Trägt, was die Figuren tun, auch zur Geschichte bei?


Erfahre, wie du deine Figuren besser nach dem handeln lassen kannst, was ihr übergeordnetes Ziel für die Geschichte darstellt.

zuletzt bearbeitet am 30. Nov 2021

veröffentlicht am 28. Feb 2019 von Eva Maria Nielsen

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Was Figuren wollen und wie es ihre Handlung bestimmt

Was Figuren wollen und wie es ihre Handlung bestimmt - Trägt, was die Figuren tun, auch zur Geschichte bei?


Wenn wir eine Szene schreiben und Show, don’t Tell beachten wollen, dann heißt es immer: Gib deinen Figuren etwas zu tun. Lass deine Figuren nicht einfach in vollkommener Leere ihren Dialog heruntersprechen.

Aber gibt es eine Möglichkeit, Figuren etwas zu tun zu geben, das nicht nur ihr Umfeld mit Szenerie füllt, sondern das auch essentiell für das Gefühl der fortschreitenden Handlung ist?

In diesem Beitrag erfährst du, wie du die Tätigkeiten einer Figur nutzen kannst, um sowohl die Handlung der Geschichte voranzutreiben, als auch um die Persönlichkeit der Figuren besser auszudrücken mit dem Fokus darauf, was diese Figuren wollen und brauchen.

 

Übersicht 

 

Wir wissen, dass sich Geschichten um Veränderung drehen.

Veränderung gehört auch in jede Szene deines Romans. Das heißt, eine Szene muss sich von ihrem Beginn zu ihrem Ende wandeln. Etwas, muss sich entweder durch eine neue Information für den Protagonisten oder durch die Aktion einer Figur wandeln.
Aber allein ein Ereignis in einer Szene zu haben, bei dem etwas passiert, reicht nicht aus.

Ein Ereignis der Geschichte ist etwas spezifisches und nichts, das einfach so passiert.

Nach Shawn Coyne ist ein Ereignis in der Geschichte »eine aktive Veränderung des Kernwertes für ein oder mehrere Figuren als Ergebnis eines Konfliktes.« Zusätzlich müssen der Wandel des Wertes und der Konflikt auch spezifisch sein.

Der Wertwandel bezieht sich immer auf die beiden Pole, die durch das Genre vorgegeben sind. Bei einer Actionstory verläuft die Skala zwischen den Werten Leben und Tod, während sich bei einer Liebesgeschichte die Skala zwischen Liebe und Hass erstreckt.

Selbst, wenn du dein Genre auf den Punkt bringst und alle Pflichtszenen und Konventionen des Genres drin hast, kann die Geschichte immer noch schwach sein, wenn die restlichen Szenen sich nicht auf die Werte des gewählten Genres beziehen.

Im Folgenden gehe ich darauf ein, wie du selbst den Konflikt in deinen Szenen bewerten kannst, und wie du sicherstellst, dass das Ereignis der Szene auch zur globalen Geschichte beiträgt.

 

Was ist die essentielle Aktion in der Szene?

(© Story Grid)

1. Was geschieht an der Oberfläche in der Szene? Zuerst musst du wissen, was geschieht buchstäblich in der Szene? Hier betrachtest du das, was an der Oberfläche geschieht. Ganz einfach schreibst du in ein oder zwei Sätzen auf, was du beobachtest, z.B. Unterhaltung über XXX; Schwertkampftraining zwischen X und Y, oder Detektiv findet eine Leiche.

2. Was geschieht unter der Oberfläche in der Szene? Zweitens beantworte die Frage, was unter der Oberfläche geschieht / was geschieht zwischen den Zeilen? Was ist die grundlegende Aktion, was die Figuren in dieser Szene tun?

Was die Perspektivfigur will, stellt die grundlegende Aktion dar.

Du findest heraus, was ihr Ziel ist, indem du das auslösende Ereignis der Szene betrachtest. Etwas geschieht am Anfang der Szene, was den Status quo stört. Dieses Ereignis erweckt ein Verlangen in ein oder mehreren Figuren, aus dem sich das Ziel der Figur bildet, was dessen essentielle Aktion darstellen wird – idealerweise sollte dieses Ziel mit dem Ziel der Figur für die globale Geschichte verbunden sein.

Um die essentielle Aktion auszudrücken, nutzt man eine kurze Satzgruppe mit einem starken Verb, das sowohl Veränderung aufzeigt als auch das einen Bezug auf das globale Objekt des Verlangens der Figur hat.

 

Beispiel: Stirb Langsam 2

Schau dir diese Szene aus dem zweiten Teil von Stirb Langsam an. (Nur 45 Sekunden)

Analyse der Szene:

Was macht John McClane buchstäblich? Er diskutiert mit Captain Lorenzo.

Was macht Captain Lorenzo? Captain Lorenzo wehrt McClanes Anschuldigungen über Major Grant ab.

Was ist die essentielle Aktion von McClane? Er fordert Informationen, um Grant zu stoppen.

Was ist die essentielle Aktion von Captain Lorenzo? Er verteidigt Grant.

 

McClanes essentielle Aktion

John McClane will seine Frau Holly retten. Er will, dass das Flugzeug, in dem sie sich befindet, sicher landet. Das ist sein globales Ziel und sein externes Objekt des Verlangens. Captain Lorenzo zu überzeugen, dass Major Grant sie getäuscht hat, ist somit ein Zwischenziel, das er erreichen muss, um seinem globalen Ziel näherzukommen.

Ist dir zudem aufgefallen, wie sich die Filmszene vom Anfang zum Ende gewandelt hat? John McClane hatte am Anfang wie gegen eine Mauer geredet. Lorenzo wollte seinen Worten nicht glauben. Aber durch McClanes Demonstration (zwar Aktion, aber hier geht es um die Information, dass Major Grant Platzpatronen verwendet hatte) ist es eine Offenbarung für die globale Geschichte (neue Information), welche die Szene wandelt. Für McClane hat es sich von Alleinkämpfer zu Verbündete gewandelt.

Wenn man den Wendepunkt der Szene finden möchte (nicht global), muss man herausfinden, wer der Protagonist ist und welches Ereignis (Aktion oder neue Information) ihn von seinem Pfad abbringt. McClane ist der Protagonist des Films. Der Wendepunkt in dieser Szene ist, wenn Lorenzo McClane festnehmen will. Dieser Moment bringt eine beste schlechteste Wahl für McClane auf (= die Krise). Soll er die Waffe abfeuern, um zu zeigen, dass Platzpatzronen drin sind, und riskieren, dass er dafür erschossen wird? Oder soll er sich festnehmen lassen, aber überleben? (Es ist ein Actionfilm, aber hier seht ihr, wie die Möglichkeit auf Verdammnis ins Spiel kommt.)

John McClanes essentielle Aktion ist es, die unschuldigen Menschenleben retten zu wollen – und das so gut wie möglich, ohne Gewalt anzuwenden. Aber wenn er realisiert, dass es ihm nicht anders gelingt (wie bewiesen in Beispielszene) oder sein eigenes Leben in Gefahr ist, dann setzt er sogar sein eigenes Leben für das höhere Gut auf’s Spiel. Und genau deswegen lieben wir McClane auch. Ein Held, der das Böse stoppen will, damit die Unschuldigen überleben können.

 

Woher kommt der Begriff der essentiellen Aktion?

Essentielle Aktion ist ein Begriff, der aus dem Schauspielunterricht stammt. Das Konzept stammt von David Mamet und William H. Macy, die Schauspielern raten, dass sie eine Szene in das buchstäbliche Geschehen und in die essentielle Aktion herunterbrechen.

Bild mit Theatersaal im Hintergrund. Darüber steht: Um die essentielle Aktion zu beschreiben, sollte man starke Verben verwenden, die ein Schauspieler nutzen könnte, um die Szene zu spielen.Um die essentielle Aktion zu beschreiben, sollte man starke Verben verwenden, die ein Schauspieler nutzen könnte, um zu entscheiden, wie er die Szene spielen könnte.

Beispiele, um die essentielle Aktion auszudrücken, sind z. B.

  • Ich verführe dich.
  • Ich besiege dich.
  • Ich ermutige dich.
  • Ich mach dich sprachlos.
  • Ich erzähle dir eine Geschichte.
  • Ich bitte dich.
  • Ich finde die Wahrheit.
  • Ich verspreche dir etwas.
  • Ich entschuldige mich.
  • Ich brinde dich dazu, dass du XXX tust.
  • Ich vergebe dir.
  • Ich überzeuge dich.
  • Ich erhalte dein Vertrauen.
  • Ich verrate dir etwas.
  • Ich erlöse dich.
  • Ich verrate dich.
  • u.v.m.

 

Autoren sind doch keine Schauspieler!
Oder doch?

Diese Worte, die so wichtig für Schauspieler sind, haben dieselbe Bedeutung für Autoren, die versuchen ihre Figuren stärker darzustellen, um dadurch eine bessere Geschichte zu erzählen.

Wenn du das Verhalten deiner Figuren auf ihr globales Objekt des Verlangens abstimmst, wird das, was sie sagen und tun, künstlerisch auch Sinn machen.

 

Kognitive Dissonanz

Außerdem kannst du so sichergehen, dass deine Figuren glaubhafter erscheinen, da ihre Handlungen sich an dem orientieren, was sie wirklich wollen, und daher nachvollziehbar sind.

Sobald eine Figur etwas tut oder sagt, dass nicht ihrem bewussten Ziel entspricht, merkt der Leser, dass irgendetwas nicht richtig ist. Sie können es vielleicht nicht erklären, aber das Gefühl wird an ihnen nagen und somit dem Leseerlebnis schaden. (= kognitive Dissonanz)

Tipp: Kognitive Dissonanz tritt auf, wenn wir das wahre Leben irrtümlicherweise als Geschichte betrachten und Figuren als echte Menschen darstellen. Ungleich dem echten Menschen, der chaotisch ist und beliebig agiert, muss sich eine Figur in einer Geschichte konsistent verhalten.

Geschichten erhalten Bedeutung, die sich aus der ›Zufälligkeit‹ der Ereignisse aufbaut. An der Oberfläche kann eine Geschichte wie das wahre Leben erscheinen, aber darunter läuft der Motor der essentiellen Aktion, der sowohl den Protagonisten als auch den Antagonisten durch Konflikte zu ihrem Objekt des Verlangens treibt.

 

Intimität zwischen Leser und Figur entwickeln

Als Autor muss man Entscheidungen treffen. Wir können nicht einfach nur das wahre Leben abbilden, sondern wir brauchen Muster und Struktur für unsere Geschichten. Wir erschaffen Konflikte zwischen zwei oder mehreren Figuren, die sie durch ihre essentielle Aktion näher an ihr Ziel bringen sollen, bis wir zum ultimativen Höhepunkt kommen, wo sich etwas verändern muss.

Das macht eine Geschichte aus.

»Die Intimität, die wir mit fiktiven Figuren teilen, ist nur eine Illusion von Intimität. Aber es ist zugleich so eine starke Illusion, dass ... das Buch in unseren Händen verschwindet und wir vollkommen in der fiktiven Welt gefangen sind – als eins mit der Figur.« James Hynes

Und wie schaffen wir diese Art von Intimität? Mit Hilfe von essentieller Aktion.

 

Ein Beispiel, wie du mit Hilfe von essentieller Aktion deine Figuren und das, was sie antreibt, stärker darstellen kannst:

Kennst du NCIS? Ich meine das Original mit Leroy Jethro Gibbs, dem Spezialagenten?

Gibbs spielt den Mentor für sein Team – für DiNozzo, McGee und die wechselnden weiblichen Rollen.

Wenn wir der Serie folgen, finden wir heraus, dass Gibbs seine Familie bei einem Anschlag verloren hat. Er wohnt allein in seinem Haus und fast jedes Mal, wenn wir bei Gibbs zuhause sind, sind wir mit ihm im Keller des Hauses, wo er ein Boot baut. Buchstäblich ist seine Handlung hier, dass er das Holz hobelt, sägt oder hämmert.

Wenn wir Gibbs nur als einen Handwerker betrachten, dann ist seine Handlung zuhause relativ bedeutungslos und lässt Gibbs weiter als die Art Person erscheinen, die eine Mauer um sich aufgezogen hat. Das bloße Handwerken würde die Geschichte also nicht voranbringen.

Hinterfragen wir nun aber, was die essentielle Aktion ist, finden wir heraus, warum Gibbs an seinem Boot arbeitet.

Es ist wichtig zu wissen, dass Gibbs nicht nur irgendwelche Dinge tut, sondern dass er kontinuierlich an einem Projekt arbeitet, von dem man über die einzelnen Episoden als Leser den Fortschritt miterleben kann.

Aber warum arbeitet Gibbs an dem Boot? Auch wenn es hierauf keine klare Antwort gibt, scheint es doch so, dass Gibbs die Boote baut, um die Erlebnisse mit wichtigen Personen seines Lebens emotional zu verarbeiten.

Der Bootsbau wird somit zu einer essentiellen Aktion von Gibbs. Wenn er am Ende die Boote verbrennt, dann ist es die Verarbeitung einer weiteren gescheiterten Ehe. Andere Male, wie z.B. mit dem Boot, das nach seiner Tochter benannt wird, soll das Boot ins Wasser gekommen sein (auch wenn man nie sieht, wie er das Boot aus dem Keller bekommt.)

 

Tipp für dein Schreiben

Manche Autoren glauben, dass ihre Geschichte genau das ist, was sie im ersten Entwurf ›aufgenommen‹ haben. Das Manuskript fühlt sich heilig an und wenn man zu viel darin rumspielt, könnte man den Zauber der Geschichte brechen. Aber diese Angst liegt darin begründet, dass man nicht weiß, wie man die Geschichte auf bedeutungsvolle Art und Weise verbessern kann.

Aber du musst nicht verunsichert sein.

Achte darauf, was deine Figuren bewusst wollen und lass sie dementsprechend handeln.

Behalte diese zwei Fragen im Hinterkopf?

  • Was geschieht buchstäblich in der Szene?
  • Was ist die essentielle Aktion dessen, was die Figuren in der Szene tun?

Triffst du bewusste Entscheidungen darüber, was die essentielle Aktion deiner Figuren in jeder Szene ist, wirst du die Geschichte schreiben, die du in deinem Herzen trägst.

 

Was denkst du über die essentielle Aktion von Figuren? Lass es mich doch gern in den Kommentaren wissen. Danke =)



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Melanie Naumann ist die erste zertifizierte deutsche Story Grid Lektorin. Sie ist die Gründerin von Storyanalyse.de und gab die Leitung von Storyanalyse im Dezember 2021 an die Geschichtenhebamme Eva Maria Nielsen ab. Melanie arbeitet seither vorwiegend mit Songwritern zusammen, um ihnen zu helfen, die Power of Storytelling für ihre Songtexte zu nutzen.

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