Heute hieß es: Auf nach Franklin.
Auch wenn man das Wetter mit 100% Niederschlagswahrscheinlichkeit für den ganzen Tag ankündigte und sich diese Prognose auch noch bestätigte, ließ ich mich nicht abbringen, um einen Abstecher nach Franklin zu machen. Entschuldigt daher die teils trostlosen Bilder, aber im Sommer fotografieren kann ja jeder ;-)
Franklin, TN
Franklin liegt ca. 21 Meilen südlich von Nashville und gehört mit zu den wohlhabendsten Städten in Tennessee. Vor allem nach Leipers Fork (ca. 10 Meilen von Franklin entfernt) sollen sich einige bekannte Musiker wie Keith Urban zurückgezogen haben. Ich sprach mit einer Kellnerin und sie meinte: ›Hier leben so viele Berühmtheiten, ich kenn die auch nicht alle.‹
Aber warum bin ich nach Franklin gefahren?
Es ist nicht wegen der Musik, auch wenn ich Country gerne höre. Ich liebe die Songs von Johnny Cash, die mich bei meinem Work & Travel Jahr in Neuseeland begleiteten.
Ich fuhr heute nach Franklin um die beliebteste ›Main Street‹ Amerikas zu sehen. Franklin wird vor allem durch seine ›historische Erhaltung und die moderne Eleganz‹ gelobt. Das musste ich mir natürlich ansehen!
Ich lass mich schon von einem Supermarkt begeistern ;-)
Zuerst ging es jedoch in den Supermarkt. Nicht nur um genügend Wasservorräte im Hotelzimmer zu haben, sondern auch, um Kontraste zu erleben. Ich besuchte den Whole Foods Market und stoppte schon am Eingang. Ich war überrascht, dass ich nicht gleich dem ersten Regal ausweichen musste. Offene Flächen, farbenfroh, handgeschriebene Tafeln, riesige Bilder und rustikaler Charme sind nur ein paar der Besonderheiten, die den ersten Eindruck unvergesslich werden ließen.
Auf dem Bild sehr ihr, wie wunderschön das Gemüse und die Äpfel sortiert sind. Zudem waren die Gänge zwischen den Regalen viel breiter. Die gesamte Kette ›Whole Foods Market‹ ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Keine Plastikbeutel, sondern Papiertüten, und die Bioprodukte in Sichthöhe.
Was mir zudem nicht mehr so im Sinn war, seit ich das letzte Mal 2005 Colorado besuchte, ist die Freundlichkeit der Amerikaner. Hier geht man gerne einkaufen. Die Mitarbeiter haben ein Lächeln für einen, und selbst wenn die Frage: ›How do you do?‹ mehr eine Floskel als eine ernst zunehmende Frage ist, ist es doch ein gutes Gefühl, wenn man gefragt wird, wie es einem geht. Und man sagt: Danke, gut. Und schon mit diesen Worten fühlt man sich besser. Was man sagt, wird sein. Wenn ich also sage, dass es mir gut geht, dann wird es mir gut gehen. Kein Rumjammern, sondern lächeln. Das mag ich.
Es ist Wahnsinn, aber vielleicht liegt der Unterschied auch darin, dass in diesem Supermarkt so viele Menschen arbeiteten. Jeder hatte seine Aufgabe und seinen Bereich. So gibt’s weniger Stress, weil sie nicht vom Regale einräumen, zu Kundenfragen beantworten und zur Kasse hetzen müssen, sondern sich auf eine Arbeit konzentrieren können. Untereinander wurde freundlicher Smalltalk gehalten. Sehr angenehm, sehr gutes Klima.
Wenn ich den Läden in Deutschland den Vorzug gebe und mal nicht im Internet kaufe, sondern den lokalen Handel unterstützen möchte, dann ist dieses Einkaufserlebnis eher ein Graus. Man betritt einen Laden und wird vom Verkäufer schon wie ein Störenfried angesehen. Wie kann man es auch wagen, die Ruhe des Verkäufers zu stören? An der Kasse wird man abgefertigt und man ist froh, wenn man wieder draußen ist. Oder man steht beim Supermarkt an der Kasse: Wenn man zu dem obligatorischen ›Hallo‹ auch angesehen wird, ist das ja schon freundlich. Aber wenn ich in den Staaten an der Kasse stehe, dann gibt es wirklich ein freundliches Lächeln, ein Hallo und eine Frage, wie es mir geht. Smalltalk entsteht super schnell.
Ich muss sagen, ich mag das Umfeld, welches sich die Amerikaner durch ihre Freundlichkeit aufbauen, selbst wenn man es als ›Oberflächlichkeit‹ betrachten kann. Aber Fakt ist, es tut gut, wenn man so leicht mit fremden Personen ins Gespräch kommen kann und sich nicht die deutschen Scheuklappen aufsetzen muss.
The Factory in Franklin, TN
Als Nächstes bin ich zu ›The Factory‹ in Franklin gefahren. Wie es der Name sagt, gibt es in diesem alten Fabrikgebäude einen einzigartigen Einzelhandels- und Unterhaltungskomplex. Dort findet man unterschiedliche Angebote der lokalen Kultur und Handwerkskunst, und ich sage euch, es ist unglaublich hier. Ich liebe diesen Ort. Freie Flächen, Industrial Charme, Rost, Rohre, verfärbte Fenster, Stahl, aber auch Licht, Wärme, Herzblut und moderne Akzente. Mir fehlen die Worte, dieses Fleck auf Erden beschreiben zu können, daher seht euch hier die Bilder an:
Mittagszeit in Franklin
The Factory hat zwar die unglaublich individuellen Handwerksläden, aber für ein gutes Mittagsessen beschränkte es sich auf ein Tacco-Restaurant. Ich habe gehört, das soll sehr gut sein. Aber ich brauchte nichts Mexikanisches, sondern strebte mehr nach einem echten amerikanischen Burger ;-) . Wer es lieber süß mag, der findet in The Factory die Five Daughters Bäckerei, ein Café und ein Eiscafé.
Leider hielt der Regen noch immer an, sodass meine Franklin Bilder eher wie ein trostloses Nest aussehen. Dennoch war der Charme der Kleinstadt zu spüren. Auch entlang der Main Street zog sich das Flair von Individualität weiter, wie ich es in The Factory kennenlernte.
Mein Ziel war jedoch das Puckett’s Grocery Restaurant.
Pucketts Wurzeln reichen bis in die 50er Jahre zurück zu einem kleinen Lebensmittelladen im Dorf Leiper’s Fork, Tennessee (später mehr dazu). Südstaaten Gastfreundschaft gepaart mit leckerem Essen und dazu Live-Musik. Leider gab es in Franklin zu meiner Ankunftszeit gerade keine Musik, aber dafür einen leckeren Classic Burger mit Pommes.
Leiper's Fork
Mit Nashville verbindet man Country-Musik. Auch wenn es mein erster Abend war und mich der Jetlag ins Bett ziehen will, bin ich abends nach Leiper’s Fork aufgebrochen. Wie gesagt, ich bin ein Johnny Cash Fan und mein Herz verlangte nach Country-Musik.
In Leiper’s Fork angekommen, sah ich schon die roten Lichter, die sich um das Dach des Lebensmittelladens Puckett’s Grocery spannten. Ein alter Chevy kam gerade aus der Einfahrt herausgefahren und ich ergatterte noch einen Parkplatz vor den Cooled Ice Containern. Draußen standen ein paar Männer, teils in karierten Hemden, einige mit Cowboyhut. Normalerweise brennt draußen ein großes Lagerfeuer, aber bei dem Regen ließ es sich nicht entzünden.
Drinnen wusste man nicht, ob man in einer Bar oder einem Lebensmittelladen steht. Links der Tür war die kleine Bühne. Die Instrumente waren schon aufgebaut und dahinter hing eine riesige US-Flagge. Vor der Bühne standen Tische in unterschiedlichen Formen und Größen. Die ersten Gäste saßen schon. Rechts der Tür schloss sich die Kasse / Bar / Küche an. Alles in einem. Und ganz hinten standen die Regale des Lebensmittelladens.
Einzigartigkeit.
Ich kann es nicht anders nennen.
Ich setzte mich an die Bar. Ich bin ganz allein hier. Aber das ändert sich schnell, denn mit einem ›How do you do‹ beginnt der Smalltalk so schnell. Ein älterer Mann sprach mich zuerst an. Er war selbst in Deutschland vor ca. 25 Jahren. Kann sich aber an nichts mehr erinnern. Er hätte Alzheimer. Weiß auch nichts mehr, was gestern war. Dazu hatte er noch ein Hörgerät ... aber das funktionierte an diesem Abend nicht. Trotz dieser kommunikativen Schwierigkeiten war er sehr freundlich und Smalltalk war okay.
Ihr müsst euch vorstellen, dass Leiper’s Fork ja nur ein Dorf ist. Touristen kennen den Ort nicht, sodass sich das Lokal meist mit Einheimischen füllt, wo jeder jeden kennt. Egal, wer reinkam, er begrüßte erst einmal seine Nachbarn/Bekannte/Freunde. So hat es nicht lange gedauert, dass mich einer einem anderen und der Andere einer Anderen vorstellte, u.s.w. Herzlichkeit. Gastfreundschaft. Gemeinschaft.
Leiper’s Fork ist wirklich nicht groß, und dennoch unternehmen diese Menschen etwas zusammen. Sie gehen abends raus und sitzen nicht in ihrer familiären Isolation in ihrem Wohnzimmer. Sie treffen sich. Sind zusammen. Und hören dazu Musik vom Feinsten.
Ben, ein Ire, der für sechs Jahre in Garmisch-Partenkirchen lebte, zählte mir all die berühmten Persönlichkeiten auf, die in Leiper’s Fork wohnen. Manche benannte er mit einem Fingerzeig zu einer Person, die mit uns in Pucketts war. Singer, Songwriter, Gitarristen ... in Leiper’s Fork trifft man sie alle. Auf seinem Handy hatte er Bilder von sich und Kid Rock. Das ist Ben. Kariertes Hemd, Vollbart, Cappy, Jeans und Boots. Und er hat für über zwanzig Jahre kein Deutsch gesprochen, und sprach so locker flockig, dass ich mich ›beinah‹ wie zuhause fühlte.
Zwei Acts sind am Abend aufgetreten.
Zuerst stand der 21-Jährige Josiah Siska auf der Bühne. Er hatte es bei American Idol bis in die Hollywood-Runde geschafft. Er hat mich fasziniert, weil er eine Stimme wie Johnny Cash hatte. Wahnsinn. Und dann spielte er auch noch Folsom Prison. Hätte ich die Augen geschlossen, wäre ich überzeugt davon gewesen, Johnny Cash zu hören. Keine Übertreibung.
Nach Josiah Siska stand der bekannte Sänger & Songwriter Justin Waylon Spears mit seinem Freund Cameron Vaught auf der Bühne. Die beiden gehörten zu der Band Raven Cliff.
Während sich Siska, wie er selbst sagte, ein wenig bluesy fühlte, machte Spears extrem viel Stimmung. Wer mal reinhören möchte, kann das sehr gut auf seiner Website: https://www.ravencliffmusic.com/
Die Heimfahrt
Auch wenn ich jetzt meinen Beitrag beenden könnte, gebe ich euch noch einen kurzen Einblick, wie die Heimfahrt war. Regen. Nebel. Straßenführung bergauf und bergab. Briefkästen, die im Dunkeln auf ihren Stelzen wie gebückte Zombies aussahen. Überall immer wieder Lichter von Einfahrten, zu denen kein Haus sichtbar war. Und eine Routennavigation, die mich einen komplett anderen Weg entlang führte, als die Hinfahrt war. Und dazu war die Fahrt auch noch mit 40min angesetzt, während die Hinfahrt nur 20min war. Ich dachte schon, einer in der Bar hätte mein Telefon gehackt und würde mich nun zu seinem Hinterhof leiten, wo ich abgeschlachtet werde.
Ja, ich hätte mit 16 wirklich aufhören müssen, Horrorfilme zu schauen ;-)