Oh wow, es ist 21:00 Uhr. Meinen Jetlag habe ich noch immer nicht überwunden. Das heißt, ich bin seit 4 Uhr morgens wach. Ab 8 war ich auf der Konferenz. Ab 9 ging der Kurs weiter. 16:30 Uhr hatten wir die heutige Lektion über steigende Komplikationen durch. In meinem Kopf hat sich alles nur noch gedreht. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass wir zu Ende jeder Kurseinheit ein Lied analysieren. Denn die Lieder, die über die Zeit bestehen, sind oft Songs, die eine Geschichte in sich tragen.
Heute hörten wir Jacques Brel's Carousel Wenn ihr dieses Lied noch nie gehört habt, solltet ihr das nachholen. Ich fand das Lied anfangs gut, aber wie auf einem Karussell wurde es immer schneller und man hat förmlich gespürt, wie sich alles zu drehen begann. Mir wird sofort schlecht, wenn sich etwas im Kreis dreht. Allein dieses Lied zu hören, hat meinen Körper davon überzeugt, er säße auf einem Karussell. Aber der Song dreht sich um steigende Komplikationen. Es ist nicht nur eine simple Karussellfahrt. Wer Ideen dazu hat, einfach in die Kommentare schreiben. Ich erkläre gern, was ich meine. Aber jetzt gerade bin ich zu müde. Sorry. Aber dein Kommentar wäre wie eine Erinnerung für mich, dass ich darauf noch eingehen muss. Weil ich dazu wohl erst in Deutschland wieder kommen werde.
Dieses Lied hat mir heute echt den Rest gegeben, aber auch wenn ich nachmittags echt platt war, ging ich weiter auf die anderen Kursteilnehmer zu und sprach sie an, denn ich wollte sie kennenlernen.
Nein, ich bin kein extrovertierter Mensch.
Jeder meiner Freunde kann dir sagen, dass ich nicht extrovertiert bin. Ich mag es für mich zu sein. Ich liebe es. Mein Onkel gab mir den Spitznamen Eule, weil ich mehr ein Stubenhocker war, als das ich meine Teenagerzeit mit Fortgehen verbrachte.
Aber was ich gelernt habe, ist, dass man seine eigene Introvertierheit nicht als Ausrede nutzen darf, um zu rechtfertigen, dass man allein ist und niemanden kennenlernt. Es kommt die Zeit, da muss man einfach aus sich herausgehen.
Am einfachsten ist es, wenn man sich in der Umgebung befindet, in der man sich auch wohl fühlt.
Ich bin auf einer Konferenz, mit ca. 40 anderen Story Nerds. Mit Menschen, die das Story Grid kennen und teilweise auch lieben (ja, es ist harte Arbeit!). Und meine Introvertierheit darf mir nicht im Weg stehen, während ich gerade die Chance meines Lebens erhalte. Ich muss auf Leute zugehen. Es gibt kein heimliches am Platz hocken, in die Luft starren oder nach der Konferenz schnell im Hotelzimmer verschwinden. Wir alle teilen eine gemeinsame Leidenschaft: Geschichten! Und dazu sind wir noch so verrückt, dass wir so genau die Struktur von Stories untersuchen. Alles zu dem Zweck, dass wir unser eigenes Schreiben und das Feedback, das wir anderen Autoren zu ihren Manuskripten geben, so präzise und hilfreich wie möglich formulieren können.
Und wenn wir Fragen haben?
Dann können wir andere Lektoren aus der Story Grid Gemeinschaft fragen und uns gegenseitig helfen.
Was ist also das Beste, was ich tun kann?
Beziehungen knüpfen, denn je besser ich die Menschen kenne, die in dieser kleinen Gemeinschaft meine Nachbarn und Familie sind, umso vertrauter wird das Verhältnis und umso leichter werde ich mich trauen, mit ihnen zu kommunizieren, wenn ich wieder zurück in Deutschland bin. (So die Theorie ;-), aber bereits heute war es viel einfacher, auf die anderen zuzugehen.) Am Morgen sprach ich eine Weile mit Tim Grahl und außerdem habe ich mich endlich getraut, Shawn Coyne anzusprechen. Und das war nicht einmal geplant, wie ich es manchmal tue, während ich versuche den Mut zusammenzuraffen, um auf jemanden zuzugehen. Nein.
Shawn betrat den Raum. Er trug eine Sonnenbrille und diese blaue Bomberweste über seinem schwarzen Shirt. Attitude! Er sah aus wie ein Rockstar. Und das habe ich gesagt. Ich bin halt ich. Und ich kann nur sagen, was ich empfinde. Und schon haben wir gescherzt. Das Eis war gebrochen und unsere Unterhaltung hat sich zu einer wunderbaren Möglichkeit geformt, die ich mit großem Interesse wahrnehmen werde. (Später mehr dazu).
Ich möchte nur sagen, dass wir keine Chancen erhalten, wenn wir nicht unsere eigene Komfortzone verlassen. Wir müssen aus uns herausgehen. Wir müssen auf andere zugehen. Auch wenn es schwerfällt. Angst vor Ablehnung ist nur eine Form von inneren Widerstand, der uns zurückhalten will. Aber wir können doch nicht Gelegenheiten verpassen, die unser Leben verändern könnten? Zumindest nicht, wenn man an einem Ort ist, wo so viele Möglichkeiten existieren, die genau zu dem passen, was man von Herzen tun will.
Und wir wissen, dass nicht nur Erfolg von Beziehungen abhängt, sondern auch das positive Gefühl, dass man genau seine Gemeinschaft kennt, in der man sich aufgehoben fühlt.
Was ich sagen will, ist, dass ich an einem Punkt in meinem Leben bin, wo ich genau weiß, dass ich hier richtig bin. Egal, durch welche Umwege ich hier her gekommen bin, aber ich bin hier und es fühlt sich verdammt gut an. Deswegen werde ich weder dem Jetlag ein Bett geben, noch mich irgendwo verstecken. Ich versuche, 100% da zu sein. Die Erste am Morgen, und die Letzte am Abend. Wollen wir etwas unternehmen? Klar, gerne. Und ich bin ehrlich. Ich habe z.B. zwei Story Grid Lektoren gesagt, dass ich sie kennenlernen möchte und gern etwas mit ihnen unternehmen würde. Und nein, es war nicht einmal schwierig, diese Worte zu sagen. Alles, was ich ihnen zeigen wollte, war, dass sie wissen, dass ich sie als Person interessant finde und gern Zeit mit ihnen verbringen würde. Ich schätze sie.
Und nun weiß ich morgen genau, mit wem ich Mittagessen geh, mit wem zum Abendbrot (das ist eigentlich nicht wichtig, weil ich mich zu jedem setzen könnte, aber die Gewissheit ist schön, dass man auch für den anderen wichtig ist. Macht das Sinn? Es ist so spät.)
Und wenn ich morgen früh erscheine, fühl ich mich endlich nicht mehr fremd, sondern als Teil von etwas.
Ich wachse über mich selbst heraus und das ist eine wunderbare Erfahrung.
Okay, so viel zu dem heutigen Tag.
P.S. Ich schreibe diese Artikel einfach runter, wie einen Tagebucheintrag. Ich bin zu müde, um sie zu korrigieren. Zudem läuft draußen gerade eine maskuline Auseinandersetzung. Ihr kennt das wahrscheinlich. Zuerst machen betrunkene Männer witzige Anspielungen, um den anderen zu reizen, und plötzlich artet es in Gewaltdrohungen aus. Zumindest hier. »You goddamn f***. You get out of My way!« Oder »If you do not get out of My way, I have two guns in My Truck and I blow your f***ing brains out.«
... und ich dachte, schlimmer als die Tornadowarnung kann es nicht mehr werden ... =/
Apropo, bis auf einen Mann, der den wütenden und brüllenden Typen zurückhalten wollte, kichern die anderen wie Gummibären auf Lachgas ...