Dieser Artikel ist zweigeteilt. Der erste Abschnitt ist mein Tagesbericht, der zweite geht auf die Heldenreise und das Versprechen der Jungfer ein. Überspringe einfach, was du nicht lesen magst.
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Endlich ins Story Grid Universum eintauchen
Heute ist der Tag, wo ich endlich ins Story Grid Universum eintauchen werde. Es ist nur ein Sonntag, aber am Abend steht das erste Kennenlernen mit den anderen Kursteilnehmern an. Ich freue mich wie die Grinsekatze darauf! =)
Heute ging es nochmal in ›The Factory‹, zusammen mit dem Buch Das Schweigen der Lämmer von Thomas Harris (ich muss noch die letzten 50 Seiten in Vorbereitung auf den Story Grid Kurs lesen). Mit Roter Drache und Das Schweigen der Lämmer hat Harris einen Platinumstandard für Serienmörder-Thriller geschrieben, wo er den Serienmörder zu einem Monsterstatus angehoben hat. Und dazu gibt es noch präzise ausgearbeitete Fakten und Kriminalverfahren zusammen mit einer eindringlichen mythologischen Symbolik. Ein Werk, das also unbedingt gelesen werden sollte.
Am späten Nachmittag war das erste Kennenlernen angedacht. Oh man, ich war aufgeregt. Wir trafen uns in einem Restaurant. Deutsche Pünktlichkeit und Nervosität ließ mich als Erstes da sein, obwohl ich nur 10 Minuten zu früh war.
Fünf Minuten später hatte ich schon zwei Kursteilnehmer an meiner Seite. Und dann öffnete sich die Tür und Tim Grahl kam herein. Es ist so seltsam, jemanden zu treffen, den man schon jahrelang über einen Podcast verfolgt. Den man in Videos sieht, an dessen Online-Kursen teilnimmt und dessen Blogartikel liest. Plötzlich wurde diese Person real. Es ist komisch, weil man diese Person so gut kennt, aber man gleichzeitig eine Unbekannte für denjenigen ist. Aber auch für Tim schien es seltsam zu sein, dass jeder ihn kannte – nicht nur ihn, sondern durch den Podcast auch seine Schreibprojekte. Shawn Coyne nahm es gelassener. Er stellte sich sogar beim Namen vor – sein witziger Charme, um das Eis der Nervosität zu brechen. =)
Nach und nach kam ich mit immer mehr Kursteilnehmern ins Gespräch und auch mit einigen der zertifizierten Story Grid Lektoren, die an dem ersten Kurs teilgenommen hatten. Es war ein wunderbar interessanter Abend.
Teilnehmer kommen aus den Staaten, Kanada, London, Schweden, Frankreich, Deutschland und sogar aus Neuseeland. Das Story Grid erobert die Welt =)
Die Heldenreise und das Versprechen der Jungfer
Du hast bestimmt schon von der Heldenreise gehört? Sei es durch Joseph Campbells Buch ›Der Heros in tausend Gestalten‹, Christopher Voglers ›Die Odyssee des Drehbuchschreibers‹ oder durch die zahlreichen Blogartikel, die man zur Heldenreise nachlesen kann. In meinem heutigen Tagebucheintrag von meinem Aufenthalt in Nashville möchte ich gern auf die Heldenreise eingehen, als auch auf das Versprechen der Jungfer. Wenn dir zweiteres noch nichts sagt, keine Sorge, eine Erklärung wird folgen.
Die Heldenreise nach Vogler
Für ein besseres Verständnis kannst du hier die Kurzzusammenfassung zur Heldenreise (nach Vogler) lesen:
Der Held lebt in seiner alltäglichen Welt, bis er eines Tages den Ruf des Abenteuers erhält. Zunächst lehnt er den Ruf angesichts der großen Gefahr ab, doch nach dem Treffen mit dem Mentor überquert der Held die erste Schwelle in das unbekannte Land. Plötzlich, weg von allem, was bekannt ist, wird der Held getestet, ob er in der fremden Welt überleben kann. Er kennt sein Ziel und trifft Verbündete, die ihm helfen, und der Held erfährt von seinem Feind. Die Verbündeten treffen Vorbereitungen, um in die Höhle des Gegners zu gelangen. Der Held ist in einer Krise dem Tode ausgesetzt, kann entkommen und wird mit einem Vorteil belohnt, wenn er das nächste Mal dem Feind gegenübersteht. Er begibt sich auf den Weg zurück nach Hause und trifft den Feind in einer letzten Schlacht an. Der Held besiegt den Gegner, manchmal unter dem Opfer seines eigenen Lebens, und kehrt mit dem Elixier zurück, um das Dorf zu schützen.
Die Reise des Helden dreht sich um Leben und Tod und um das Aufbringen des Selbstopfers. Der Held verlässt sein Zuhause, um zu beweisen, dass er in der Welt da draußen überleben kann. Dazu handelt die Heldenreise von dem Weg, wie man seine Mutter / den Ödipuskomplex überwinden kann (Das Verlangen sich an den Komfort des eigenen Zuhauses festzuklammern).
Das Versprechen der Jungfer
Die Heldenreise wird vor allem durch Maskulinität und externe Konflikte geprägt. Aber was hat es mit den Geschichten wie Billy Elliot, Brokeback Mountain, Bend it like Beckham, Shakespeare in Love, Pretty Woman oder Miss Undercover auf sich? Wäre es nicht angebracht, dass Geschichten auch unter dem Aspekt von Feminismus und Selbstverwirklichung betrachtet werden können?
Kim Hudson hat sich mit genau diesem Thema beschäftigt, und für den Archetyp der Junger (der feminine Archetyp im Vergleich zum maskulinen Helden nach Campbell) ihre eigene Theorie erstellt.
Das Versprechen der Jungfer dreht sich um eine Jungfer (nicht sexuell!), die sich von der Abhängigkeit ihrer Familie lösen muss, in dem sie ihren eigenen Traum erkennt und diesen in die Realität umsetzt. Nach Carl Jung muss die Jungfer ihren Vater / Orpheliakomplex überwinden, welches sich auf das Bedürfnis bezieht, den anderen immer gerecht zu werden, aber nicht sich selbst. Die Jungfer muss also lernen, ihre eigenen Werte und Vorstellungen für ihr Leben vor die ihres Vaters zu stellen.
Das Versprechen der Junger teilt sich in 13 Abschnitte.
Hier die Kurzzusammenfassung (ein ausführlicher Beitrag wird auf meinem Blog noch folgen).
Die Jungfer beginnt ihre Geschichte in einer abhängigen Welt. Sie trägt die Hoffnung des Königreichs auf ihren Schultern und ist für die Fortsetzung des Königreichs verantwortlich, was jedoch ihrem eigenen Traum widerspricht. Zunächst hat sie Angst, sich gegen ihre Gemeinschaft zu stellen, um ihren eigenen Traum zu verwirklichen. Aber dann bekommt sie eine kleine Chance, ihren Traum heimlich zu verfolgen. Sie erkennt ihren Traum an, indem sie sich verkleidet, wenn auch nur vorübergehend. Belebt von dieser ersten Erfahrung, versucht sie beide Welten (ihre geheime Welt und die abhängige Welt) miteinander zu vereinbaren. Ihr Traum wächst in der geheimen Welt, während sie gleichzeitig versucht, ihre abhängige Welt zu besänftigen. Aber irgendwann passt sie nicht mehr in ihre alte Welt und sie wird in ihrer geheimen Welt erwischt. In dieser Krise wird der Jungfer klar, dass sie aufgeben muss, was sie festhält. Chaos bricht im Königreich aus und die Jungfer wandert verloren durch die Wildnis, während sie zu entscheiden versucht, ob sie sich wieder klein machen wird, um die Menschen glücklich zu machen, oder ob sie ihren Traum leben soll. Sie wählt ihr Licht! Sie verliert ihren Schutz und es wird düster, aber das Königreich richtet sich neu aus, um die blühende Jungfer bei sich zu behalten, und verändert sich dadurch zum Besseren.
Ich sagte ja, dass ich mich in meiner eigenen Heldenreise befinde. Es ist wichtig, dass man das eigene Leben reflektiert und versteht, dass man sich auf einer Reise befindet. Nicht umsonst gilt die Heldenreise als der Mono-Mythos unserer Welt, weil er sich über alle Kontinente und Kulturen gleicht. Es muss also etwas dran sein, dass die Menschen diese Abfolge in ihrem eigenen Leben zuerst kennenlernten.
Wie sieht die Heldenreise nun für mich aus?
Zuhause lebe ich in meiner gewohnten Welt, bis der Ruf des Abenteuers kam – die Chance, um am nächsten Kurs zum zertifizierten Story Grid Lektor teilzunehmen. Mein Elixir, das ich nach meiner Reise mit nach Hause bringen würde, wäre also das Wissen, das ich von Shawn Coyne lernte. Etwas, das sogesehen den Autoren zu gute kommt, die eine Geschichte schreiben wollen, die funktioniert und die Erwartungen des Lesers erfüllt.
Habe ich den Ruf des Abenteuers verweigert? Beinahe, weil ich mich nicht von meiner kleinen Familie trennen wollte und der Abschied so verdammt schwerfiel. Aber ich habe den Ruf des Abenteuers mit Hilfe der Mentorunterstützung meines Mannes angenommen, der mich in meiner Entscheidung bekräftigte, diese Chance anzunehmen.
Ich bin also in die unbekannte Welt gereist – von Dresden nach Nashville. Der Schwellenwächter begrüßte mich in Chicago, denn nur die Einwanderungsbehörde kann entscheiden, ob ich in die Staaten einreisen darf oder nicht. Hier muss ich auch die neuen Regeln kennenlernen: Münzen erkennen, Verkehrs- und Verhaltensregeln, etc.
Der nächste Abschnitt meiner Reise gehört den Proben, Verbündeten und Feinden. Während ich darauf hoffe, dass ich nicht auf einen Antagonisten treffe und sich neue Bekannte nicht als Gestaltwandler oder Betrüger herausstellen, hat die Erfahrung des Lebens gezeigt, dass Dinge immer anders kommen, wie man erwartet.
Aber ein Antagonist muss mir nichts Böses wollen. Wusstest du, dass in Liebesgeschichten der Partner die Rolle des Antagonisten einnimmt? Mein Antagonist kann auch ich selbst sein. In Fight Club war Opfer, Held und Antagonist eine einzige Person. Ich werde in den nächsten Tagebucheinträgen berichten, wie sich meine Heldenreise weiter entwickelt.
(P.S. Ich sagte ja, die Heldenreise dreht sich um Leben und Tod. Das heißt nicht, dass mein Leben z.B. durch amerikanische Gangs oder mögliche Flugzeugabstürze gefährdet sein muss, sondern nur, dass es sich auch um eine mentale Veränderung und Wiederauferstehung drehen kann.)
Das Versprechen der Junger auf meinem eigenen Weg zur Selbstverwirklichung
Während ich in meinen Story Grid Kursvorbereitungen unzählige Schreibratgeber wälzte, las ich auch das Versprechen der Jungfer von Kim Hudson zum ersten Mal. Ich war überrascht, wie sehr ich mein eigenes Streben in den 13 Etappen wiederfand – vor allem, wenn ich mein Ziel betrachte, eine zertifizierte Story Grid Lektorin zu werden.
Wie bei der Heldenreise lebe ich in meiner gewohnten Welt, die von mir abhängt – Beruf, Familie und Haushalt. Den Preis für diesen Komfort zahle ich mit meinem Brotjob, um finanziell unsere Familie zu unterstützen.
Ich erhielt durch die Kurszusage zum Story Grid Lektor eine Möglichkeit, um zu ›glänzen‹, wie es Hudson in ihrem Buch ›the Virgin’s Promise‹ beschreibt.
Mitbringen sollte man Casual Business Klamotten. Wer mich kennt, der weiß, dass ich nicht viel von Mode halte und gern in den Sachen rumlauf, die bequem sind, auch wenn ich für manche wie ein Schlumpf aussehen mag. Um mich für den Kurs entsprechend kleiden zu können, musste ich also einkaufen gehen. Blusen, Stoffhosen, leichte Absatzschuhe ... alles Sachen, in denen man mich sonst nie zu Gesicht bekommt.
Meine geheime Welt wird immer größer, dadurch dass ich neben meinem Brotjob versuche, mich als Lektorin selbstständig zu machen. Ich jongliere diese beiden Welten – wobei ich nicht weiß, wie lange eine Doppelbelastung noch möglich ist (abgesehen davon, dass ich ja auch noch eine Romanautorin bin, und auch Zeit zum Schreiben brauche).
Wie die weiteren Etappen dieser Theorie aussehen werden, kann ich jetzt noch nicht sagen, weil ich mittendrin im Prozess der Selbstverwirklichung stecke.
Ich spüre bereits jetzt, wie meine geheime Welt zu groß wird, dass ich beide Welten bald nicht mehr lange miteinander vereinbaren kann. Mir ist bewusst, ich muss das aufgeben, was mich festhält und mich für meinen Traum entscheiden (Vollzeit-Lektorin). Für eine Zeit wird mein Zuhause in Chaos ausbrechen und ich werde zweifeln und mich auch irgendwie verloren fühlen. Aber es wird sich alles neu ordnen und zum Guten wenden.
Ihr seht, ich stecke mittendrin in einer Heldenreise und in dem Versprechen der Jungfer. Wenn man diese beiden Konzepte auf das eigene Leben anwendet, dann weiß man besser, wo man sich gerade befindet und was die nächsten Schritte sein werden.
Es lohnt sich also, sich mit beiden Konzepten zu beschäftigen.