So geht's:
Egal, welche Art von Roman oder Film, ich werde immer die folgenden Fragen zu dem jeweiligen Beispiel beantworten:
- Was ist das globale Genre?
- Was sind die Pflichtszenen und Konventionen des globalen Genres?
- Was sind die Objekte des Verlangens?
- Was ist das kontrollierende Thema?
- Was ist das erzählerische Mittel und die Erzählperspektive?
- Anfang, Mitte und Ende jeweils in ein bis zwei Sätzen zusammengefasst.
Du kennst Traumwandler von Hannes Niederhausen noch nicht?
Vermeide, dass ich dir die Geschichte mit der folgenden Analyse spoiler, bevor du sie nicht selbst gesehen oder gelesen hast. Zu Amazon
Analyse des Romans: Traumwandler
bei Filmen: DVD
bei Filmen: Blu-Ray
Hinweis: Die Einordnung des Genres erfolgt nach dem Story Grid. Mehr dazu in dem Beitrag: Buch & Genre.
Zusätzlich gehe ich auf diese 3 Themen ein:
- Die Etappen der Heldenreise von Traumwandler
- Auswertung der Geschichte
- Erste Schritte für die Überarbeitung des Romans
1. Was ist das globale Genre?
Traumwandler ist ein Fantasy-Roman (Subgenre: Mensch).
Der Stil der Geschichte ist Drama und die Struktur orientiert sich an der Heldenreise.
Das primäre Genre, welches den Inhalt beschreibt, ist Action. Die Unterkategorie der Action-Geschichte ist entweder Mensch gegen den Staat – Bürgerwehr (Der Held kämpft gegen eine kriminelle Organisation) oder Mensch gegen Mensch – Monster.
Die Unsicherheit in dieser Entscheidung liegt darin, dass der Schurke nicht eindeutig in der Geschichte kommuniziert wird. Einerseits sind es die Traumwächter, die den Mittelteil der Geschichte für sich beanspruchen, andererseits ist es der Rholaner Philos, der die Menschen tötet.
(Im Punkt Objekte des Verlangens gehe ich noch einmal genauer darauf ein, warum die Rolle des Antagonisten nicht klar genug kommuniziert wird).
Das interne Genre ist Weltanschauung-Offenbarung, obwohl man hier argumentieren könnte, dass das interne Genre zu schwach ist.
Warum?
Außer die Wandlung in der Erkenntnis, dass »Jeder lebt sein Leben und manchmal passen die beiden Leben nicht mehr zusammen. Es war das erste Mal, dass er einen Abschied wirklich akzeptieren konnte.« (Epilog) entwickelt sich Richard kaum. Das ist natürlich auch nicht notwendig für eine Action-Geschichte, wäre aber von Vorteil gewesen, um die fehlende Charaktertiefe für den Protagonisten Richard aufzubringen.
Anmerkung zum Genre für Traumwandler
Die Realität von Traumwandler ist Fantasy, weil:
Traumwandler sind in der Lage, wenn sie schlafen, ihren Geist in einen Körper zu transferieren. Der Körper entsteht aus dem Nichts. (Kap. 6)
Das ist keine Fähigkeit, die in der Realität möglich ist. Der Leser muss daher seinen Glauben ausdehnen, um sich auf die Geschichte einlassen zu können.
Das globale Genre ist Action.
Aber:
Im Falle von Traumwandler haben wir einen Roman, wo es für den Leser nicht klar ist, was er für eine Geschichte liest. Das bedeutet, er ist sich unsicher, was er von der Handlung erwarten kann.
Ist Traumwandler eine Lovestory?
Diese Annahme ist begründet:
Abgesehen vom Prolog, der von einem Zugunglück berichtet (Action, Skala: Leben & Tod) beginnt die Geschichte mit einem jungen Erwachsenen, dessen Freundin lieber nach Madrid fährt, als das sie ihr einjähriges zusammen feiern (Kapitel 1).
Auch Kapitel 2 dreht sich nur um den Protagonisten, der wegen seines Liebeskummers total niedergeschlagen ist.
Der Anfang drückt keine Action-Geschichte aus. Der Leser fühlt sich mit den ersten beiden Kapiteln komplett im falschen Film.
Das heißt nicht, dass sich jedes Kapitel eines Romans um den Kernwert des Genres drehen muss, aber die Ereignisse sollten den Protagonisten vorstellen, Empathie entwickeln und zur Handlung beitragen.
Vor allem am Anfang ist es die Aufgabe des Autors, dem Leser klar zu kommunizieren, was er von der Geschichte erwarten kann. Wenn wir in den ersten beiden Kapitel eine tragische Lovestory lesen, sind wir verwirrt, wenn wir Action erwarten. Wenn diese Liebesgeschichte zudem in ihrer Intensität nicht stark genug ist, um unser Interesse zu halten, springen die ersten Buchinteressenten ab.
Die Trennung von seiner Freundin soll das emotional einschlagende Erlebnis für den Protagonisten Richard ausdrücken. Es ist das Ereignis, das die Traumwandel-Fähigkeit in ihm auslöst. Aber es ist zu schwach. Es ist nicht glaubwürdig. Die Trennung geschieht auch nicht persönlich, sondern nur über einen Anruf. Dazu ist es kaum eine Trennung, sondern nur eine Absage, das Jubiläum miteinander zu verbringen.
Klar kann man als Leser Mitleid für Richard empfinden, aber kann man mit ihm mitfiebern?
Er gibt sich zu leicht geschlagen. Er gibt auf. Natürlich steckt hier Entwicklungspotenzial für die Figur drin. Genügend Ansätze, dass Richard über sich hinaus wachsen kann. Aber der Anfang ist zu schwach, als das er den Leser am Haken packt.
Tipp:
Der Anfang einer Geschichte gibt dem Leser ein Versprechen auf das Ende. Wenn man mit einer Lovestory beginnt, erwartet der Leser die Auflösung dieser Geschichte am Ende.
Zwar kommt Richard am Ende über Jasmin hinweg, aber das globale Genre ist Action, nicht Liebe.
Das globale Genre muss am Anfang etabliert werden und eine Frage aufwerfen. Am Ende sollte der Protagonist vor einer ähnlichen Frage ein zweites Mal stehen. Und wenn er sich im Verlauf der Geschichte entwickelt hat, dann wird er diese Frage anders beantworten können.
Anfang und Ende reimen sich.
Eine funktionierende Geschichte kann in einem Satz ausgedrückt werden, wenn folgendes erfüllt ist:
- Der Anfang weist auf das Ende hin
- Das Ende beantwortet die Frage vom Anfang
- es gibt eine Veränderung zwischen Anfang und Ende = Wendepunkt
- Anfang und Ende besitzen die gleiche Skala, auf der sich der Wert vom Anfang zum Ende hin wandelt
- die fünf wichtigsten Szenen von jeweils Anfang, Mitte und Ende verfügen über einen Wendepunkt, der den Wert des globalen Genres von einem Punkt zu einem anderen auf der Skala des globalen Genres verschiebt
Mehr dazu unter dem Punkt: Was ist das kontrollierende Thema von Traumwandler.
Ist Traumwandler ein Thriller?
Traumwandler könnte ein Thriller in der Kategorie Serienmörder sein.
Sowohl der Thriller als auch die Action-Geschichte bewegen sich auf der gleichen Skala zwischen Leben und Tod. Aber beim Thriller steht zusätzlich die Verdammnis auf dem Spiel.
Auch in Horror-Geschichten taucht Verdammnis auf. Aber im Horror-Genre bezieht sich Verdammnis auf die körperliche Pein, wenn das Opfer vom Monster gequält wird. Im Thriller ist die Verdammnis psychologischer Natur. Das heißt, der Protagonist lebt in Reue, weil er etwas (nicht) getan hat.
Beispiel:
Das Schweigen der Lämmer: Clarice Starling könnte sich für die Karriere beim FBI entscheiden, müsste dann aber mit dem Wissen leben, dass sie hätte Buffalo Bill stoppen können. Und jede weitere Frau, der er umbringt, würde auf ihre Kappe gehen. Sie wäre verdammt.
In Action-Geschichten hingegen bewegt man sich meist nur zwischen Leben und Tod. Verdammnis wird nur kurz angedeutet. Verdammnis ist auch kein Faktor, der den Protagonisten beeinflusst.
Außerdem ist Philos der typische Gegner von Superhelden, aber er ist kein Soziopath wie in einem Thriller. Er tötet, damit es seiner Welt besser geht. Es sind nachvollziehbare Gründe. Sie sind nicht geisteskrank, immerhin geht es um den Erhalt einer komplett anderen Spezies. Nur der Stärkere überlebt.
2. Was sind die Pflichtszenen und Konventionen des globalen Genres?
Globales Genre: Action
- Szene: Eine aufregende Attacke des Schurken.
Der Flugzeugabsturz, als Richard das erste Mal wandelt. (Kap. 3) - Szene: Der Held weicht der Verantwortung aus, dass er handeln sollte.
Richard will kein Traumwächter sein. (Kap. 6) - Szene: Der Held wird dazu gezwungen, seine bekannte Welt zu verlassen, und reagiert darauf, in dem er ausschlägt.
Philos bringt Richards Mutter um, und Richard muss sich der Wut stellen, die er auf seinen Vater hat, weil er ihn als Kind verlassen hat. (Kap. 7) - Szene: Der Held findet heraus / versteht, was das MacGuffin des Schurken ist.
Richard erkennt, das Philos auf dem Planet Erde Energie erntet und mit den Morden Opferrituale vollzieht. (Kap. 29) - Szene: Der erste Plan gegen den Schurken misslingt.
Richard glaubt, dass er Philos stoppen kann, wenn er ihn wegen den Geistern konfrontiert und ihn mit den Worten der anderen Sprache anspricht. (Kap. 26). Er nimmt noch immer an, dass Philos ein weiterer Traumwandler ist. - Szene: Der Held fällt in den Alles-ist-Verloren Moment, als er erkennt, dass er seine Herangehensweise ändern muss, um überhaupt eine Form von Erfolg zu erzielen.
Richard erkennt, dass Traumwandler nicht unbesiegbar sind, wenn sie in dem Körper ihres Onis unterwegs sind. Zumindest nicht, wenn sie auf dem Planeten Rholonn sind. Dort sind sie sterblich. - Szene: Das Hauptereignis ist der Held in der Gnade des Schurken. (Held nutzt seine innere Gabe, um den Schurken zu überlisten / zu bekämpfen.)
Richard muss sich Philos auf Rholonn stellen, um das Tor zu ihrer Welt zu zerstören. Aber Philos ist zu stark. Richard manipuliert daraufhin die Emotion des Skorpion-/Spinnenmonsters. Es soll wütend werden, dass es auf Philos losgeht. (Kap. 36) - Szene: Der Held wird für das Opfer belohnt, welches er aufgebracht hat.
Richard sieht ein, dass jeder sein eigenes Leben führt. Daher kann er Jasmin auch gehen lassen. (Epilog)
Pflichtszenen eines Genres sind die Szenen, die 100% sitzen müssen. In Traumwandler kann man argumentieren, wie gut die einzelnen Szenen umgesetzt sind. Die wichtigste Szene der Action-Geschichte (Der Held in der Gnade des Schurken) hat der Autor jedoch sehr gut umgesetzt. Hier gibt es keinen Zweifel, da der Protagonist das gesamte Potenzial seiner Spezialfähigkeit entdeckt und diese gegen den Antagonisten einsetzt.
- Konvention: Die drei Rollen Held, Opfer und Bösewicht müssen klar definiert sein. Der Protagonist muss der Held sein.
In diesem Punkt ist Traumwandler nicht eindeutig. Hier kann man daher einen weiteren Grund finden, warum die Geschichte noch nicht funktioniert.
Richard ist der Held der Geschichte. Es gelingt ihm, Philos zu besiegen.
Aber ist Philos der Antagonist?
Das MacGuffin ist eher schwach ausgeprägt, da man nicht nachvollziehen kann, warum Philos so viel Freude am Morden hat. Klar, er will die Energie ernten, um sie zurück auf seinen Planeten zu bringen. Und diese Energie befindet sich in den Traumwandlern. Sie ermöglicht die Fähigkeit des Traumwandelns erst. Aber diese Erkenntnis bekommt der Leser im letzten Kapitel. Ein MacGuffin sollte spätestens im Mittelteil der Geschichte klar kommuniziert werden. Immerhin ist der Antagonist die treibende Kraft in einer Action-Geschichte, aber hier kommen wir schon zum nächsten Punkt:
Das Katz-und Mausspiel zwischen den Traumwächtern und Richard und seinem Vater nimmt so viel Platz ein, dass Philos nach hinten rückt. Hier findet man auch den Grund, warum die Reise zu dem Planeten Rholonn nicht zur Geschichte passt und fehl am Platz wirkt. Weil eben zu viel auf die Auseinandersetzung zwischen Wächter und freien Traumwandlern eingegangen wird, aber nicht auf Philos.
Auch die Rolle des Opfers ist unklar. Jede Person, die von Philos getötet wird, ist ein Opfer. Aber welche Person will Richard um alles in der Welt beschützen? Wen will er retten? Es ist nicht Jasmin, denn die hat er ja zusätzlich in Gefahr gebracht. Es sind auch nicht seine Freunde, denn sie kämpfen mit ihm. - Konvention: Das Objekt des Verlangens des Helden ist es, den Schurken zu besiegen und das Opfer zu retten.
Es gibt keine klare Rolle des Opfers und somit hat der Protagonist kein klares Objekt des Verlangens. Und wenn er nichts hat, was ihn antreibt, kann auch der Leser nicht nachvollziehen, warum er all die Strapazen auf sich nimmt. Für den Helden muss etwas auf dem Spiel stehen! Es muss einen zentralen Konflikt geben, der sich über die gesamte Geschichte spannt. Rache für den Mord an seiner Mutter ist in diesem Roman kein ausreichend starkes Motiv, da es genauso in der Geschichte untergeht. - Konvention: Der Kräfteunterschied zwischen dem Helden und dem Bösewicht ist sehr groß. Der Bösewicht ist viel stärker als der Protagonist.
Philos hat definitiv mehr Kraft als Richard. Vor ihm ist niemand sicher und selbst auf seinem Heimatplaneten ist er der mächtigste Bewohner. - Konvention: Anpreisung des Schurken
Die freien Traumwandler schließen sich mit den Traumwächtern zusammen, weil sie einsehen, dass Philos zu stark ist.
3. Was sind die Objekte des Verlangens?
Auch die Objekte des Verlangens für den Protagonisten werden im Roman zu schwach dargestellt.
Es ist unklar, was die Figuren wollen.
Sicherlich wollen sie am Leben bleiben, aber die Bedrohung geht stärker von dem Katz- und Mausspiel mit den Wächtern aus, als dass sie um ihr Leben wegen Philos fürchten müssen.
Tipp: Lass deine Figuren sagen, was sie wollen.
Eine Figur darf sagen: »Ich will, dass ...« Das ist okay. Sie darf auch sagen: »Ich brauche ...«, um ihre Gefühlswelt auszudrücken. So kann man dem Leser Signale geben. Er weiß dann, was für die Figuren auf dem Spiel steht, wenn ihnen der Sieg nicht gelingt.
Wie bereits angesprochen, gibt es für Richard nichts Greifbares, für das er kämpfen will. Hätte man hier z.B. Jana von Anfang an als mögliche Liebeskonkurrentin für Jasmin definiert, hätte Richard sie mit aller Kraft beschützen wollen. Somit hätte er genau gewusst, warum er Philos unbedingt stoppen muss: Um eine einzige gewisse Person zu retten. Denn Jana ist als Traumwandlerin genauso vor Philos in Gefahr, wie jeder andere. Sie wäre als weibliche Person passend für die typische Rolle des Opfers in einer Action-Geschichte.
Externes Objekt des Verlangens: /
Internes Objekt des Verlangens: Richard muss seine Herkunft sowie das Paradox des Lebens akzeptieren, damit er zu der Person heranwachsen kann, welche die Welt braucht, um vor Philos gerettet zu werden. (Weltanschauung)
4. Was ist das kontrollierende Thema?
Im Beispiel einer Action-Geschichte wäre die allgemeingültige Version:
Leben wird bewahrt, wenn der Held den Schurken überlistet oder kräftemäßig besiegt. (Positives Ende)
Der Tod tritt ein, wenn es dem Helden nicht gelingt, den Schurken zu überlisten oder zu besiegen. (Negatives Ende)
Der Roman Traumwandler hat ein positives Ende:
Philos ist besiegt.
Das kontrollierende Thema des Romans könnte daher lauten:
Das Leben auf dem Planeten Erde kann geschützt werden, wenn der Held in seine Spezialfähigkeit vertraut, den Antagonisten überlistet und den zukünftigen Generationen der Rholaner die Möglichkeit nimmt, jemals wieder auf die Erde zurückzukehren.
5. Was ist das erzählerische Mittel und die Erzählperspektive?
In Traumwandler erleben wir das Geschehen aus der Sicht von zwei Perspektivfiguren.
Die Erzählperspektive ist der personale Erzähler mit Einblick in die Gedanken und die Gefühle von den beiden Figuren Richard und Jana. Der personale Erzähler befindet sich im Mittelpunkt der Geschichte, der die Ereignisse in der Vergangenheit schildert.
Die erzählerische Distanz bleibt auf Richard (später auch Jana) gerichtet, nur an einer Stelle begegnet der Leser der Stimme des Autors:
»Das ist kein Science-Fiction-Film, kein Roman, das ist Richards wahres Leben und jetzt müssen sie endlich was unternehmen.« (Kap. 32)
Anmerkung zur Erzählperspektive:
Der Wechsel in der Erzählperspektive von Richard zu Jana wird zu spät eingeführt (Kap. 31).
Erst an dieser Stelle wird auf das unbekannte Mädchen vom Prolog eingegangen und auf diejenige, die beim Flugzeugabsturz (Kap. 3) dabei war.
Jana ist zudem Jens, eine Offenbarung, die aber nicht klar vorbereitet wurde.
Der Wechsel der Erzählperspektive wird im Roman gebraucht. Immerhin kommt es zu einem parallelen Kampf auf Rohlonn und auf der Erde. Es wäre jedoch besser gewesen, wenn von Beginn an die beiden Handlungsstränge von Jana und Richard parallel verlaufen wären. Auf diese Weise wäre der Leser am Ende nicht mit der Exposition über Jana und ihr Leben überhäuft worden.
6. Anfang, Mitte und Ende jeweils kurz zusammengefasst.
Anfang: Wenn ein Junge entdeckt, dass er traumwandeln kann, muss er sich entscheiden, ob er zu einem Traumwächter wird und sich von seinem bisherigen Leben trennt oder ob er nichts besonderes sein möchte und seine Fähigkeit unterdrückt. Der Protagonist namens Richard verliert den letzten Halt in seinem Leben (seine Mutter) und wechselt auf die Seite seines Vaters, wobei er aber zum Gegner der Traumwächter wird.
Mitte: Wenn Richard und die Traumwächter einsehen, dass Philos zu stark für sie allein ist, müssen sie sich entscheiden, ob sie sich mit den Traumwächtern zusammenschließen, um gegen Philos zu kämpfen, oder ob sie den Kampf allein aufnehmen. Sie entscheiden sich, mit den Wächtern zusammenzuarbeiten und auf den Planeten Rholonn zu reisen.
Ende: Wenn Richard realisiert, dass die Erdenbewohner für immer der Gefahr eines mordenden Philos ausgesetzt sind, muss er sich entscheiden, ob er auf dem Planeten Rholonn sein Leben riskiert, um das Portal zu zerstören, oder ob er vor Philos flieht. Richard vertraut in seine Spezialfähigkeit und es gelingt ihm, gemeinsam mit den Wächtern das Portal zu zerstören und Philos zu besiegen.
7. Bonus: Die Rollen und Etappen der Heldenreise in Traumwandler:
Die Heldenreise ist dem Mensch urvertraut. Das kann man auch gut daran erkennen, dass der Autor intuitiv alle Etappen der Heldenreise genutzt hat:
1. Der Held wird in seiner normalen Welt vorgestellt.
Richard hat eine Freundin seit einem Jahr und leidet an Liebeskummer und Trennungsschmerz.
2. Der Held erhält den Ruf des Abenteuers.
Fred wird von Hauser geschickt, um Richard als Traumwächter zu rekrutieren.
3. Der Held hält sich zurück oder verweigert den Ruf des Abenteuers.
Richard nimmt lieber den Suppressor und unterdrückt seine Traumwandlerfähigkeiten, als das er zum Traumwächter wird.
4. Der Held wird von einem Mentor ermutigt.
Wie in Star Wars (Episode 4) wird der Held zur Annahme des Rufs des Abenteuers gezwungen, weil ihm genommen wird, was ihn zurückhielt. Luke Skywalker verliert seinen Stiefonkel und dessen Frau durch einen Übergriff des imperialen Suchtrupps.
In Traumwandler verliert Richard seine Mutter durch Philos, aber findet zurück zu seinem Vater, der ihn vor den Traumwächtern warnt.
5. Die erste Schwelle wird übertreten und der Held betritt die unbekannte Welt.
Richard zieht im Unterschlupf seines Vaters ein, der ihn in die Welt des Traumwandelns einführt.
6. Der Held begegnet Prüfungen, Verbündeten und Feinden.
Prüfungen: Befreiung des Vaters und des Professors aus Uhlig’s Labor, Befreiung Jürgens (Freund von Susi)
Verbündete: Jonas, Jens, Matthias, Susi, Fred, Jürgen
Feinde: Traumwächter Karl Hauser, Philos
7. Nach den Prüfungen ergibt sich eine psychologische Herausforderung für den Helden. Er muss bis an die Grenze seiner Fähigkeiten agieren.
Reise auf den Planeten Rholonn, weil alle annehmen, dies wäre Richard’s Spezialfähigkeit.
8. Wenn der Held bis an die Grenze seiner Fähigkeiten kommt, macht er eine Tortur durch.
Richard befindet sich auf dem Planeten Rholonn, wo sie gejagt werden. Er ist in einer komplett Neuen Welt. Einem Labyrinth aus Häusern und hat keine Ahnung, wo er hin soll.
9. Nachdem er die Tortur überstanden hat, erhält der Held eine Belohnung (besondere Fähigkeit).
Richard kann nun seine Spezialfähigkeit als Waffe einsetzen, indem er Gefühle in sich bündelt und diese Gefühle auf eine andere Person überträgt.
10. Doch die negativen Kräfte verfolgen den Helden zurück in seine normale Welt.
Richard realisiert, dass Traumwandler, die auf Rholonn getötet werden, auch zuhause auf Planet Erde sterben.
11. Der Held übertritt die Schwelle und gelangt zurück in seine normale Welt, wo er eine Art Auferstehung erlebt.
Leider gibt es hierzu nicht viel Stoff in der Geschichte. Das einzige, worauf noch eingegangen wird, ist, dass Richard jetzt in der Lage ist, über Jasmin hinwegzukommen. Passt aber leider nicht zur Action-Geschichte, die zwischen Anfang und Ende geschehen ist.
12. Die Erlebnisse haben den Helden verändert und er nutzt seine neu erworbenen Fähigkeiten, um die Welt besser zu machen.
Richard will mehr über Rholonn und die ungesteuerte Materie erfahren. Er ist bereit, den Wächtern beizutreten. (Immerhin kommt es hier zu einem Zusammenhang zwischen Anfang und Ende. Obwohl diese Entscheidung im Epilog geschieht und der Epilog sich nicht auf den Prolog bezieht. Verwirrend, ich weiß ;-)
Die Rollen für die Figuren in der Heldenreise:
Mentor: Richard’s Vater Konstantin
Schwellenwächter: Vater Konstantin
Vorbote: der Priester vom Planeten Rholonn, der Richard klar macht, dass solange das Portal existiert, auch immer wieder ein Philos in deren Welt kommen wird, um die Energie zurückzuholen und, um wieder zu morden.
Formwandler: Fred (will nicht bei Wächtern sein, wenn sie Leute foltern)
Schatten: Philos
Verbündete: Fred, Jonas, Susi
Trickster: Diese Rolle ist nicht so stark in der Geschichte ausgeprägt. Susi bringt noch ein wenig lustige Erleichterung in die Story, wenn sie Dinge sagt wie: »Das hab ich ganz vergessen. Hier spukt’s. Solltest dich also wohl fühl’n! Gute Nacht« (Kap. 23)
8. Auswertung Geschichte:
Der Autor hat mit Traumwandler eine spannende Idee kommuniziert.
Leider ist die Geschichte in ihrer Umsetzung noch ein Rohdiamant:
Die Ereignisse sind zu unruhig. Die Komplikationen steigen nicht in ihrer Intensität, sondern man springt immer wieder zwischen Tod und Verletzung hin und her.
Eine Action-Geschichte, die sich um Leben und Tod dreht, braucht nicht immer und immer wieder einen Mord, damit sie in dieses Genre gehört. Wenn zu viele Morde geschehen, verliert die Schwere dieses Ereignisses seine Bedeutung. Alles, was immer wieder vorkommt, verliert an seiner Einschlagkraft.
Auch die Komplikation, dass Richard zuerst seinen Vater befreien muss und dann noch einmal Susi’s Freund Jürgen, ist nur eine Dopplung. Nichts Neues. Selbst auf Rholonn geht es so weiter. Bei ihrem ersten Besuch werden einige von ihnen gefangen genommen und beim zweiten Besuch landen sie auf dem Planeten als Sklaven und müssen sich zum 4. Mal befreien.
Was mich außerdem störte, war der späte Wechsel in der Erzählperspektive von Richard zu Jana.
- Erstens nimmt man mit dem Prolog an, dass sich die Geschichte um das Mädchen dreht. Das stimmt nur teilweise. Richard ist der Protagonist, nicht Jana.
- Zweitens kam mit dem Perspektivwechsel sehr viel nutzlose Exposition, sodass der Leser noch Jana und ihr Schicksal kennenlernen kann. Zwar hat man für Jana mehr Empathie als für Richard, aber sie wird als weibliche Figur zu spät in die Geschichte eingeführt. (Selbst, wenn sie als Wandler Jens war, den Richard schon kannte).
Außerdem fehlte es mir an einem klaren Ziel des Helden, sh. Objekte des Verlangens.
Die Geschichte war auch sehr unruhig und vor allem am Ende nicht mehr konsistent. So kann z.B. in Kapitel 34 der Priester sich nicht zuerst weigern zu helfen, aber zwei Zeilen später schon seine Hilfe anbieten. Auch die Kampfszene auf Planet Erde war in ihrer Umsetzung nicht glaubwürdig, vor allem was die Handlung der Figuren betrifft. Zuerst hat Jana keine Lust, mehr zu kämpfen, und einen Moment später, möchte sie nicht kampflos aufgeben. (Kap. 35)
Auch die Paarung zwischen Held und Antagonist hat mich nicht überzeugt. In Action-Geschichten sollte Held und Schurke wie Licht und Schatten sein, wie Yin und Yang. Aber Richard wirkt als Figur zu eindimensional, zu schwach und uninteressant. Daher ist auch Philos selbst nicht der grauenhafte Gegner, zu dem er hätte ausgebaut werden können. Das liegt auch daran, dass er wie beim Punkt ›Pflichtszenen‹ angesprochen, nicht zu der treibenden antagonistischen Kraft der wurde, die er hätte einnehmen müssen.
9. Wie könnte die Überarbeitung der Geschichte in den ersten Schritten aussehen?
All die oberen Anmerkungen beziehen sich auf die globale Geschichte, die leider noch nicht stimmig ist.
Vom Ablauf eines Lektorats würde man zuerst das Gerüst der globalen Geschichte aufstellen. Die Geschichte muss zuerst auf dem Makrolevel funktionieren, bevor man die einzelnen Szenen verbessert. Ziel ist es, dass der Autor mit der Übersicht der globalen Geschichte selbst beurteilen kann, welche Kapitel/Szenen die Handlung vorantreiben und welche er weglassen kann. Ein Roman sollte dem Leser ein flüssiges und spannendes Lesevergnügen liefern.
Es gibt verschiedene Werkzeuge, um die Geschichte global zu verbessern.
Zuallererst hätte man als Lektor mit dem Autor über dessen Genre gesprochen und es klar definiert. So kann man sicherstellen, dass man in der Überarbeitung die Erwartung der Leser beachtet. Man will keinesfalls den Leser verwirren, indem er sich unsicher ist, welche Art von Geschichte er liest.
Um das Gerüst der globalen Geschichte aufzubauen, hätte man die 15 Kernszenen der Geschichte definiert. Ihr Wendepunkt hätte sich jeweils auf der Skala des globalen Genres wandeln müssen (Skala Action: alle Werte zwischen Leben und Tod).
Auch die Etappen der Heldenreise hätte man klarer herausstellen können:
Die Heldenreise ist dem Menschen urvertraut, egal, auf welchem Kontinent er lebt. Es ist die Grundstruktur für Geschichten. Keine Formel, aber eine Orientierung, um funktionierende Geschichten zu schreiben. Sie als Leitfaden zu nutzen, ist daher clever. Nie Klischee oder einfallslos. Zwar hat der Autor die Etappen der Heldenreise intuitiv genutzt, aber man hätte sie stärker mit dem globalen Genre paaren können.
In einem weiteren Schritt hätte man darüber sprechen müssen, wer der ideale Erzähler dieser Geschichte ist und welche Erzählperspektive man nutzen kann. Richard scheint zunächst der ideale Erzähler zu sein, bis wir auf die Problematik mit Jana stoßen. Entweder lassen wir ihre Sicht auf die Dinge weg oder wir bauen sie aus.
Der Autor hätte eine Action-Geschichte mit der Nebenhandlung einer Liebesgeschichte erzählen können (sehr beliebte Paarung). Jana hätte dafür das Interesse Richards wecken müssen. Diese Möglichkeit hätte Richards Gefühlswelt herausgefordert. Außerdem hätte er jemanden, für den er alles riskieren würde. Die Nachvollziehbarkeit seiner Handlung wäre demnach gegeben.
Über all diese Punkte kann man ausführlich mit dem Autor sprechen, um mit ihm zusammen die Geschichte hervorzubringen, die er wirklich schreiben will. Und dann taucht man immer tiefer in die Geschichte und verstärkt, was sie zu einem besonderen Erlebnis für den Leser werden lässt.
Hast du Traumwandler gelesen? Was hat dir besonders gefallen, von dem du gern mehr erfahren hättest? Hinterlass deine Meinung gern in den Kommentaren.