Horrorromans gewinnen?
Hoffnung oder Hölle?
Horror-Geschichten eskalieren! Sie bewegen sich vom 'Alles-Ist-Super' Leben zu Todesangst bis hin zu einem Schicksal, das weitaus schlimmer als der Tod wäre: Verdammnis. Um dieses Spektrum auszudrücken, ist die Handlung mit lebensgefährlichen Situationen, Morden, Twists und Wendungen bestückt.
4. Eine Horror-Geschichte ist mehr als nur blutrünstige Szenen.
Eine gute Horror-Geschichte sollte den Leser nicht nur Ekel empfinden lassen, sondern auch eine Form des Terrors in ihm wecken. Klick um zu tweeten
Horror-Geschichten drehen sich zentral um Verrat, Warnung und um die Angst vor dem Unbekannten. Zusätzlich besticht das Genre durch
- ein starkes Gerüst an Konventionen und Pflichtszenen
- den globalen Wertwandel
- packende und tiefgreifende Emotionen
- gesellschaftskritische Kernthemen
Durch diese Faktoren hat sich das Horror-Genre zu einem sehr eigenständigen Genre etabliert.
Auch wenn Horror-Geschichten manchmal als Kitsch und übertrieben in der Presse verhunzt werden, so verfügen gute Horrorfilme/-bücher über ein ausgefeiltes Arsenal des guten Schreibhandwerks. In den Geschichten finden wir perfekte Schauplätze; Beschreibungen, die alle Sinne ansprechen; facettenreiche, dreidimensionale Figuren sowie einen wahnsinnig gut ausgearbeiteten Antagonisten.
Der Herr der Alpträume: Das Monster.
Wie gelingt es einem Autor, die Furcht so stark im Leser zu wecken, dass uns manche Szenen in unseren Alpträumen verfolgen? Wie schreibt man eine Horror-Geschichte a lá Hollywood?
Horror besitzt viele Facetten. Die Möglichkeiten ein Horrorszenario zu erschaffen, sind unendlich. Horror-Bilder können einen Autor inspirieren. Es gibt Monster, die tragen Masken. Es gibt Monster, die veranstalten Horror-Spiele mit ihren Opfern. Selbst Puppen, Clowns und Kuscheltiere sowie Bücher, Filme und Gegenstände werden für ein schauriges 'Scary' Erlebnis genutzt.
5. Um Terror auszulösen, braucht man ein Monster.
Wer eine Horror-Geschichte schreiben will, der darf nicht auf das Monster verzichten. Das Monster bildet den Kern der Geschichte und treibt die Handlung voran. Ohne Monster. Keine Morde. Keine Opfer. Kein Grauen. Klick um zu tweeten
6. Das Monster ist vom Bösen besessen.
Hast du schon mal eine Horror-Geschichte gesehen, wo das Monster jemanden verschont hat, weil es dem Opfer gelang, sich rauszureden?
Das Monster ist eine Inkarnation des Bösen und ist regelrecht davon besessen. Hier hilft es nicht zu argumentieren oder zu verhandeln. Man kann mit ihm nicht diskutieren. Das Monster hat kein Interesse zuzuhören. Monster wollen töten. Das ist ihr Antrieb – beinahe wie ein Urinstinkt. Sie wollen jagen und stoppen vor nichts und niemanden zurück.
7. Was oder wer ist das Monster in deiner Geschichte?
Die Antwort auf diese Frage bestimmt zugleich, zu welcher Unterkategorie des Horror-Genres deine Geschichte gehört.
Ist dein Monster: Unheimlich?
Unheimliche Monster sind gleichzeitig die Monster, für die wir eine rationale Erklärung finden können. Hier ordnen sich die Psychopathen ein – wie Ghostface (Scream), Hannibal Lecter oder Ben Willis (Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast).
Außerdem sind es die von Menschenhand erschaffenen Monster (Frankenstein), Aliens (erklärbar, da möglich) oder Tiere (Der Weiße Hai).
Auch hier gibt es keinen Weg, die Bösen zu überzeugen, dass sie aufhören sollen.
Sie wollen nichts anderes außer ihre Blutlust zu befriedigen.
Ist dein Monster: Übernatürlich?
Das Monster in diesen Geschichten ist nicht »real«. Die Macht des Bösen stammt aus der spirituellen Welt und kann nicht mit konventionellen rationalen Gedanken erklärt werden.
Hier findest du die Monster, wie wir sie aus Blair Witch Project kennen, Predator, Der Fluch, Chucky oder Amityville Horror.
Ist dein Monster: Besessen?
Diese Kategorie des Monsters ist eine Unterkategorie zu dem übernatürlichen Monster. Das heißt, hier ordnen sich die Geister ein, die Zombies und Vampire oder die Menschen, die von Geistern besessen sind und durch diese angetrieben werden, die Menschen in ihrem Umfeld zu töten.
Das Monster ist demzufolge ein Geist oder ein untotes Wesen, das sich von den Lebenden ernährt: Der Exorzismus der Emily Rose, Dawn of the Dead oder Dracula.
Ist es ein zweideutiges Monster?
In diesen Geschichten weiß der Leser nicht, woher die Kraft des Bösen rührt. Ist sie übernatürlich oder unheimlich? Die sadomasochistischen Neigungen einer Person werden ausgeschöpft und man weiß nicht, ob das Monster vom Bösen besessen oder total geistig gestört ist.
In dieser Kategorie findet man vor allem die Geschichten, die über unnötige und bedeutungslose Morde verfügen, die mit entsetzlicher Gewalt verübt werden.
Bestes Beispiel hierfür sind die Filme: Freitag, der 13 (Jason), Saw und Carrie. Auch die Halloween-Filme mit Michael Myers fallen in diese Kategorie.
Globale Merkmale des Horror-Genres
Wenn man weiß, was die Natur des Monsters ist, muss man auch beachten, was eine Horror-Geschichte zusätzlich ausmacht.
Was ist in einer Horror-Geschichte …
- die Kernemotion, um die sich die Geschichte dreht?
- der globale Wert, der auf dem Spiel steht?
- das zentrale Thema?
8. Horror soll eine bestimmte Emotion hervorrufen: Terror.
Die Emotion ist das Gefühl, das der Leser empfinden will, wenn er sich für eine bestimmte Geschichte entscheidet.
Wer demnach eine Horror-Geschichte lesen will, der möchte Angst empfinden – oder besser: Terror.
Neil Marshall (britischer Filmregisseur und Drehbuchautor u.a. von Hellboy) sagte: »Wir müssen uns fürchten, damit wir daran erinnert werden, dass wir noch leben.«
Wir lesen Horror-Geschichten, weil wir Adrenalin und Nervenkitzel suchen. Wir wollen die Anspannung spüren, wenn eine einzelne Person Mut in einer Situation voller Terror beweist, die seinen Tod bedeuten könnte. Und das natürlich von der Sicherheit unserer eigenen vier Wände aus.
9. Nervenkitzel auslösen, indem man Druck aufbaut.
In Horror-Geschichten will man erreichen, dass der Leser Angst und Nervenkitzel spürt.
Das gelingt am besten, wenn man einen starken mentalen Druck für den Protagonisten aufbaut. Er befindet sich in den grausamsten Was-Wäre-Wenn Horrorszenarien und einige werden sogar wahr! Der Protagonist muss demzufolge alles daran setzen, dass er dem Schicksal entgeht, dass den Nebenfiguren in diesen Horrorszenarien zustößt. Und er muss versuchen, sich und / oder jemand anderen vor diesem grausamen Schicksal zu retten.
Die Was-Wäre-Wenn Szenarien zeigt man am Beispiel von Nebenfiguren, die vom Monster getötet werden. Auf diese Weise hat der Leser eine Vorstellung dessen, welches Schicksal dem Protagonisten bevorsteht, wenn er nicht irgendeinen Ausweg findet, das Monster zu besiegen.
10. Das Ende der Geschichte ist der Antrieb des Lesers weiterzulesen.
Der Leser übersteht mit dem Protagonisten all die grauenhaften Gewaltszenen und fiebert mit ihm mit, weil er wissen muss, wie das Monster gestoppt werden kann.
Wenn wir abends auf dem Sofa sitzen und einen Horrorfilm anschauen, können wir nicht vor dem Ende ins Bett gehen. Um sicher zu schlafen, müssen wir erst sehen, dass das Monster besiegt ist und uns nicht heimsuchen wird. Horror-Geschichten wirken so real, dass sie uns bis in unsere Alpträume verfolgen.
Der Protagonist muss seinen Kampf gewonnen haben. Auch wenn man weiß, dass dies nur mit dem Wort ›vorerst‹ zu sagen ist.
11. Horror-Geschichten bewegen sich auf der Skala zwischen Leben und Verdammnis.
Der globale Wert beschreibt die Veränderung des Protagonisten vom Anfang bis zum Ende der Geschichte. Der Wert lässt sich in zwei gegensätzliche Pole einteilen, zwischen denen sich ein Spektrum Werten befindet.
In jeder Szene des Horror-Romans bewegt sich dieser Wert zwischen den Polen hin- und her.
Bei Horror-Geschichten lässt sich das Spektrum wie folgt einteilen:
Verdammnis ist hierbei der Punkt, wo der Tod wünschenswert wäre. Daher wird Verdammnis auch als das Schicksal bezeichnet, das schlimmer als der Tod ist. Der Protagonist müsste unter grauenhaften Umständen weiterleben, in der Gewissheit, dass er hätte versuchen müssen, das Monster zu stoppen. Aber in der Verdammnis muss er mit den Konsequenzen leben, dass er sein Leben vor das seiner Mitmenschen stellte.
12. Betone, was der Protagonist will!
In einer Horror-Geschichte definiert sich das primäre Ziel des Protagonisten nicht durch Liebe, Selbstachtung oder Selbstverwirklichung. Hier geht es ums blanke Überleben. Klick um zu tweeten
Was die Figuren hauptsächlich wollen ist:
- Sicherheit
- am Leben bleiben
Erfahre in diesem Beitrag mehr über das, was der Protagonist will: Protagonist. Wer er ist & was er will. (+Infografik)
13. Leben bedeutet für den Protagonist sowohl Überleben als auch ein lebenswertes Leben zu führen.
Im Horror-Genre gehört das ›Leben‹ sowohl zu dem internen als auch zum externen Genre.
Extern orientiert sich der Wert 'Leben' an dem, was der Protagonist bewusst will: Er will am Leben bleiben. Der Protagonist setzt aber auch alles daran, dass er dem Schicksal entgehen kann, das schlimmer als der Tod ist. Er will nicht in Verdammnis dahin vegetieren. Er will wieder seinem normalen Leben nachgehen, ohne die Reue zu spüren, dass er hätte für andere kämpfen können, um ihre Leben zu retten.
Wenn sich der Protagonist nicht dem Monster stellt und nur daran interessiert ist, sein eigenes Leben zu retten, wird er in Verdammnis leben. Das Leben, wie er es einst kannte, existiert nicht mehr. Im Thriller tritt die Verdammnis auf einem psychischen Level ein, zb. Reue, weil man sich etwas, das geschah, nie verzeihen kann. Im Horror-Genre ist diese Verdammnis körperlich spürbar. Wenn der Protagonist es nicht schafft, das Monster zu stoppen, ist er verdammt – und sei es durch die Qualen, die ihm das Monster und allen zukünftigen Opfern bereiten wird. Wenn man in Verdammnis lebt, ist es eine Gnade, wenn man sterben dürfte.
Selbst wenn sich Horror-Geschichten stark um den Kampf ums Überleben drehen, tobt im Unterbewusstsein des Protagonisten ein ganz anderer Kampf: Er muss an dem Glauben festhalten können, dass das Leben noch immer lebenswert sei.
Wenn der Protagonist jedoch in Verdammnis lebt, hat er den Glauben daran verloren, dass das Leben noch lebenswert sei.
14. Formuliere das zentrale Thema deiner Gruselgeschichte.
Das zentrale Thema ist eine einfache Aussage. Sie fasst zusammen, welcher globale Wert auf dem Spiel steht und gibt den Grund an, warum sich dieser Wert von einem Pol zum anderen wandelt.
Diese Botschaft gleicht einer Lektion, die der Leser aus der Geschichte mitnimmt. Sie kann sowohl wie ein Rezept zum Überleben oder wie eine Warnung formuliert werden.
Positiv (Rezept): Leben kann erhalten werden, wenn es dem Protagonisten gelingt, das Monster zu besiegen.
Negativ (Warnung): Der Tod oder Verdammnis tritt ein, wenn es dem Protagonisten nicht gelingt, das Monster zu überwältigen oder zu überlisten.
Tipp: Nutze diese Formel für dein zentrales Thema:
Ein Pol des Globalen Wertes (Horror: Leben / Tod / Verdammnis) herrscht vor, wenn XXX eintritt.
Wie ist eine Horror-Geschichte aufgebaut?
Wir wissen, wer oder was das Monster sein kann. Aber allein ein Monster zu haben, macht keine Horror-Geschichte aus. Horror-Schriftsteller wollen ihren Lesern das Fürchten lehren. Ihnen soll das Herz so stark gegen die Brust schlagen, dass sie spüren, dass sie noch am Leben sind.
Aber wie erreicht man so ein Nervenkitzel-Erlebnis für den Leser? Was muss man am Anfang und Ende der Geschichte beachten, dass der Leser ein durchweg schauriges Abenteuer erlebt? Und wie soll man den gesamten Mittelteil füllen, dass der Leser nicht das Interesse verliert?
Im Folgenden erfährst du mehr zu Anfang, Mitte und Ende einer Horror-Geschichte.
15. Der Anfang: Fall nicht mit der Tür ins Haus. Das Monster bleibt im Hintergrund.
Der Anfang muss den Leser am Haken packen.
Wählt man die Attacke des Monsters für den Anfang, ist dem Leser sofort klar, dass sich die Geschichte um Leben und Tod dreht.
Aber sollte man gleich die Karten auf den Tisch legen und sein noch nie zuvor da gewesenes Monster präsentieren? Immerhin könnte so doch jeder sehen, was es für ein schreckliches Ungetüm ist und welchen Terror es verbreiten kann? Diese Vorgehensweise wäre ja fast, als ob man das Feuerwerk startet, bevor der Countdown beginnt.
Der Mensch hat mehr Angst vor dem Ungewissen. Vor dem, was wir nicht einschätzen kann. Das Monster sollte demnach nicht gleich am Anfang auftauchen, und wenn, dann eher im Schatten / im Dunkeln, wo man es noch nicht erkennen kann.
16. Stelle den Protagonisten in seiner heilen Welt vor.
Der Leser braucht einen Ausgangspunkt für die Geschichte. Wir können nicht nur mit dem Monster anfangen, weil wir den Leser erst einmal an die normale Welt des Protagonisten gewöhnen müssen.
Die erste Szene beginnt meist mit der alltäglichen Welt des Protagonisten. Zeige deine Hauptfigur bei etwas Normalen, das jeder Mensch schon einmal getan hat. Der Leser kann sich so am besten mit dem Protagonisten identifizieren. Auf diese Weise baust du eine Bindung zwischen Hauptfigur und Leser auf, denn der Leser sieht sich selbst besser an der Stelle des Protagonisten.
Beispiele:
- ES (Stephen King) beginnt mit dem sechsjährigen Georgie Denbrough, der mit seinem Papierboot im Regen spielt
- Ring: die Journalistin Rachel Keller muss zur Beerdigung ihrer Nichte
- The Others: Grace Stewart muss das Leben mit ihren zwei Kindern bestreiten, die beide eine Lichtallergie haben
17. Der Leser muss sich mit dem Protagonisten identifizieren können.
Besonders gut gelingt die Identifikation des Lesers mit dem Protagonisten, wenn die Hauptfigur nicht perfekt ist. Trau dich, ihre Macken und Ängste zu zeigen. Klick um zu tweeten
Außerdem ist es wichtig, dass der Protagonist am Anfang bereits ein Ziel verfolgt. Sei es ein unbewusstes oder ein bewusstes Ziel. Was will die Figur erreichen/erhalten? Zeige dem Leser das Ziel des Protagonisten, denn so verbesserst du die Empathie des Lesers für die Figur.
Beispiele:
- SCREAM 1: die Schülerin Casey Becker möchte einen Videoabend mit ihrem Freund verbringen.
- Trick ’r Treat: Emma kommt mit ihrem Freund von einem Halloween-Umzug zurück und sie möchte schon mal die eigene Halloween-Dekoration im Garten wegräumen. ('Was weg ist, ist weg' kann jeder nachvollziehen, der lieber etwas sofort macht, als es aufzuschieben).
- Der Nebel: Nachdem bei einem Sturm ihr Haus beschädigt wurde, fährt David mit seinem Sohn und seinem Nachbarn in die Stadt, um Material für die Reparaturen zu besorgen.
Dein Protagonist braucht ein Ziel, welches der Leser nachvollziehen kann. Denn bevor die Hauptfigur in Gefahr schwebt, sollte der Leser auch wollen, dass sie am Leben bleibt! Klick um zu tweeten Wenn ihm egal ist, ob der Protagonist stirbt oder nicht, geht auch die Spannung flöten. Nutze daher ein konkretes Ziel oder eine Aufgabe, welcher der Protagonist nachgeht.
18. Isoliere den Protagonisten bereits am Anfang.
In einer weiteren Szene muss sich der Protagonist irgendwo allein oder isoliert befinden. Dass hier eine düstere Stimmung vorherrscht, ist ein Muss.
Tipp: Man erwartet von Horror-Geschichten, dass sie sehr düster sind. Aber es gibt nicht nur Licht und Schatten. Eine Horror-Geschichte braucht auch Lichtblicke, um glaubwürdig zu erscheinen, denn das Leben ist abwechslungsreich und niemals nur das eine oder das andere.
»Mach es dunkel, sei erbarmungslos, mach es schwer, aber, um Himmels willen, erzähl einen Witz.« ― Joss Whedon
Genau nach diesem Motto solltest du schreiben, wenn du dich mit all dem Grauen einer Horrorstory beschäftigst. Ab und zu eine kleine Stelle, die den Leser zum Schmunzeln bringt, kann wahre Wunder bewirken und das Leseerlebnis so viel angenehmer machen.
19. Stelle weitere Figuren vor.
Stelle die Nebencharaktere interessant dar, indem du ihnen besondere Namen, äußere Auffälligkeiten, Macken oder Verhaltensweisen gibst. Zeige, wer sie sind, sodass der Leser einen Eindruck von ihrer Kultur und ihrem Hintergrund erhält.
Tipp: Deine Figuren sollten keinesfalls platt wirken und auch der Held darf nicht makellos sein.
20. Lass den Leser die Gefahren erahnen und trickse ihn aus.
Lass den Leser die Gefahren erahnen, wobei du ihn gleichzeitig austrickst. Wenn er also erwartet, dass gleich etwas Schlimmes geschieht, dann zeige eine harmlose Situation.
Beispiel: Der Protagonist hört seltsame Geräusche aus dem Kleiderschrank. Als er die Tür öffnet, springt ihn seine Katze entgegen.
21. Mache dem Leser klar, was für die Hauptfigur auf dem Spiel steht.
Kommuniziere dem Leser klar und deutlich, was für deinen Protagonisten auf dem Spiel steht. Was kann er gewinnen? Was kann er verlieren. Klick um zu tweeten
Wenn diese beiden Dinge nur zwischen den Zeilen zu lesen sind, dann schreib eine Szene, wo sie klar heraustreten!
22. Sobald der Leser deinen Protagonisten kennengelernt hat, beginne mit dem Grauen.
Nachdem der Leser nun den Protagonisten in seinem Alltag gesehen hat und dessen Ziel kennt, sollte man so schnell wie möglich auf das auslösende Ereignis der globalen Geschichte zusteuern. Es muss ein zündendes Problem geben. Entweder attackiert das Monster oder man lernt es als mögliche Gefahr kennen.
Wie bei den meisten Menschen sollte dein Protagonisten Bedenken haben. Er hat zwar wahrgenommen, dass etwas Schlimmes geschehen ist, aber er möchte nichts unternehmen oder schiebt die Entscheidung auf. Er will den Vorfall einfach nicht weiter verfolgen.
Interessanter Fakt: In jedem anderen Genre akzeptiert der Protagonist am Ende des Anfangs den Ruf des Abenteuers der Heldenreise, welcher ihn in die Neue Welt und den Mittelteil der Geschichte katapultiert. Beim Horror-Genre ist es so, dass der Protagonist die Warnung ignoriert und somit versehentlich den Ruf des Abenteuers annimmt.
23. Mitte: Das Monster muss mehrmals angreifen.
Der Mittelteil der Geschichte enthält die zweite steigende Komplikation der globalen Geschichte.
Nachdem der Protagonist ungewollt den Ruf des Abenteuers annahm, überschreitet er im Sinne der Heldenreise die Grenze zwischen seiner vertrauten und der unbekannten Welt. Bei diesem Schritt kommt es zur Attacke des Monsters.
24. Nutze die Heldenreise für den Mittelteil der Horror-Geschichte.
Gemäß der Heldenreise dreht sich der Teil von Abreise zu Krise um neue Herausforderungen. Außerdem findet der Protagonist Verbündete und macht sich Feinde, während es zu einer weiteren Attacke des Monsters kommt.
Der Wendepunkt der globalen Geschichte ist die Feuerprobe. Auch hier attackiert wieder das Monster.
25. Das Monster muss den Protagonisten angreifen.
In der Krise der globalen Geschichte kommt es zum Höhepunkt: das Monster attackiert den Protagonisten.
Tipp: Mit den zuvor geschehenen Attacken des Monsters zeigen wir, dass die Bedrohung des Bösen immer größer wird. Von Attacke zu Attacke wird die Action und die Grausamkeit immer stärker und der Protagonist schwebt in immer größer werdender Gefahr. Vor allem durch die Entscheidungen, die er trifft, selbst wenn er sie nicht treffen will.
26. Der Protagonist ignoriert das Problem und widmet sich seiner momentanen Aufgabe.
Eine weitere Besonderheit des Horror-Genres liegt darin, dass in jedem anderen Genre sich das anfängliche Problem wandelt, bevor der Protagonist den Ruf des Abenteuers annimmt. Im Horror-Genre ignoriert der Protagonist die Warnung und erfüllt sein anfängliches Ziel, damit sich nichts verändert.
Meist entscheidet sich der Held dazu, dass er das Problem untersucht und dabei die Wahrheit des Horrors herausfindet. Er ist nun gezwungen zu handeln, um die Leben anderer zu retten.
Tipp: Wenn sich dein Protagonist dazu entscheidet, dass er sich der Gefahr stellen wird, dann lass ihn diese Entscheidung nicht aus Dummheit treffen! Gib ihm einen verdammt guten Grund, warum er sein Leben riskieren soll. Selbst wenn der Grund in den eigenen Fehlern des Helden begründet liegt, ist das noch immer besser, als einen Idioten, der sich ohne nachvollziehbaren Grund in Gefahr begibt.
27. Die Lage des Protagonisten muss hoffnungslos sein.
Am Ende des Mittelteils kommt es zum Alles-ist-Verloren Moment. Das Monster attackiert immer und immer wieder und die Situation des Protagonisten erscheint hoffnungslos.
28. Lass den Protagonisten falsche Annahmen treffen.
Dabei kommt es zu einem falschen, ersten Ende. Der Protagonist nimmt fälschlicherweise an, dass er das Problem gelöst hätte oder dass andere Figuren die Vernichtung des Monsters für ihn übernehmen könnten. Leider muss er einsehen, dass es an ihm allein liegt, das Monster aufzuhalten.
Tipp: Das Monster muss nicht unbedingt derjenige sein, den der Protagonist vermutet. Es kann möglich sein, dass der Protagonist zusammen mit dem echten Monster vermutet, dass ein Freund oder Verbündeter das Monster wäre. Sie schließen sich zusammen und räumen die falsche Bedrohung aus dem Weg. Der Protagonist verliert seine Vorsicht, weil er sich in falscher Sicherheit glaubt, und as Monster zeigt sein wahres Gesicht (meist aus Versehen).
Beispiel:
Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast: Julie vermutet zuerst, dass Ray der Mörder wäre, weil er nach dem Sommer als Fischer arbeitete. Sie rennt vor ihm weg. Ray verfolgt sie. Bei ihrem Fluchtversuch wird Ray jedoch von einem anderen Fischer niedergeschlagen, der Julie zuruft, sie soll auf sein Boot flüchten. Dort sieht sie die Bilder von sich und ihren Freunden. Sie ist nun auf dem Boot des wahren Mörders, aber als sie ihn erkennt, sind sie bereits auf hoher See.
29. Das Ende: Gewinnt oder verliert der Protagonist?
Am Ende kommt es zum Höhepunkt der gesamten Geschichte. Der Hauptfigur gelingt es, sich ein letztes Mal zu erheben und er kämpft gegen das Monster. Entweder wächst der Protagonist an seiner Aufgabe und er konfrontiert seine Fehler/Ängste, um zu überleben, oder er versagt an der Aufgabe und stirbt.
Normalerweise gelingt es dem Protagonisten, das Monster zu überlisten. Dabei ist es wahrscheinlicher, dass der Protagonist das Monster überlistet, als dass er es mit purer Muskelmasse besiegt.
Manchmal sind Horror-Geschichten aber auch belehrend. In diesem Fall verliert der Protagonist gegen das Monster und er erleidet das Schicksal, das schlimmer als der Tod ist: Verdammnis. Klick um zu tweeten
Tipp: Wenn der Protagonist gegen das Monster kämpft, muss es dem Monster beinahe gelingen, den Protagonisten zu töten. Im letzten Moment gewinnt der Held gegen das Monster. Sei es durch Mut, Einfallsreichtum, ein Werkzeug oder eine neue Erkenntnis. Pass jedoch auf, dass das Ende nicht zu weit hergeholt ist. Verzichte unbedingt auf den Einsatz einer Deus ex Machina.
30. Das Böse überlebt, selbst wenn es besiegt ist.
Nach dem Sieg des Protagonisten kann man die Geschichte enden lassen. Oder man knüpft an den Anfang der Geschichte an und stellt noch einmal heraus, dass der Protagonist sein verborgenes Talent entdeckt hat und/oder seine Ängste erfolgreich konfrontierte.
Versuche jedoch die Geschichte mit einer Andeutung ausklingen zu lassen, dass das Böse noch immer irgendwo heimlich lauert.
Der Leser soll vermuten dürfen, dass das Monster zurückkehren wird. Mit diesem Abschluss drückt man aus, dass das Böse nie vollkommen besiegt werden kann. Und der Leser könnte das nächste Opfer sein ;-)
»Der Preis des Friedens ist ewige Wachsamkeit.« (Leonard Henry Courtney)
Szenen, die in jede Gruselgeschichte gehören.
Jedes Genre besitzt Szenen, auf die der Leser lauert. Sei es der erste Kuss in einer Liebesgeschichte, der Fund der Leiche im Krimi oder das Duell in einem Western.
Auch das Horror-Genre verfügt über eine Reihe von Szenen, die ein Muss für jede Horror-Geschichte sind. Wenn der Leser diese Etappen in der Story nicht vorfindet, wird die Geschichte nicht funktionieren.
Was sind Pflichtszenen? Nach Shawn Coyne sind Pflichtszenen »die zwingend erforderlichen Szenen, welche die Erwartungen der Leser erfüllen, die sich aus den Konventionen des Genres ergeben.«
Sprich, die Konventionen bereiten bestimmte Etappen in einer Geschichte vor, welche durch die obligatorischen Szenen umgesetzt werden.
31. Schreibe die Szene, wo das Monster angreift.
Wie jede andere Geschichte braucht eine Horror-Geschichte das auslösende Ereignis. Das auslösende Ereignis ist weder das Treffen der Liebenden (Love-Story) oder eine wunderbare Herausforderung/Möglichkeit (Weltanschauung).
Es ist eine Erwartung des Lesers, dass auf den ersten Seiten der Geschichte etwas so grauenhaftes und schreckliches passiert, dass er ein Gefühl dafür bekommt, wie durchtrieben/böse/blutrünstig/herzlos/krank der Gegner ist. Die übernatürliche Stärke des Monsters muss zu spüren sein und die Frage muss aufkommen, wie man dieses Grauen besiegen kann.
Wer also eine Horrorstory liest, erwartet die erste Attacke des Monsters. Diese Attacke wirft den einzelnen (eher nicht heldenhaften) Protagonisten aus seinem gewöhnlichen Leben und zwingt ihn, sein eigenes Leben zu retten. Sprich, der Urinstinkt des Überlebens wird geweckt.
Beispiele:
- Halloween – Die Nacht des Grauens: die Freundin der Protagonistin Laurie wird am Halloweenabend von Myers stranguliert.
- ES (Stephen King): Pennywise beißt dem sechsjährigen Georgie Denbrough einen Arm ab.
- Der weiße Hai: eine Schwimmerin wird durch einen Haiangriff getötet.
32. Schreibe Szenen, um die Nebenfiguren zu reduzieren.
Zudem gibt es eine Reihe von Szenen, welche die Nebencharaktere reduzieren (natürlich durch Ermordungen). Nach diesen Szenen verbleibt der Protagonist als das letzte mögliche Opfer (Konvention).
Beispiele:
- Halloween – Die Nacht des Grauens: Myers ermordet drei Freunde der Protagonistin Laurie, bevor er sie attackiert.
- ES (Stephen King): immer mehr Kinder verschwinden.
- Der weiße Hai: weitere Menschen fallen dem Hai zum Opfer.
Tipp: Es muss nicht immer nur das Monster sein, welches Figuren der Geschichte tötet (meist die Verbündeten des Protagonisten). Figuren können auch Mittäter des Monsters sein, welche vom Protagonisten umgebracht werden.
33. Schreibe die Szene, wo dein Protagonist alles verloren glaubt.
Außerdem gibt es den Alles-ist-Verloren Moment, der sich im Horror-Genre dadurch äußert, dass der Protagonist das Monster als unbesiegbar empfindet. Gern kann es in dieser Szene auch zur Anpreisung des Monsters kommen, wo der Protagonist glaubt, dass er keine Chance gegen das Monster hätte, weil es zu stark ist.
Der Alles-ist-Verloren Moment ist das Herzstück jeder Horrorstory. In dieser Szene befindet sich das Opfer (der Protagonist) in der Gnade des Monsters und entdeckt sein bis dato verborgenes Talent/Geschick.
Wie bereits erwähnt, kann der Protagonist die Attacke des Monsters überleben oder auch nicht.
Tipp: Wie bei jeder Geschichte konzentriere dich darauf, die Geschichte zu erzählen, die du erzählen willst und mach dir weniger Gedanken um den passenden Markt für deinen Roman. Klar, darf dein Monster deinen Protagonisten umbringen – aber hier musst du damit rechnen, dass es zwar eine Leserschaft für diese Art Bücher gibt, aber die meisten Horrorfans eine Story bevorzugen, wo die Hauptfigur am Leben bleibt. Nicht grundlos ist Evil Dead 2 erfolgreicher als Evil Dead 1, wo der Protagonist im ersten Teil am Ende starb.
34. Schreibe ein doppeltes Ende.
Und nicht zu vergessen: das falsche Ende.
Eine Horrorstory sollte immer zwei Enden besitzen. Klick um zu tweeten
Beispiel:
- Halloween – Die Nacht des Grauens: der Film scheint mit Loomis (Psychiater von Myers) zu enden, der sechsmal auf Myers schießt und der vom Balkon des Hauses fällt. Ein kurzer Dialog mit Laurie folgt, indem Loomis betont, dass Myers der schwarze Mann war. Als Loomis den Balkon herabsieht, ist Myers verschwunden.
35. Erfinde die beliebteste Szene einer Horror-Geschichten neu.
Wenn wir einen Thriller lesen, ersehnen wir den Moment, wo sich der Held in der Gnade des Schurken befindet. Es scheint keinen Ausweg mehr zu geben und der Held ist dem Antagonisten hilflos ausgeliefert.
Auch im Horror-Genre gibt es die Szene, wo sich unser Protagonist in der Gnade des Monsters befindet. An dieser Stelle ist er nicht der Held, sondern das Opfer. Wie beim Action-Genre treiben auch beim Horror-Genre die antagonistischen Kräfte (das Monster) die Handlung voran.
Die Aufgabe des Autors ist es, genügend Innovation in diese so oft gesehenen Szenen zu bringen, dass sie den Leser von neuem überraschen. Pflichtszenen sind keine Klischees, sondern es sind die Momente, auf welche sich der Leser am meisten freut. Daher sollte man auf diese Szenen nicht verzichten, sondern sie stattdessen neu erfinden!
36. Wie endet eine Horror-Geschichte?
Das auslösende Ereignis der Geschichte gibt gleichzeitig das Versprechen auf das Ende. Im Horror-Genre fällt Anfang und Ende auf jeweils eine Pflichtszene des Genres, die unbedingt vorhanden sein muss: die Attacke des Monsters.
Der Höhepunkt der Geschichte ist der Moment, in dem das verwundete Opfer das Monster besiegt.
Tipp: Lass dir beim Schreiben keinen Ausweg, wie deine Hauptfigur das Monster am Ende besiegen kann. Generell ist es ein guter Tipp, wenn du dir beim Schreiben keine Gedanken machst, wie dein Held aus der Misere wieder herauskommt, in die du ihn hinein katapultierst. Wenn du von Anfang an am Ausweg arbeitest, wird der Leser schnell wissen, wie der Held sich befreien kann. Deswegen am besten erst am Ende überlegen, was deine Figur tun kann, um das Monster zu besiegen.
Die 12 Konventionen des Horror-Genres
Horrorfans wissen, was sie von einer Horror-Geschichte erwarten. Aber hast du in deinem Manuskript auch an alle Konventionen des Horror-Genres gedacht?
Konventionen sind gleichzusetzen mit bestimmten Erwartungen, die der Leser an ein Genre hat. Auch wenn Genre-Fans nicht immer sagen können, welche Elemente sie in einer Horror-Geschichte wiederfinden wollen, gibt es ein paar, die absolut nicht fehlen dürfen. Lässt man diese Elemente weg, wird der Leser verwirrt oder gelangweilt sein. Aus diesem Grund sind Konventionen genauso wichtig, wie die Pflichtszenen eines Genres. Sind sie nicht vollständig, funktioniert die Geschichte nicht.
Ungleich den Pflichtszenen, die direkte Etappen in einer Geschichte markieren, sind Konventionen bestimmte Anforderungen an die Figuren und/oder Methoden für den fortschreitenden Plot, die in beliebiger Reihenfolge eingesetzt werden können.
Wenn eine mitreißende Horrorstory schreiben will, sollte die folgenden Konventionen im Buch einbauen.
37. Es existiert ein enormer Kräfteunterschied zwischen Protagonist und Monster.
Der Protagonist ist einer Horror-Geschichte darf ein Schwächling sein. Umso besser, wenn man durch seine Tollpatschigkeit, seine Macken oder seine Schwäche annimmt, dass er die geringsten Überlebenschancen besitzt. Klick um zu tweeten Die Überraschung ist umso größer, wenn diese Person das Monster am Ende überlistet.
38. Es gibt keinen Ausweg für deine Hauptfigur.
Der Protagonist wird zu einer Konfrontation mit dem Monster gezwungen, weil sie sie sich in einer Situation oder an einem Ort befinden, der isoliert ist. Manchmal ist diese Isolation schon erschreckend nah an dem Zustand von Klaustrophobie.
Beispiele:
- Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast: Die Protagonistin ist mit dem Mörder allein auf einem Boot mitten auf dem Meer. Entkommen unmöglich.
- Der weiße Hai: Brody ist auch auf einem Boot, welches der Hai attackiert.
- Halloween – Die Nacht des Grauens: Laurie rettet sich ins Haus der Doyles, aber sie wird auch dort von Myers angegriffen.
- Nightmare – Mörderische Träume: Freddy greift seine Opfer in ihren Träumen an. Schutzloser kann man einem Monster nicht ausgeliefert sein.
Zusätzlich ist das Setting düster und die Gefahr wird durch labyrinth-ähnliche Effekte verdeckt. Falls es noch einen Weg für den Protagonisten gibt, wo er leicht Hilfe holen kann, sollte der Antagonist ihm den Weg abschneiden.
Beispiel: In Evil Dead 2 wird die Brücke zerstört. Ash ist allein im Wald gefangen.
Tipp: Die Atmosphäre in einer Horror-Geschichte ist wahnsinnig wichtig. Sie darf gern voller Details sein. Nur so kann der Horror erweckt werden und wirklich bedrohlich wirken. Manche sagen sogar, dass die düstere Atmosphäre noch wichtiger als der Plot selbst ist.
39. Der Protagonist hat keine Zeit zum Grübeln.
In Horror-Geschichten sollte die Hauptfigur keine Schnarchnase sein. Herumsitzen, auf den Tod warten oder über die korrekte moralische Entscheidung nachdenken haben in diesen Geschichten keinen Platz.
Die Hauptfigur muss aktiv und neugierig sein und den Spuren folgen, um hinter das Geheimnis des Horrors zu gelangen
Natürlich dürfen die Figuren Angst haben. Immerhin haben sie (noch!) keine Ahnung, wie stark das Monster wirklich ist. Verzweiflung spiegelt sich in all den Versuchen, die man unternimmt, um zu überleben. Der Protagonist nimmt sogar den Kampf gegen das Monster auf, vor allem um dem Schicksal der Verdammnis zu entgehen!
Beispiel SAW: Hier haben sich die Menschen die eigenen Gliedmaßen abgetrennt oder komplett das Teamdenken vergessen. Jeder dachte nur noch an sich, um zu überleben. In diesem Fall eine verheerende Entscheidung.
40. Horror-Geschichten bleiben (zum Glück) eine Unwahrscheinlichkeit.
Sicherlich werden die Ereignisse in Horror-Geschichten übertrieben dargestellt und die meisten übernatürlichen oder besessenen Monster sind realitätsfremd.
Selbst die Vorkommnisse und Komplikationen sind so unwirklich, dass es unwahrscheinlich ist, dass sie je im realen Leben geschehen. Aber die Angst ist real, wenn wir diese Geschichten miterleben. Und Angst kann uns in den Wahnsinn treiben.
Beispiel The Grudge: Man betritt ein Haus und ist dadurch dem Tode geweiht.
41. Es steht nicht nur das Leben des Protagonisten auf dem Spiel.
Es geht nicht nur um das (Über-) Leben des Protagonisten, sondern auch um seine Mitmenschen. Dieses Dilemma ist der Antrieb der Hauptfigur. Er muss versuchen, nicht nur sich selbst zu retten, sondern auch Freunde, Familie und manchmal sogar die gesamte Menschheit.
Beispiel Zombie-Apokalypsen: Der Held muss der den Planeten zerstörenden Pest an Untoten Einhalt gebieten, weil sonst die gesamte Menschheit verloren ist.
42. Die Geschichte enthält Elemente der Spannung.
Spannung ist ein erzählerisches Mittel, wo sowohl der Leser als auch der Protagonist denselben Informationsstand besitzen.
Du hältst deine Leserschaft also im ständigen Unbehagen, weil das Monster beliebig zuschlägt und keinem eine Pause gönnt. Es gibt einfach keine ruhigen Momente.
Beispiel: In The Happening mit Mark Wahlberg war der Wind ein andauernder, aber unsichtbarer Feind. Wie soll man gegen diese Macht ankämpfen?
Tipp: Verschleiere die Macht des Monsters. Lass es so lange wie du kannst versteckt und enthülle Schritt für Schritt immer schrecklichere Facetten, die das Monster besitzt.
Brauchst du mehr Tipps, wie man spannend schreiben kann? Dann empfehle ich dir diesen Artikel: Wie kann ich spannend schreiben?
43. Die Ereignisse folgen überraschend aufeinander.
Die Sequenzen/Abschnitte der Ereignisse sind überraschend und beginnen meist in alltäglichen Situationen, denen übernatürliche oder fantastische Elemente innewohnen.
Denke immer daran, dass die Essenz einer Horror-Geschichte im Vertrauten liegt.
Beispiel: Scream beginnt mit einem Telefonanruf. Wahrscheinlich verwählt, aber wie sich die Szene wandelt, ist Horror pur.
44. Der Protagonist muss im Laufe der Gruselgeschichte an sein Ziel erinnert werden.
Wir wissen, dass sich der Leser mit dem Protagonisten identifizieren muss. Das gelingt einerseits durch die Etablierung von vertrauten Vorkommnissen (sh. Punkt 17) sowie durch die Ziele, welche die Hauptfigur erreichen will. Der Leser muss also wissen, was die Figuren in der normalen Welt wollen, bevor das Monster zuschlägt. Wollen sie auf ein Date gehen? Freunde besuchen? Das beste für ihre Liebsten oder haben sie sie ungewollt vernachlässigt?
Irgendwo im Mittelteil wird der Leser an dieses Bedürfnis erinnert. Nur mit Hilfe dieses konkreten und nachvollziehbaren Zieles des Protagonisten wollen wir, dass er überlebt und dass er nicht in einer grauenhaften Szene umkommt.
45. Versetze den Leser in die Rolle des Opfers.
Das Monster ist vom Bösen besessen. Es strebt nach Vernichtung und Verzweiflung. Es will sich nicht auf einen Kaffee treffen und darüber diskutieren, ob es nicht besser aufhören sollte.
Der Leser kann am besten die Macht des Monsters spüren, wenn er in die Rolle des Opfers hineinversetzt wird.
Shawn Coyne nennt diesen Zustand einen ›sadomasochistisch Flip Flop‹. Das heißt, so sehr der Leser mit dem Protagonisten mitfühlt, wählt er sich eine Horrorstory, weil er die Figuren auf’s Extremste leiden sehen will – sowohl die Opfer als auch das Monster.
46. Preise das Monster an.
An irgendeiner Stelle der Geschichte muss der Protagonist oder eine andere Figur zu der Einsicht kommen, dass keine Chance besteht, das Monster zu besiegen. Das ist eine sehr gute Art der Dramatisierung. Wenn selbst die Figuren keinen Ausweg sehen, wie kann die Geschichte dann noch zu einem guten Ende finden?
Die Kunst liegt darin, dass man versucht, die Macht des Monsters zu zeigen.
Beispiel:
- Halloween – Die Nacht des Grauens: Laurie wird von Myers attackiert. Sie sticht ihm eine Stricknadel in den Hals, einen Kleiderbügel ins Auge und ein Messer in die Brust. Statt verletzt liegen zu bleiben, setzt Myers seine Jagd auf Laurie fort, als wäre nichts gewesen. (Wunderbares Show, don’t Tell – Laurie sagt an keiner Stelle, dass sie keine Chance gegen Myers hätte. Es wird alles gezeigt.).
47. Der Protagonist stellt das letzte Opfer des Monsters dar.
Der Leser möchte mit dem Protagonisten mitfiebern. Er sieht sich selbst in seiner Rolle. Es wäre also nicht empfehlenswert, wenn man den Protagonisten vor dem Ende tötet.
48. Das Böse bleibt bestehen.
Der Autor gibt einen kleinen Anhaltspunkt darauf, dass das Böse noch immer existiert, selbst wenn es überlistet wurde.
Das Monster kann also zurückkehren. Das Wann und Wo bleibt jedoch unbekannt.
Noch mehr Tipps und Kniffe zum Schreiben einer Horror-Geschichte.
Hier noch ein paar weitere wichtige Tipps, wenn du darüber nachdenkst, ein Drehbuch für einen Horrorfilm oder einen Horror-Roman zu schreiben. Vor allem, wenn du Probleme hast, den Kern der Geschichte zu finden, das Tempo zu bestimmen oder Subtext einzubauen.
49. Horror-Geschichten erfordern, dass der Leser unwirkliches als real auffasst.
Die Geschichten des Grauens drehen sich ums Überleben. Die Figuren erleben Schicksale, die bis an die Grenze der menschlichen Erfahrung reichen.
Da wir von einem Monster sprechen, siedeln sich Horror-Geschichten meist in der Rubrik Fantasie an (nicht Verkaufskategorie, aber bezogen auf die Realität, in welcher die Geschichte spielt.)
Es ist wichtig, dass man versucht, dem Monster glaubwürdige Beweggründe für ihr Verhalten zu geben. Sonst läuft man der Gefahr aus, dass die Geschichte als Parodie aufgefasst wird. Klick um zu tweeten
Beispiele:
- Halloween – Die Nacht des Grauens: Myers hat es auf Laurie abgesehen, weil sie seine Schwester ist.
- Der weiße Hai: Der Hai ist ein Tier. Zu töten liegt in seinem Instinkt, selbst wenn es davon besessen scheint.
- Fred Krueger hat eine grausame Vorgeschichte. Seine Mutter war eine Nonne, die man in einem Turm mit rund hundert Geisteskranke eingesperrte. Sie wurde vergewaltigt und wurde mit Freddy schwanger. Als Kind wurde Freddy von seinem Adoptivvater nur schikaniert und von seinen Mitschülern gemobbt, da sie ihn als den „Sohn von hundert Irren“ beschimpften. Freddy entwickelte somit recht früh soziopathisches Verhalten.
50. Horror-Geschichten brauchen nicht so viele Szenen wie andere Geschichten.
Wusstest du, dass man in Horror-Geschichten die kleinste Anzahl an Szenen vorfindet? Das ist erstaunlich, wenn man Horror mit anderen Genres vergleicht, die auf weitaus mehr Szenen kommen.
Aber was das Horror-Genre zusätzlich noch besonders macht, ist der starke Szenenwechsel. Es muss nicht nur gemordet werden. Man darf auch ein kleiner Hemingway sein. Finde die Balance, aber halte in Actionszenen das Beschreiben von Emotionen, Szenerie und Gedanken so kurz wie möglich.
Unsicher, wie man eine neue Szene beginnen kann? Erfahre hier, welche 3 Möglichkeiten es für einen Szenenanfang gibt: 3 Wege, ein Kapitel zu beginnen (inkl. Beispiele)
51. Horror bedeutet nicht, dass nacheinander Menschen abgeschlachtet werden müssen.
Sicherlich gibt es auch Szenen, wo das Monster zuschlägt, Blut fließt und Menschen sterben, aber das ist nur ein Teil von Horror-Geschichten.
Effektiver ist es, mehr Bilder in der Vorstellungskraft der Leser zu wecken. Schreibe eine Horror-Geschichte mit dem Ziel die Glaubwürdigkeit der Geschichte zu erhöhen. Nur so schafft man es, dass die Leser mit den Figuren in eine düstere und fantastische Welt des Unrealen eintauchen.
Tipp: Mache eine Gratwanderung zwischen dem eindeutigen und dem zweideutigen. Erlaube es dem Leser, manche Stellen mit seiner eigenen Vorstellungskraft zu füllen. Manchmal ist das Ungewisse viel stärker und furchterregender, als der Versuch, es niederzuschreiben.
Tipp: »Die besten Autoren arbeiten mit der Vorstellungskraft ihrer Leser zusammen.« (Rachelle Ramirez)
52. Mit Subtext und implizierten Bedeutungen Spannung erzeugen.
Neben der Haupthandlung gibt es auch die unterschwellige Stimulation der Empfindungen des Lesers. Spannung erwächst hier vor allem aus Angst und Abscheu.
Die Angst entspringt der dunklen Vorahnung, dass schlimme Dinge passieren werden.
Die Abscheu bezeichnet die Stellen, an denen man miterlebt, wie sich die schlimmen Dinge entwickeln.
Eine gute Horror-Geschichte läuft immer nach diesem Schema ab – von Angst zu Abscheu zu Angst zu Abscheu.
53. Horror-Geschichten sind persönlich.
Die eigene Horror-Geschichte muss dieselben Emotionen im Autor wecken, wie man sie vom Leser erhofft.
Also scheue dich nicht deine Ängste zu nutzen. Sicherlich gibt es die Standarddinge, vor denen die meisten Angst haben: Spinnen, Clowns, Puppen ... aber sei auch bereit, dir neue Monster auszudenken. Ich habe größten Respekt vor allen Autoren, die sich in die Untiefen des Schreckens begeben.
54. Traue dich, die extra Meile zu gehen.
Sei innovativ.
Das Thema deiner Horrorstory mag zwar Mainstream sein, aber das bedeutet längst nicht, dass auch deine Geschichte nach dem bekannten Pfad verlaufen muss.
Sicherlich ist es im Horror-Genre schwieriger, mit etwas Neuen zu kommen. Wir kennen mittlerweile so viele Tricks, die einst Angst erzeugten, dass es heutzutage immer schwieriger wird, super Spannungsmomente zu schaffen.
Traue dich, deinen Text dorthin zu bringen, wo andere Autoren sich nicht hinwagen. Klick um zu tweeten
55. Show, don’t Tell.
Sage niemals, dass irgendetwas jemanden Angst macht. Denke immer daran, man muss die Angst spüren, um sie erleben zu können. Als Autor ist es das vorrangige Ziel zu unterhalten.
Zusammenfassung:
Was auch immer du tust, das Horror-Genre verlangt, dass du nicht einfach nur gegen die Bösen austeilst. Dieses Genre ist so düster und teilweise krank, dass wir die Wahrheit konfrontieren müssen: Schlimme Dinge passieren leider zu oft den guten Menschen.
Tipp: Am besten kannst du das Horror-Genre beherrschen lernen, wenn du von den Meisterwerken dieses Genres lernst. So kannst du auch besser erkennen, wo neue Innovationen gebraucht werden.
Danke für all deine Aufmerksamkeit, dass du mit mir das Horror-Genre untersucht hast.
Und hier, wie versprochen, der gesamte Leitfaden zum Horror-Genre als PDF. Wie immer, im Zusammenspiel mit meinem E-Mail Kurs: Die Erwartung des Lesers erfüllen.
Für den Download bitte nach unten zur gelben Box scrollen.
Weitere tolle Lektüre zum Thema Horror findest du in weiteren spannenden Artikeln auf http://storymonster.de/.
Oder wenn du gut in Englisch bist, ist natürlich auch dir Seite von Writer's Digest zu empfehlen: writersdigest.com
Was denkst du, was für eine Horror-Geschichte wichtiger ist? Das Monster oder das Setting? Schreibe deine Meinung in die Kommentare.