Analyse des journalistischen Thrillers: Sein letzter Auftrag


Wenn du das Handwerk des Schreibens erlernen willst, gibt es zwei Fähigkeiten, die du trainieren solltest. Lerne hier mehr über die Wichtigkeit einer Szene.

Sein letzter Auftrag von Michael Connelly

25. Jul 2021 0
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So geht's:

Egal, welche Art von Roman oder Film, ich werde immer die folgenden Fragen zu dem jeweiligen Beispiel beantworten:

 

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Analyse des journalistischen Thrillers: Sein letzter Auftrag

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Hinweis: Die Einordnung des Genres erfolgt nach dem Story Grid. Mehr dazu in dem Beitrag: Buch & Genre.


Sein letzter Auftrag von Michael Connelly - Analyse des journalistischen Thrillers: Sein letzter Auftrag

1. Was ist das globale Genre?

"Sein letzter Auftrag" (The Scarecrow) von Michael Connelly ist ein journalistischer Thriller.

Der Protagonist ist ein Journalist, ein Reporter für die L.A Times. Aus diesem Grund ordnen wir den Thriller unter der Kategorie: Journalistisch ein. Der Reporter JackMcEvoy stellt Nachforschungen zu der Verurteilung eines 16-Jährigen Jungen an. Er sammelt Hinweise und folgt den Spuren seiner Recherche. Er jagt die große Story, und steht am Ende dem Serienmörder gegenüber.

Thriller ist demnach das externe und globale Genre des Romans (=Umfang). Die Realität der Geschichte ist Realismus. Die Form ist Bogenplot und der Stil ist Drama.

Das interne Genre für den Protagonisten Jack McEvoy ist Status-Anerkennung.

Das Besondere am Protagonisten ist es, dass McEvoy sich als Figur nicht entwickelt. Die fehlende Figurenentwicklung ist normalerweise ein Widerspruch zum Thriller, da sich der Held immer entwickeln muss, damit es ihm möglich ist, den Antagonisten zu überlisten oder zu überwältigen.

Doch McEvoy bleibt sich selbst treu. Er hält an seinen Prinzipien fest, als er eine Story jagt, die seine letzte sein könnte. Obwohl er bei der Times gekündigt worden ist, gibt er nicht auf. Er recherchiert weiter - nicht um der Times eine Riesenstory zu schenken - sondern, um einerseits sein Ansehen als Reporter zu wahren und zu vergrößern, und andererseits, um die Wahrheit aufzudecken.

McEvoy gelingt es durch seinen Reporterverstand Courier zu überlisten. Er stellt ihm Fragen, um ihn davon abzulenken, ihn mit dem Messer anzugreifen. Diese Art von Selbstverteidigung ist nur möglich, weil McEvoy nie aufgegeben hat, Reporter zu sein.

Und weil McEvoy nicht nur gezielt Fragen stellen kann: "Warum bist du nicht abgehauen? Warum bist du das Risiko eingegangen, Rachel zu entführen?", sondern auch nach den Antworten sucht, gelingt es ihm herauszufinden, dass Carver der Drahtzieher ist. McEvoys klarer Verstand und seine Auffassungsgabe als Reporter helfen ihm, die Vogelscheuchen-Symbolik in den Morden auf Carver zurückzuführen und zu erkennen, dass sich Hacker wie Carver immer eine Hintertür offen lassen = der Fluchtweg.

McEvoy hielt an seinem Reporterherz fest - trotz all der widrigen Umstände gegen ihn (er hat sogar seine große Story abgegeben müssen und verloren, was er wollte) - aber genau aus diesem Grund konnte er Carver überlisten.

 

2. Was sind die Pflichtszenen und Konventionen des globalen Genres?

Pflichtszenen des globalen Genres: Thriller:

  • Szene: Ein aufregendes Verbrechen, das auf einen starken Bösewicht hindeutet. Es muss Opfer geben.
    Die Tänzerin Denise Babbit wurde auf grausame Weise misshandelt, vergewaltigt und ermordet. McEvoy nannte Alonzo Winslow als den Täter. (Kapitel 2). Später stellt sich heraus, dass die Opfer des Serienmörders nicht nur die ermordeten Frauen sind, sondern auch die Personen, die für ihren Mord fälschlich hinter Gittern sitzen.
  • Szene: Anpreisung des Schurken. (Entweder durch eine Figur in der Geschichte oder durch eine Offenbarung, welche die Brillanz oder Gerissenheit des Bösewichts anpreist.)
    McEvoy resümiert am Ende, wer Carver war:
    • "Carver was a killer of high intelligence and clear-eyed self-understanding. He was clever and calculating, and able to manipulate people by tapping into their deepest and darkest desires." = Carver war ein Killer von hoher Intelligenz und scharfem Selbstverständnis. Er war klug und berechnend und in der Lage, Menschen zu manipulieren, indem er ihre tiefsten und dunkelsten Sehnsüchte anzapfte.(Kapitel 19) 
  • Szene: Der Held / die Heldin wird zum Opfer. (Eine Szene muss deutlich zeigen, dass der Antagonist seine Verbrechen persönlich werden lässt und das der Held / die Heldin zum primären Opfer wird.)
    Carver sieht McEvoy als einen würdigen Gegner. Immerhin hat dieser den Serienmörder "Der Poet" zur Strecke gebracht. Und nun ist McEvoy Carver auf der Spur (Kapitel 5).  Carver lässt es mehrfach persönlich werden: 
    • Er isoliert McEvoy, indem er seine Kommunikation nach außen verhindert (Telefon, Email) und seine Kreditkarten sperrt. (Kapitel 6) "Sideburns", Carvers Handlanger Freddy Stone soll McEvoy töten.
    • Er ermordet Angela Cook, McEvoy's Nachfolgerin, die zusammen mit ihm an der Story über Babbit und Winslow arbeitet. (Kapitel 6)
    • Er befiehlt seinem Handlanger, Courier (Freddy Stone), Rachel Walling zu entführen.(Kapitel 18)
  • Szene: Der Held in der Gnade des Schurken. (Das ist die wichtigste Szene im Thriller.)
    McEvoy befindet sich in Carver's Gnade in dem Moment, als er Carver durch den Bunker verfolgt. Carver haut ihm mit der Pistole über den Kopf. Carver hätte ihn auch gleich erschießen können. Bis Rachel eingreift, befindet sich McEvoy in Carbers Gnade. (Kapitel 18) 
  • Szene: Falsches Ende. (Es muss zwei Enden geben!)
    Erstes Ende: McEvoy besiegt Courier auf dem Dach des Hotels (Kapitel 18) Hier bestand die Annahme, dass Courier der Serienmörder sei.
    Zweites Ende: McEvoy gegen Carver im Bunker. (Kapitel 18) 

 

Konventionen des globalen Genres: Thriller:

  • Konvention: MacGuffin
    Carver trachtet danach, Frauen eines bestimmten Typs (Giraffen) mit fremden Objekten zu vergewaltigen, ihnen Beingurte anzulegen und danach zu ermorden, indem er sie wie Vogelscheuchen aussehen lässt. Das McGuffin ist seine Mordlust. McEvoy stellt sich der Ausübung seines Verlangens in den Weg, denn McEvoy bedroht die weitere Durchführung seiner Vorliebe. Aus diesem Grund muss McEvoy vernichtet werden. Carver gelangt demnach nur an sein MacGuffin (was er will), wenn McEvoy tot ist.
  • Konvention: Rote Herringe bei den Nachforschungen. (Es muss falsche Hinweise geben, die den Protagonisten fehlleiten)
    • Courier als Sündenbock, um den Verdacht auf ihn zu lenken
    • die Identität von Bill Denslow
    • falscher Verdacht, dass McGinnis der Mentor von Courier war und der gesuchte Serienmörder sei (Serverzugang, Beinschienen im Haus, Pornos)
  • Konvention: Es muss persönlich werden. (Der Bösewicht braucht den Helden, um sein MacGuffin zu bekommen. Daher wird der Held zum Opfer des Schurken, sodass dieser bekommen kann, was er will.)
    Carver sieht McEvoy als eine Bedrohung an. Immerhin hat dieser Reporter den Poeten zur Strecke gebracht, und nun stellt er Nachforschungen an, die Carver gefährden  könnten. Aus diesem Grund will Carver McEvoy aus dem Verkehr ziehen (Umbringen oder Schuld am Tod von Angela Cook geben), sodass Carver weiter seinen Morden nachgehen kann.
  • Konvention: Lauf gegen die Zeit. (Held / Heldin hat nur begrenzt Zeit, um zu handeln.)
    Mehrfach tickt die Uhr für McEvoy. Sei es, weil McEvoy eine Frist bekommen hat, wie lange er noch bei der Times arbeiten darf. Oder er hat Zeitdruck wegen einer Deadline für einen Artikel. Doch wenn wir an den Thriller denken, wo es um Leben und Tod geht, sticht besonders die Szene im Kapitel 18 heraus, als zwei FBI Agenten im Serverraum gefesselt liegen und Carver CO2 in den Raum fluten lässt.
  • Konvention (aus dem Horror-Genre)Der Antagonist ist ein menschliches Monster:
    Ich denke, hier gibt es nicht viel zu erklären. Ein Serienmörder ist ein Monster. 

 

3. Was sind die Objekte des Verlangens?

Externes Objekt des Verlangens: McEvoy will die Story seines Lebens schreiben, um seine Karriere bei der Times mit einem Erfolg zu beenden. (Status) Mit diesem Ziel beginnt die Geschichte. Doch im Laufe der Handlung vergrößert sich das Ziel: Natürlich will er überleben (Thriller, aber zweitrangig), aber vielmehr will er den wahren Täter überführen (Krimi - es geht um Gerechtigkeit).

Internes Objekt des Verlangens: Erkennen, dass er kein Reporter bei der Times sein muss, um seine Geschichten zu schreiben. (Weltanschauung)

 

4. Was ist das kontrollierende Thema?

Leben können gerettet werden, wenn man die Komplexität auf das Grundwissen herunterbricht.

 

Für McEvoy heißt das konkret:

McEvoy kann das Leben der zwei gefesselten FBI-Agenten retten, wenn er sich besinnt, dass Hacker immer ein Hintertürchen offen lassen.

So weiß McEvoy, dass sich Carver nicht selbst umbringen würde und durch einen zweiten Ausgang flieht.

 

5. Was ist das erzählerische Mittel und die Erzählperspektive?

Connelly nutzt in seinem Roman "Die Vogelscheuche" zwei Erzählperspektiven.

Zum einen wählt er für den Reporter McEvoy und gleichzeitig den Protagonisten die Ich-Perspektive. Auf diese Weise fällt es dem Leser leicht, sich in die Rolle der Hauptfigur hineinzuversetzen. Denn wir haben direkten Einblick in dessen Gedanken und Gefühle.

Für den Antagonisten und Serienmörder Carver wählt Connelly die dritte Person mit Carver als Perspektivfigur. Das heißt, der Abstand zwischen Leser und Carver ist größer als zwischen Leser und McEvoy. Dies verursacht zum einem dramatische Ironie, weil wir als Leser mehr als McEvoy wissen = wir wissen, das Carver der Täter ist. Andererseits trägt es auch zur Spannung bei, weil wir uns fragen, wie McEvoy diesen überaus cleveren Gegenspieler auf die Schliche kommen soll.

 

 

6. Anfang, Mitte und Ende jeweils kurz zusammengefasst.

Anfang: Wenn McEvoy einen Anruf von der Großmutter eines verdächtigen Mörders erhält, die dessen Unschuld beteuert, und seine Nachfolgerin Angela Cook bei der Recherche ermodet wird, muss er sich entscheiden, ob er an der Story dranbleiben möchte und sich selbst in Gefahr bringt oder ob er den Fall der Polizei überlässt. McEvoy bleibt dran und erhält einen warnenden Anruf vom mutmaßlichen Serienmörder.

Mitte: McEvoy findet die Verbindung zu Western Data Consultants und besucht das Firmengelände zusammen mit der Ex-FBI Agentin Rachel Walling, wo sie den Mörder vermuten. Er erkennt, dass der Serienmörder ein Team von 2 Personen sein muss. Er muss sich entscheiden, ob er den Fall dem FBI abgibt oder ob er weiterhin seine Story schreiben will, selbst wenn es nicht in der Form von Zeitungsartikeln sein wird. McEvoy hält sich zurück, reist aber nicht zurück nach Los Angeles. Er bleibt in Mesa, Arizona, wo er den Mörder vermutet.

Ende: McEvoy tötet den Mann (Marc Curier alias Freddy Stone), der Rachel Walling entführen wollte. Als McEvoy die Signatur (Vogelscheuche) des Serienmörders erkent und Carver als den wahren Killer identifiziert, muss er sich entscheiden, ob er selbst Carver zur Strecke bringen will oder ob er das FBI verständigt. Die zwei FBI-Agenten im Bunker antworten nicht auf Rachel's Anrufe und McEvoy und Walling retten sie. McEvoy überlistet Carver, und Walling schlägt ihn nieder. Carver liegt im Koma und McEvoy kann sein Buch schreiben.

 

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Melanie Naumann ist die erste zertifizierte deutsche Story Grid Lektorin. Sie ist die Gründerin von Storyanalyse.de und gab die Leitung von Storyanalyse im Dezember 2021 an die Geschichtenhebamme Eva Maria Nielsen ab. Melanie arbeitet seither vorwiegend mit Songwritern zusammen, um ihnen zu helfen, die Power of Storytelling für ihre Songtexte zu nutzen.



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