Faust – Analyse der Tragödie erster Teil


Du willst deinen besten Roman schreiben? Dann lerne mit Hilfe der globalen Analyse von Geschichten, wie man die Erwartungen der Leser erfüllt.

Faust von Johann Wolfgang von Goethe

07. Jun 2019 0
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So geht's:

Egal, welche Art von Roman oder Film, ich werde immer die folgenden Fragen zu dem jeweiligen Beispiel beantworten:

 

Du kennst Faust von Johann Wolfgang von Goethe noch nicht?

Vermeide, dass ich dir die Geschichte mit der folgenden Analyse spoiler, bevor du sie nicht selbst gesehen oder gelesen hast. Zu Amazon



Faust – Analyse der Tragödie erster Teil

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Hinweis: Die Einordnung des Genres erfolgt nach dem Story Grid. Mehr dazu in dem Beitrag: Buch & Genre.


Faust von Johann Wolfgang von Goethe - Faust – Analyse der Tragödie erster Teil

Warum analysiere ich Faust?

Faust bietet unzählige Interpretationsmöglichkeiten. Warum also noch eine weitere Analyse?

Grund hierfür ist, dass ich zeigen möchte, dass man die Genrezuordnung und die Analyse nach dem Story Grid selbst auf das größte Meisterwerk der deutschen Literatur anwenden kann. Geschichten besitzen Struktur. Es gibt Muster. Und ich werde es beweisen. Genau hier und jetzt, wenn wir uns ansehen, wie klar Faust die obligatorischen Szenen und Konventionen seines globalen Genres erfüllt.

 

Anmerkung

Goethe beendete Faust – Der Tragödie erster Teil 1805.

Der erste Teil ist allgemein als Gretchentragödie bekannt, die mit der globalen Geschichte der Gelehrtentragödie zusammenhängt.

Faust 2 wurde 20 Jahre nach Faust 1 geschrieben und 1831 veröffentlicht. Da sich die globale Geschichte (= die Gelehrtentragödie) über beide Bücher spannt, werde ich Faust 1 und 2 analysieren und sie gleichzeitig als die einzelnen Werke betrachten, die sie für sich sind. In diesem Artikel gehe ich zunächst auf Faust – Der Tragödie erster Teil ein.

 

1. Was ist das globale Genre?

Globale Wert des Genres Moral

Faust 1 ist eine Fantasy-Geschichte mit dem primären Genre Moral - Strafbar im Zusammenhang mit dem sekundären, externen Genre Horror – Übernatürlich.

In Faust 1 haben wir eine Liebesgeschichte zwischen Faust und Gretchen als Nebenhandlung, in der Gretchen eine Veränderung von Naivität zu Wissen durchmacht (Weltanschauung), weil sie am Ende die Konsequenzen ihrer Entscheidungen akzeptiert und Buße tut.

Faust 1 ist in Versen geschrieben (außer der Szene: Trüber Tag, die in Prosa ist).

 

2. Was sind die Pflichtszenen und Konventionen des globalen Genres?

Globales Genre: Moral – Strafbar

  • Szene: Ein Schock stört das starre authentische Selbst
    Die unerwartete Erkenntnis, dass sogar der Teufel selbst Gesetzen unterliegt, lässt Faust über die Möglichkeit eines Paktes mit ihm nachdenken.

  • Szene: Der Protagonist drückt mit einer direkten Ablehnung des Rufs nach Veränderung (nach der Heldenreise) seine innere Dunkelheit aus.
    Faust ließ Gretchen schwanger zurück und kehrte nur wegen seines sexuellen Verlangens zu ihr zurück, trifft aber auf ihren Bruder Valentin, der Faust zu einem Kampf herausfordert. Faust hat kein Mitgefühl für Gretchen mehr übrig (trotz der Liebe, die er einst für sie empfunden hat) und er erkennt nicht seine Schuld für ihre Tragödie an. Er beschließt also, dass er gegen Valentin kämpft. Er tötet ihn und läuft mit Mephisto davon. Obwohl Faust seine innere Dunkelheit früher zeigte, als er sich entschied, Gretchen wiederzusehen und der Mutter den Schlaftrunk zu bringen, konnten wir seine Entscheidung verstehen, weil es hätte ja Liebe sein können.
    Aber ihren Bruder zu töten und schlecht über Gretchen zu sprechen, zeigt die dunkle Seite von Faust’s Seele. Dieser Moment mit Valentine war seine Chance, seine Sünden zu bereuen, bevor es zu spät gewesen wäre. Die eigentliche Tragödie für Gretchen nimmt nun ihren unumkehrbaren Lauf.

  • Szene: Der Protagonist befindet sich in einem Alles-ist-Verloren Moment und entdeckt entweder seinen inneren moralischen Kompass oder er wählt den unmoralischen Weg.
    Mephisto brachte Faust zur Walpurgisnacht, weil er glaubt, Faust habe seinen inneren moralischen Kompass bereits verloren und er könne Faust’s Niedergang vollenden. Faust erinnert sich jedoch an Gretchen und die Liebe, die er einst für sie empfand, als er eine Vision von ihr hat, wie sie von Ketten gefangen gehalten wird. Verzweifelt wandert er weg von dem Hexentreiben.

  • Szene: Der Protagonist opfert sich für das Wohl eines Einzelnen, einer Gruppe oder der Menschheit oder er beschließt, selbstsüchtig zu bleiben.
    Faust will Gretchen aus dem Gefängnis befreien, aber Mephisto warnt ihn, dass es Rachegeister gibt, die Faust für Valentins Mord bestrafen wollen. Aber Faust bleibt bei seiner Entscheidung, sie sehen zu wollen, und macht sich keine Sorgen um sein Wohlergehen. Es scheint, dass er bereit ist, sich für die Rettung von Gretchen zu opfern.

  • Szene: Protagonist steht dem buchstäblichen oder metaphorischen Tod gegenüber und verliert entweder den Kampf, erlangt jedoch Selbstachtung, Sinn und Frieden oder gewinnt den Kampf, verliert aber diese Dinge.
    Faust steht dem buchstäblichen Tod und sogar der buchstäblichen Verdammnis gegenüber, als Gretchen ihn bittet, sich in die Gnade Gottes zu begeben. Aber Faust entscheidet sich dazu, nicht bei ihr zu bleiben. Obwohl sein innerer moralischer Kompass ihn zurück zu Gretchen geführt hat, erkennt er nicht seine Schuld an ihrer Tragödie. Ihm gelingt die Flucht mit Mephisto, aber er verliert Gretchen endgültig.

Faust - Analyse des Romans nach den 6 Fragen eines Story Grid Lektors 

  • Konvention: Verabscheuungswürdiger Protagonist beginnt an seinem Tiefpunkt
    Faust ist suizidgefährdet. Er ist so deprimiert über die Tatsache, dass er sein ganzes Leben lang studiert hat, aber immer noch nichts weiß.

  • Konvention: Spiritueller Mentor / Kumpel
    Mephisto.

  • Konvention: Scheinbar unmöglicher externer Konflikt
    Faust ist es nicht gewohnt, Gefühle der Zuneigung und Lust zu empfinden. Er glaubt also, dass er verliebt ist, wenn es in Wahrheit nur sexuelles Verlangen ist, das ihn für Gretchen’s Zuneigung werben lässt.

  • Konvention: Geister der Vergangenheit des Protagonisten quälen ihn / sie
    Faust benutzte Gretchen nur zur Befriedigung seiner sexuellen Triebe und verlässt sie dann. Aber die Vision von ihr in Ketten verfolgt Faust in der Walpurgisnacht.

  • Konvention: Hilfe von unerwarteten Quellen
    Faust kann Gretchen nicht retten. Mephisto sagt, dass sie verloren ist, aber eine Stimme des Himmels ertönt und sagt, dass sie erlöst sei.

 

3. Was sind die Objekte des Verlangens?

Externes Objekt des Verlangens: Faust will die absolute Wahrheit und den Sinn des Daseins kennen, um den Moment zu finden, wo er absolut zufrieden sein kann und nach nichts mehr streben möchte. Faust will seine physische Natur überwinden und auf spiritueller Ebene Frieden finden. (Weltanschauung)

Internes Objekt des Verlangens: Faust muss das Leben und das Leben anderer schätzen lernen, um zu verstehen, was der Sinn des Lebens ist. Er muss anfangen, seine innere Gabe (Wissen und Streben) zu nutzen, um eine bessere Welt für die Menschheit zu schaffen. (Moral)

 

4. Was ist das kontrollierende Thema?

Das Böse triumphiert, wenn ein Gelehrter mit seinen Erkenntnissen so unzufrieden ist, dass er mit dem Teufel einen Pakt eingeht, der die innere dunkle Seite des Gelehrten stärkt, indem er ihn dazu drängt seinen selbstsüchtigen Ambitionen zu folgen und alles zu genießen, was das Leben zu bieten hat, aber dafür andere Menschen für seinen persönlichen Vorteil verletzt / ausnutzt.

 

5. Was ist das erzählerische Mittel und die Erzählperspektive?

Es gibt keinen Erzähler, denn Faust wurde als Theaterstück geschrieben und deshalb haben wir meist nur den Dialog der Figuren sowie gelegentlich einige Regieanweisungen, als ob wir in einem Theater säßen und Zeuge der Aufführung der Geschichte sind.

Das beabsichtigte Publikum ist das allgemeine Publikum, welches das Stück sehen möchte. Der Zweck des Schauspiels besteht darin, eine warnende Geschichte über das Streben eines Gelehrten zu erzählen, der alles wissen will und der so über die Grenzen dessen, was er lernen kann, verärgert ist, dass er sogar einem Pakt mit dem Teufel eingeht, um herauszufinden, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Die Geschichte ist in der Gegenwart geschrieben, die in der späten Neuzeit (Mitte des 18. Jahrhunderts) spielt.

Wir erleben die Geschichte, während sie sich entfaltet. Die Distanz des Publikums zum Protagonisten verschiebt sich von dem Bewusstsein ein Theaterstück zu sehen (Vorspiel auf dem Theater) bis nah an Faust heran, während wir ihm auf seinem Weg folgen.

Bei Faust gibt es das Element der dramatischen Ironie (Faust weiß nichts über die Wette zwischen Gott und dem Teufel, aber der Zuschauer schon), und wir haben Spannung. Es gibt auch die externe Fokalisierung, weil wir als Publikum nicht wissen, wie Mephisto versuchen wird, seine Wette zu gewinnen.

 

Anfang, Mitte und Ende jeweils in ein bis zwei Sätzen zusammengefasst.

Anfang: Wenn ein Gelehrter, der unzufrieden ist, dass alle seine Erfolge und Studien ihn nicht näher an die Erkenntnis der absoluten Wahrheit über den Sinn der Existenz bringen, muss er sich entscheiden, ob er mit dem Teufel einen Pakt machen will, um den einen Moment im Leben zu finden, der sich so lohnenswert anfühlt, dass er auf ewig verweilen könnte, oder ob er unglücklich und suizidgefährdet bleiben will. Der Gelehrte namens Faust geht den Pakt mit Mephisto ein und begibt sich mit ihm auf Reisen.

Mitte: Faust sieht das Bild einer schönen jungen Frau in einem Spiegel und willigt ein, seine Jugend wiederherzustellen, um nach dem Mädchen namens Gretchen suchen zu können, dessen unschuldige Aufmerksamkeit er mit Schmuck kauft und sogar Lügen erzählt, nur um ihre Zuneigung zu gewinnen. Aber als er sich seiner unmoralischen Handlungen bewusst wird, muss er sich entscheiden, ob er ein unschuldiges Mädchen verführen möchte oder ob er nach etwas anderem streben sollte. Angeregt durch Mephistos erotische Andeutungen, beschließt Faust, dass Gretchen mit ihm untergehen soll.

Ende: Als Faust von Gretchens Bruder Valentin mit seinem Vergehen konfrontiert wird, ermordet Faust ihn feige und läuft mit Mephisto davon, um mit ihm die Walpurgisnacht zu feiern. Als Fausts innere Moral ein letztes Mal versucht, zu ihm durchzudringen und er sich an seine einstige Liebe für Gretchen erinnert, muss er sich entscheiden, ob er die Welt der sexuellen Lust mit den Hexen erleben will oder ob er Gretchen retten soll. Faust besucht Gretchen in ihrer Gefängniszelle, aber als er letztlich mit der Entscheidung konfrontiert wird, mit ihr zusammen unterzugehen, entscheidet er sich dazu, sie zu verlassen und stattdessen Mephisto zu folgen.

 

 

Mehr über das Genre Moral - Strafbar beim Fernsehen erfahren =)

Wenn du mehr darüber erfahren willst, wie die Koventionen und Pflichtszenen des Genres Moral - Strafbar auf aktuelle Geschichten angewandt werden können, dann schaue z.B. Wall Street oder Breaking Bad. Auch hier wirst du die Merkmale für dieses Genre wiederfinden.

 



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