Analyse des Romans: Effi Briest


Ein Meisterwerk an einem Roman mit einschlagender Gesellschaftskritik, der vielleicht nicht für jeden ist und dennoch Bewunderung verdient.

Effi Briest - Theodor Fontane

02. Jun 2021 0
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So geht's:

Egal, welche Art von Roman oder Film, ich werde immer die folgenden Fragen zu dem jeweiligen Beispiel beantworten:

 

Du kennst Effi Briest - Theodor Fontane noch nicht?

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Hinweis: Die Einordnung des Genres erfolgt nach dem Story Grid. Mehr dazu in dem Beitrag: Buch & Genre.


Effi Briest - Theodor Fontane - Analyse des Romans: Effi Briest

Musstest du in der Schule auch Effi Briest von Theodor Fontane lesen?

Bei uns in Sachsen gehörte dieser Roman zur Pflichtlektüre, wenn man sein Abi gemacht hat. In meiner Deutsch-Leistungskurs Abiturprüfung wählte ich die Aufgabe des Kreativen Schreibens. Hier sollten wir einen Brief von Effi Briest an ihren imaginären Freund/in schreiben und ihm/ihr von ihrer Affäre zu Major Crampas berichten, sowie darauf eingehen, wie ihr Verhältnis bezogen auf Ihren Liebhaber Crampas und ihren Ehemann Innstetten aussieht.

Ich erhielt meine 13 Punkte für diese Aufgabe obwohl ich die Geschichte überhaupt nicht mochte.

Nach all den Jahren als Lektorin wollte ich schließlich herausfinden, warum mir diese Geschichte nie wirklich gefiel.

Aus diesem Grund muss sich Effi Briest nun den 6 Kernfragen eines Story Grid Lektors stellen. Am Ende des Beitrags kann ich dir genau sagen, warum dieser Roman nicht zu meinen Lieblingsbüchern gehört (und vielleicht auch nicht zu deinen). Es ist ja bekanntlich Geschmackssache.

 

1. Was ist das globale Genre?

Global: Status > Tragisch
Innerer Wert, der auf dem Spiel steht: Erfolg → Kompromiss → Scheitern → Selbstverrat

Sekundär: Gesellschaft > Frauen / Historisch
Externer Wert, der auf dem Spiel steht: persönliche Macht/Wohlbefinden → Verletzlichkeit → Impotenz

Anmerkung: Es gibt auch eine Liebesgeschichte der Obsession zwischen Effi Briest und Major von Crampas sowie eine Ehegeschichte zwischen Effi Briest und Geert von Instetten. Beide Subgenres des Genres Liebesgeschichte tragen wesentlich zur Gesellschaftsgeschichte bei.

Auch wenn das primäre interne Genre Status ist, beeinflussen Effis naive Weltan
schauung und ihre unmoralischen Handlungen (die Affäre mit Major von Crampas und das Verschweigen dieser) ihren endgültigen Fall im gesellschaftlichen Ansehen.

 

Möchtest du mehr zum Genre Status erfahren? Dann finde hier mehr darüber heraus: Das Status-Genre in Geschichten (Leitfaden)

 

2. Was sind die Pflichtszenen und Konventionen des globalen Genres?

2.1 Pflichtszenen des globalen Genres: Status

  • Ein einschneidendes Ereignis stellt den Status quo der Protagonistin in Frage.
    Die 17-jährige Effi Briest wird gefragt, ob sie den 38-jährigen preußischen Baron von Innstetten heiraten will - einen Mann mit Prinzipien und Charakter, mit dem sie gesellschaftlich aufsteigen kann, auch wenn sie ihn nicht liebt. (Kapitel 2)
  • Die Protagonistin verlässt ihre Heimat, um ihr Glück zu suchen.
    Effi heiratet Baron von Innstetten und zieht mit ihm in den Kurort Kessin (Ostsee) in Norddeutschland. (Kapitel 6)
  • Gezwungen, sich an eine neue Umgebung anzupassen, verlässt sich die Protagonistin auf alte Gewohnheiten und erniedrigt sich selbst.
    Effi war noch ein Kind, als sie Innstetten heiratete. In der ersten Nacht, in der Innstetten sie allein in seinem Haus lässt, hat sie Albträume und bittet Innstettens Dienstmädchen, die Nacht in ihrem Zimmer zu verbringen. (Kapitel 9) Nach diesem Vorfall hat Effi weiterhin Angst vor einem imaginären chinesischen Geist. Dem ist sich Innstetten bewusst, aber er tut nichts, um ihre Nerven zu beruhigen.
  • Die Protagonistin erfährt, was das Objekt der Begierde des Antagonisten ist und bricht auf, um es für sich selbst zu gewinnen.
    Effi erfährt, dass Major von Crampas ihre Zuneigung gewinnen möchte (Kapitel 18). Er ist ein Mann, der Gesetzmäßigkeiten für langweilig hält und lieber lebt, als über die Konsequenzen nachzudenken. Diese Art von Abwechslung wünscht sich Effi auch in ihrem Leben. Sie will leben und Liebe spüren, Abenteuer und Gefahr erleben. So versucht sie, die Beziehung zu ihrem Mann wieder aufleben zu lassen und erklärt sich auch bereit, bei einem Theaterstück mitzumachen, aber diese kurze Zeit der Unterhaltung reicht ihr nicht.
  • Die anfängliche Strategie der Protagonistin, den Antagonisten zu überlisten, scheitert.
    Effi ist erleichtert, dass die Reitausflüge im Winter nicht fortgesetzt werden. Doch bei einer Schlittenfahrt küsst Crampas leidenschaftlich ihre Hand und sie erliegt seinen Reizen, um endlich mehr Abwechslung, Spaß und sogar etwas Gefährliches zu erleben. (Kapitel 19)
  • In einem Alles-ist-verloren-Moment wird der Protagonistin klar, dass sie ihre Definition von Erfolg ändern muss oder riskiert, ihre Prinzipien zu verraten.
    Effi verriet ihre Prinzipien, indem sie sich auf die Affäre mit Crampas einließ, aber sie tat es weder als eine Art Rache an ihrem leidenschaftslosen Ehemann, den sie respektiert, noch als Ausdruck tiefer Gefühle für Crampas, den sie nicht liebt. Vielmehr war es ihrem Bedürfnis nach Abwechslung, Aufmerksamkeit und Zuneigung geschuldet, nicht zuletzt auch ihrer Lust auf Abenteuer und Gefahr.
    Effis "Alles ist verloren"-Moment trifft sie erst, als Instetten sie noch eine Woche in ihrem Elternhaus in Hohen-Cremmen wohnen lässt, bevor sie endgültig nach Berlin umziehen. Sie ist erleichtert, dass sie die Affäre mit Crampas endlich beenden konnte, aber sie kann ihre Schuldgefühle nicht abstellen, die sie eines Nachts überwältigen. Es ist nicht die moralische Schuld, die auf ihr lastet, sondern die "ewige Angst", dass ihr Fehltritt "am Ende noch ans Licht kommen könnte". Und sie empfindet auch Scham. Aber sie kommt zu dem Schluss, dass sie sich nicht für ihre Untreue schämt, sondern für das "Schauspiel", das sie aufführen musste, um die Affäre zu verbergen: "Ich schäme mich bloß von wegen dem ewigen Lug und Trug; immer war es mein Stolz, daß ich nicht lügen könne und auch nicht
    zu lügen brauche, lügen ist so gemein, und nun habe ich doch immer lügen müssen [...]. Ja, Angst quält mich und dazu Scham über mein Lügenspiel. Aber Scham über meine Schuld, die hab ich nicht oder doch nicht so recht oder doch nicht genug, und das bringt mich um, daß ich sie nicht habe." (Kapitel 24) 
  • Das Kernereignis: Die Protagonistin entscheidet sich entweder dafür, das Nötige zu tun, um einen höheren Status zu erlangen, oder die von ihr angestrebte Welt abzulehnen.
    Effi trifft die Entscheidung, ihrem Mann nichts von der Affäre zu erzählen. Sie verrät damit ihre Prinzipien, denn, wie oben erwähnt, war sie immer stolz darauf, dass sie nie gelogen hat. Nun tut sie es weiterhin, um Instettens Frau zu bleiben, der inzwischen zum stellvertretenden Staatssekretär aufgestiegen ist. (Kapitel 24)
  • Der Protagonist rettet oder verliert sich aufgrund seiner Handlungen im Kernereignis.
    Effi verbringt sieben wunderbare Jahre in Berlin mit ihrem Mann und ihrer Tochter, bis die Wahrheit über ihre Affäre herauskommt. Danach leidet sie jahrelang darunter, verstoßen zu werden und erträgt die Strafe, weder ihre Eltern noch ihre Tochter sehen zu dürfen. Doch nachdem sie erkrankt und geschwächt ist und schließlich wieder in ihr Elternhaus einziehen darf, ist Effi endlich mit Gott und den Menschen versöhnt, wodurch sie ihrem Ex-Mann verzeihen kann. Sie will ihn wissen lassen, dass es richtig war, dass er sie verstoßen hat. Sie stirbt in Frieden. (Kapitel 36)

 

2.2 Konventionen des globalen Genres: Status

  • Ein starker Mentor, der dem Protagonisten beibringt, wie man Erfolg erlangt oder Misserfolg vermeidet.
    Effis Mutter Luise von Briest rät ihrer Tochter, Innstetten zu heiraten. Luises Denken ist stark von den Normen und Konventionen ihres Standes bestimmt: Durch die Heirat mit einem erfolgreichen und ehrgeizigen Mann wie Innstetten wird Effi in ihren jungen Jahren einen gesellschaftlichen Stand erreichen, den andere vielleicht erst im Alter von vierzig Jahren erreichen. Außerdem hat sie eine illusionslose Vorstellung von dem Leben, das die Frau in der Ehe erwartet. Für Luise steht fest, dass "die Frau in einer Zwangslage" ist, die ihr ein selbstbestimmtes Leben verwehrt. Mehr noch: Sie ist auch überzeugt, dass jeder Mann seine Frau nolens volens "quält", indem er das gemeinsame Leben nach seinen Vorstellungen und Vorlieben gestaltet. Sie scheint daher Liebe und Zuneigung als eher sekundäre Kriterien für die Partnerwahl zu betrachten und ist sich sicher, dass ihre Tochter von Glück sagen kann, mit Innstetten einen "Mann von Charakter, Stand und guten Sitten" zu bekommen. Effi folgt ihrem Rat, obwohl dies die Grundlage für ihre tragische Geschichte ist.

Anmerkung: Da die Geschichte eine tragische Statusgeschichte ist, die mit dem gesellschaftlichen Fall der Hauptfigur endet, hat die Mentorin zwar recht, was sozialen Aufstieg in der damaligen Zeit betrifft. Aber sie missachtet bei ihrem Ratschlag das quirlige lebendige Wesen ihrer Tochter.

  • Große soziale Probleme als Subtext der Geschichte.
    Die Geschichte ist eine kritische Darstellung der deutschen Gesellschaft zu Zeiten des Deutschen Kaiserreichs vor 1900, insbesondere ihrer gesellschaftlichen Konventionen und der fehlenden Rechte für Frauen.
  • Ein Herold oder Schwellenwächter, in der Regel ein weiterer Statusstreber, aber einer, der sich selbst verraten hat und der der Protagonistin eine warnende Geschichte erzählt.
    Effi lernt Marietta Trippelli kennen, kurz nachdem Effi nach Kessin gezogen ist. Sie ist erstaunt über das selbstbewusste Auftreten dieser Frau. Trippelli ist "Anfang dreißig, stark, männlich und von ausgesprochen humorvollem Typ". Zu Gieshüblers Leidwesen hat sie nur "ein bescheidenes Maß an gesellschaftlicher Finesse". Sie spricht frei und bringt damit ihre Mutter immer wieder in Verlegenheit. Sie hat sogar eine Affäre mit dem russischen Fürsten Kotschukoff. Effi fragt sie, ob sie irgendwelche gruseligen Erfahrungen gemacht hat, und Trippelli sagt ihr, dass dies zu ihrem Leben gehört. Es ist überall.
    Später, als Effi sich mit Instetten über Trippelli unterhält, sagt er ihr, dass man, wenn man ein Leben wie sie führen wolle, dies meist mit seinem Glück bezahle.
  • Ein klarer Punkt, an dem es für die Protagonistin kein Zurück mehr gibt, an dem sie die Wahrheit erkennt und begreift, dass sie nie wieder zu dem zurückkehren kann, wie es einmal war.
    Zu Beginn ihrer Affäre mit Crampas bricht sie eines Nachts in Tränen aus, weil sie merkt, dass sie eine Gefangene ihrer selbst ist. Das Verbotene und Geheimnisvolle hat Macht über sie und sie weiß, dass sie nicht stark genug ist, um dagegen anzukämpfen. Später erkennt sie, dass sie keine Angst vor dem chinesischen Geist hat, sondern dass es ihr Gewissen war. Und so sagt sie sich selbst: "Effi, du bist verloren."
  • Ein ironisches oder bittersüßes Ende.
    Obwohl Effi ihren Mann, ihre Tochter und auch ihr gesellschaftliches Ansehen verloren hat, was dazu führt, dass Effi in Berlin sehr krank wird (Verlust), darf sie endlich in ihr Elternhaus zurückkehren. Sie bekommt ihren treuen Freund, den Hund Rollo, zurück. Und Pastor Niemeyer versichert ihr, dass sie nach ihrem Tod in den Himmel kommen wird. (Gewinn) Was die Entwicklung von Effis Figur zeigt, ist, dass sie in der Lage ist, zuzugeben, dass ihr Mann Recht hatte, sie zu verstoßen. Sie verzeiht ihm. So ist sie endlich frei von all den Lasten, die sie krank gemacht haben. Sie stirbt dennoch, aber in Frieden.

Anmerkung zum bittersüßen Ende: Theodor Fontanes Roman ist eine Kritik an der damaligen Gesellschaft. Eine Lovestory mit Happy End (Effi und Baron von Innstetten kommen wieder zusammen) hätte den gegenteiligen Effekt erzielt. Es wäre Heuchelei gewesen, denn ein glückliches Ende hätte einfach nicht der Wahrheit entsprochen. Geschichten sind dazu da, um den Lesern Dinge vor Augen zu führen - auch welche sie manchmal zu ignorant sind, um sie selbst zu erkennen. Die damalige Gesellschaft musste durch die Figur der Effi Briest erfahren, wie hart es für eine Frau ist, den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen. Vor allem mit einem Mentor (ihre Mutter), die Effis Wesen ignoriert und sie bewusst ins Verderben stürzt (immerhin hat Effis Mutter doch den selben Fehler getan, als sie Effis Vater heiratete). Als Leser gehen wir mit einem einschlagenden Erlebnis aus der Geschichte heraus, das durch das bittersüße Ende erzielt wird. Effi konnte nicht die wahre Liebe finden und auch Innstetten wird nie mehr glücklich. Aber immerhin ist Effi so sehr als Person gereift, dass sie ihren Seelenfrieden fand. Sie verlor ihr bewusstes Objekt der Begierde und konnte nicht ihr unbewusstes Bedürfnis erfüllen - zumindest nicht, ohne dafür bestraft zu werden (wäre Innstetten nur ein Mann mit ein bisschen mehr Liebe gewesen). So endet die Geschichte 'bitter' für Effi, aber irgendwie auch 'süß', weil sie immerhin bestätigt bekommt, dass sie in den Himmel kommt.

 

2.3 Konventionen des globalen Genres: Gesellschaft

  • Eine Hauptfigur mit zusätzlichen Nebenfiguren, die eine Vielzahl von Persönlichkeitsmerkmalen der Hauptfigur verkörpern:
    Effi Briest: ist die Hauptfigur.
    Vater von Effi Briest: Mit seiner Autonomie gegenüber der Zustimmung der 'guten Gesellschaft' bildet er einen Gegenpol nicht nur zu seiner Frau Luise von Briest, sondern auch zu Innstetten, der sich der 'Tyrannei' des gesellschaftlich als richtig Empfundenen unterwirft. Er spiegelt die Charaktereigenschaft von Effi wider, sich bestimmten gesellschaftlichen Mustern nicht unterwerfen zu wollen.
    Luise von Briest, die Mutter von Effi: Ähnlich wie ihre 17-jährige und noch naive Tochter Effi hält sie Liebe und Zuneigung nicht für die primären Kriterien bei der Partnerwahl. Wichtig ist, dass der Mann Charakter, gesellschaftliches Ansehen und gute Umgangsformen hat. Gerade für Effi ist die gesellschaftliche Akzeptanz stärker, als auf ihre Gefühle zu hören.
    Major von Crampas: Soziale Normen haben für Crampas keine verbindliche Kraft. Er hält ihre Gültigkeit für "zufällig" und ist überzeugt, dass das Glück gerade "jenseits" davon liegt. Er hält Gesetzmäßigkeiten für langweilig, plädiert für den Leichtsinn, ohne den das ganze Leben nichts wert ist, und vertraut darauf, dass "der Himmel nicht gleich einstürzen wird". Der Glaube an keine drohenden Konsequenzen entspricht Effis Zuversicht, dass "es sie nicht den Kopf kosten wird". Und Crampas Neigung zum "Leichtsinn" entspricht Effis Lust an Abenteuer und Gefahr.
    Roswitha: Roswitha verkörpert in ihrer schlichten Treue zu Effi (die den gesellschaftlichen Normen nicht folgt) das, was Fontane den "natürlichen Menschen" nennt. Effi zeigt die gleiche Einstellung gegenüber Crampas, obwohl sie weiß, dass eine Liebesbeziehung mit ihm zu ihrem Fall führen kann. Und Roswitha weiß, dass ein Verbleiben bei Effi, nachdem sie verstoßen wurde, ebenfalls zu einem sozialen und finanziellen Abstieg führen wird. Beide Frauen sind sich der Klippe bewusst, im wahrsten Sinne des Wortes. Aber sie bewegen sich weiter auf sie zu.
    Dr. Alonzo Gieshübler: Er schätzt die Natur und die Schönheit. Seine kleinen Geschenke lindern Effis Drang nach ständiger Abwechslung und Unterhaltung. Er spricht zu dem Kind in ihr.
  • Große Leinwand (innere Landschaft oder äußeres Setting)
    Der Leser lernt viele verschiedene sekundäre und tertiäre Figuren kennen (insgesamt über 60 Figuren), die einen genauen Einblick in das Spektrum der Gesellschaft und ihrer Traditionen, Sitten, Regeln und sozialen Gebräuche in der Zeit zwischen den Jahren 1878 bis 1890 darstellen.
  • Ein klarer revolutionärer "Punkt ohne Wiederkehr"-Moment (Das ist der Moment, in dem sich die Machtverhältnisse verschieben)
    Als Effi die Affäre mit Crampas beginnt, ist sie dem Untergang geweiht. Es gibt kein Zurück mehr, nachdem sie ihren Mann betrogen hat und eines Tages die Konsequenzen für ihr Handeln tragen muss, auch wenn diese erst Jahre nach der Affäre eintreten.
  • Die Geschlagenen sind zur Verbannung verdammt.
    Nachdem Geert von Instetten die Liebesbriefe zwischen seiner Frau Effi und seinem Freund Major von Crampas entdeckt hat, folgt er seinen Prinzipien, auch wenn er das in diesem speziellen Fall, der ihn tief berührt, nicht will. Aber er schreibt an Effis Eltern und informiert sie über ihre Untreue, was dazu führt, dass Effi nicht mehr zu ihrem Mann Geert und ihrer Tochter zurückkehren darf und auch nicht mehr im Haus ihrer Eltern willkommen ist. Major von Crampas wird von Geert von Innstetten im Duell erschossen.
  • Das Machtgefälle zwischen den Mächtigen und den Ausgestoßenen ist groß.
    Nachdem Effi ausgestoßen wurde und in Berlin leben muss, hat sie kein Recht, ihre eigene Tochter zu sehen. Das Machtgefälle wird noch deutlicher, als Effi ihre Tochter wiedersehen darf. Sie erkennt ihre Tochter Annie nicht wieder, die von ihrem Vater in einer Art Abstoßungshaltung gegenüber ihrer Mutter erzogen wurde.
  • Ironisches Gewinnen-aber-Verlieren oder Verlieren-aber-Gewinnen-Ende.
    siehe oben (Statuskonventionen)

 

3. Was ist das erzählerische Mittel und die Erzählperspektive?

Es gibt einen allwissenden Erzähler in der dritten Person, der dem Leser unbekannt bleibt.
Fontane verwendet beim Schreiben auch den auktorialen Plauderton, berichtet perspektivisch mit wechselndem Fokus, verwendet die freie indirekte Rede, wechselt von groben Beschreibungen zu Dialogen und baut sogar die Briefform ein.

Das Zielpublikum ist die allgemeine Öffentlichkeit in Deutschland zur Zeit des Erscheinens des Buches. Das Werk kann als eine Form der Kritik an der preußischen Gesellschaft betrachtet werden, auch wenn die Affäre, die Schuldfrage und das Geheimnis des chinesischen Geistes nie explizit, sondern fast ausschließlich in auslassenden Andeutungen dargestellt werden.

Wir werden Zeuge des Geschehens - Der Erzähler wechselt auch von der Protagonistin Effi zu anderen Figuren, um uns sehen zu lassen, was die anderen denken oder reden. Er schafft dramatische Ironie, denn der Roman ist voll von Andeutungen, die die Tragödie, die Effi erwartet, vorausahnen lassen.

Die erzählerische Distanz verlagert sich von einem Beobachter, dem die Welt durch detaillierte Beschreibungen gezeigt wird, zu einem Hineinversetzen in bestimmte Situationen, besonders wenn der Erzähler Dialoge oder Monologe verwendet, um uns so nah wie möglich an die Figuren heranzuführen.

 

4. Was sind die Objekte des Verlangens?

Bewusstes Ziel: Effi möchte ein höheres gesellschaftliches Ansehen erlangen.

Unbewusstes Bedürfnis: Sie braucht das Gefühl von Liebe und Verbundenheit sowie Abwechslung. Sie braucht im Grunde noch ein paar Jahre Kind sein, um die Zeit zu haben, erwachsen zu werden.

 

5. Was ist das kontrollierende Thema?

Wir fallen im gesellschaftlichen Ansehen, wenn wir durch das Verfolgen unserer Ambitionen aufzusteigen versuchen und dabei unser Herz und unsere Werte verraten.

 

6. Anfang, Mitte und Ende der Geschichte kurz zusammengefasst.

Anfang: Als ein 17-jähriges Mädchen namens Effi Briest zustimmt, den Baron von Instetten zu heiraten, um ein besseres gesellschaftliches Ansehen zu erlangen, stellt sie fest, dass das Leben in ihrem neuen Zuhause in Kessin alles andere als unterhaltsam ist. Sie glaubt, dass sogar das Haus, in dem sie wohnt, von einem toten Chinesen heimgesucht wird. Sie muss sich entscheiden, ob sie ihren Mann bittet, seine gesellschaftlichen Besuche bei hochrangigen Personen einzustellen (welche die Möglichkeit bieten, ein noch höheres gesellschaftliches Ansehen zu erreichen, aber zumindest ist sie nicht mehr allein) oder ob sie ihn weiterhin seiner Arbeit nachgehen lässt, während ihr die emotionale und physische Begleitung eines Partners fehlt. Effi beschließt, ihren Mann zu fragen, ob sie umziehen können. Aber da ihr das verwehrt wird, wird Effi schwanger, in der Hoffnung, dass ein Kind wieder etwas Leben in ihr einsames Dasein bringen wird.

Mitte: Das Kindermädchen Roswitha wird eingestellt, um sich um Effis neugeborenes Kind zu kümmern. Effi genießt ihre Zeit beim Reiten mit Major von Crampas und ihrem Mann Geert, bis ihr Mann nicht mehr mitkommen kann und Crampas beginnt, Effi anzumachen. Crampas Versuche führen zu einem leidenschaftlichen Handkuss. Effi muss sich nun entscheiden, ob sie eine Affäre mit Crampas beginnt (um etwas Spaß, Abenteuer und Leidenschaft zu erleben und dabei alles zu riskieren, was sie sich erarbeitet hat), oder ob sie Crampas ein für alle Mal den Laufpass gibt (um ihre Ehe und ihr gesellschaftliches Ansehen zu retten, dabei aber den einzigen Funken verliert, der ihr Gefühl der Einsamkeit und Langeweile erhellte). Effi beginnt eine Affäre mit Crampas, und obwohl sie die Affäre beenden kann, als sie mit ihrer Familie endlich nach Berlin zieht, findet ihr Mann Jahre später die Wahrheit heraus und sie ist zum Exil verdammt.

Ende: In einer kleinen Wohnung in Berlin mit dem ehemaligen Kindermädchen ihrer Tochter Roswitha und ohne jede Verbindung zu ihrem früheren Leben darf Effi nach Jahren ihre Tochter wiedersehen. Doch Effi ist am Boden zerstört von der Art und Weise, wie Annie mit ihr redet und kommt nicht damit klar, wie ihr Ex-Mann die gemeinsame Tochter gegen sie erzogen hat. Effi wird krank und kann nichts mehr tun, weil sie alle Rechte verloren hat. Ihre Eltern werden von Effis Arzt über ihren schlechten Gesundheitszustand informiert und müssen sich entscheiden, ob sie Effi nach Hause zurückkehren und bei ihnen leben lassen (wobei sie ihr eigenes gesellschaftliches Ansehen riskieren, aber zumindest ihre Tochter zurückbekommen), oder ob sie Effi alleine in Berlin sterben lassen. Effi kehrt nach Hause zurück, wo sie endlich ihren Seelenfrieden findet und ihrem Mann verzeihen kann.

 

Effi Briest - Persönliche Anmerkung

Nachdem ich den Roman von Theodor Fontane der 6-Kernfragenanalyse vom Story Grid unterzogen habe, fand ich heraus, warum dieser Roman einfach nichts für mich ist und warum ich ihn doch bewundere. 

Effi Briest ist eine Statusgeschichte, welche mit dem sozialen Fall der Hauptfigur endet.

Im Gegensatz: In Gladiator empfand man diesen Fall für die Figur Commodus (gespielt von Joaquin Phoenix) noch gerecht, da dieser gesellschaftliches Ansehen durch Macht erreichen wollte. Und man bewunderte es, wie sehr Maximus (gespielt von Russell Crowe) seinen ehrenwerten Prinzipien bis in den Tod treu blieb. Er erreichte seinen Aufstieg durch Anerkennung. Hier genoss man die Gegensätzlichkeiten, wie eine Figur fiel, während die andere aufstieg.

In Effi Briest fehlt mir der Ausgleich.

Die Kombination mit dem Genre Gesellschaft kann ich sehr gut nachvollziehen, weil dieses Werk eine starke Kritik an den Konventionen der damaligen Zeit ist. Es 'darf' einfach keine Belohnung für ein solches Denken geben, die Frauen derart bestraft. Daher konnte hier auch keine Figur 'belohnt' werden, in dem sie diesen Prinzipien folgt. Selbst Instetten erfuhr durch seine Prinzipientreue nur Leid - er erschoss seinen Freund und verstieß seine Frau und die Mutter seiner Tochter, weil die Norm es von ihm verlangte. Glücklich wurde er mit dieser Entscheidung nie.

Effi Briest ist ohne Zweifel ein Meisterwerk und zurecht Pflichtlektüre. Ihre Gesellschaftskritik sollte weiterhin im Bewusstsein bleiben.

Die Art der Erzählung jedoch gefiel mir nicht. Zu oft war man nicht im Geschehen und es erfolgten zu viele Berichte, während wichtige Momente nur im Nachhinein erzählt worden sind, anstatt den Leser an der Situation teilnehmen zu lassen. Ebenso gab es unzählige, langatmige Beschreibungen, die zwar von Literaturwissenschaftlern in unzähligen Analysen gedeutet werden können, aber dennoch machten sie das Leseerlebnis zu einer zähen Angelegenheit.

TippWenn du deine Geschichte schreibst, überspringe nicht die wichtigen Momente deiner Handlung. Der Leser liest deinen Roman, weil er eben diese Augenblicke hautnah miterleben will. Er will sehen, wie sich die Lage für deine Figur zuspitzt, in welcher Krise sie steckt und wie sie versucht, aus dieser wieder herauszukommen. Nur so bleibt die Geschichte spannend für den Leser.                                                                                                                                                                                                                       

Erfahre hier, wie deine Figur zunehmend in Schwierigkeiten gerät (Steigende Komplikationen in deinem Roman), und wie du sie in Krisen stürzt (Die Krise für Figuren im Roman).

 

Was denkst du von Effi Briest? Wie gefiel dir der Roman? Schreib es mir gern in den Kommentaren.

 



Melanie Naumann - Lektorin Storyanalyse - Schreibe deinen besten Roman.
Storyanalyse.de

Melanie Naumann ist die erste zertifizierte deutsche Story Grid Lektorin. Sie ist die Gründerin von Storyanalyse.de und gab die Leitung von Storyanalyse im Dezember 2021 an die Geschichtenhebamme Eva Maria Nielsen ab. Melanie arbeitet seither vorwiegend mit Songwritern zusammen, um ihnen zu helfen, die Power of Storytelling für ihre Songtexte zu nutzen.



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