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„Du schreibst lustige Bücher, oder?"
Die Frau auf der Buchmesse lächelte erwartungsvoll. Ich stand vor meinem Stand, hielt mein Kinderbuch „Auf Wiedersehen, kleiner Bruder" in der Hand – und musste lachen.
Mein Buch ist ein Hoffnungsbuch, ein wenig Situationskomik hab ich auch, aber richtigen Humor? So wie in einem lustigen Chicklit-Buch konnte ich nicht mit Humor aufwarten, wo jemand ausgerechnet beim Heiratsantrag die Salatsauce über die Knie schüttet oder wenn der neue Nachbar sich als Ex-Therapeut entpuppt – mit Faible für Klangschalen und Bio-Bananen.
Aber einfach so lustig schreiben?
Als wäre Humor ein Knopf, den man drückt – zack, Pointenregen. So ist es leider nicht.
Humor ist beim Schreiben eine der anspruchsvollsten Disziplinen. Es ist leicht, witzig sein zu wollen – aber schwer, wirklich Komik zu erzeugen, die sitzt. Die nicht anbiedert, nicht erzwungen klingt, sondern leicht, fein und zugleich treffend. Und genau deshalb lohnt sich der Blick hinter die Kulissen des humorvollen Schreibens.
Was macht guten Humor aus? Warum ist er so schwer zu fassen – und wie kann man ihn trotzdem gezielt einsetzen?
Darum geht es in diesem Artikel. Und ja: Es darf gelacht werden. Aber vorher wird gearbeitet. Mit Verben. Rhythmus. Beobachtung. Und einer großen Portion Selbstironie.
Humor, der auf andere zielt, kann unterhalten. Humor, der von dir selbst ausgeht, verbindet. Wenn du über deine eigenen Schwächen, Missgeschicke und Denkfehler lachen kannst, lädst du dein Publikum ein, sich selbst entspannter zu sehen. Die Autorin Nancy Warren setzt das mit ihrer Ich-Erzählerin in ihrem Cosy Crime „Der Strickclub der Vampire" wunderbar um. Hier ein Beispiel:
„Aber warum sollte dieser unglaublich attraktive, kultivierte Mann an mir Interesse haben? Ich war das ‚Mädchen von nebenan’ und wurde als Studentin immer nur mit B benotet, während er ein sexy Akademiker war, der wahrscheinlich mit hochintelligenten Supermodells ausging.”
Und hier der Ausschnitt aus einer Chatnachricht:
„Todd der Flop ist wieder Single!!!!” Jenn mochte Ausrufzeichen so sehr wie andere Margaritas oder Schokolade. „Monika soll ihn abserviert haben!!!! Kannst du dir das vorstellen???!!”
Noch ein paar Leerzeichen für meine Antwort. Ja, verdammt. Ich konnte es mir lebhaft vorstellen. Jede Frau mit ein paar funktionierenden Gehirnzellen konnte Todd den Flop durchschauen. Was mich ausschloss. Ich war zwei Jahre mit ihm zusammengeblieben.”
Statt Perfektion präsentierst du Nähe und Menschlichkeit – etwas, das in einer Welt voller Hochglanz-Profile und Expertenmeinungen fast schon revolutionär wirkt.
Was Selbstironie bewirkt: Sie entwaffnet Kritik, sie schafft Vertrauen, sie macht dich glaubwürdig.
Beispiele aus dem Autorenleben:
Tipp: Die Peinlichstolz-Liste
Notiere dir drei peinliche Schreibmomente, auf die du heute fast stolz bist. Warum? Weil du durch sie gelernt hast – und sie potenziell großartige Romanideen liefern. Beispiele: versehentlich ein ganzes Kapitel gelöscht, bei der Lesung den falschen Text vorgelesen, Figurenname vergessen …
Oder:
Stell dir vor, dein innerer Kritiker ist ein schlecht gelaunter Papagei. Gib ihm eine Stimme. Und dann schreib einen Dialog mit ihm – frech, ironisch, übertrieben. Lachen garantiert!
Gute Geschichten leben vom Konflikt. Guter Humor lebt vom Kontrast. Je stärker das Auseinanderklaffen von Erwartung und Realität, desto größer das humorvolle Potenzial.
Kontraste funktionieren auf mehreren Ebenen: zwischen Figur und Handlung (der Detektiv, der keine Spuren sieht), zwischen Ort und Situation (eine Verfolgungsjagd in einer Seniorenresidenz), zwischen Sprache und Inhalt (eine dramatisch formulierte Ode an verlorene Socken) Ich meine: Wer kennt nicht das Probelm der Socken fressenden Waschmaschine?
Goldene Regel: Spiel mit dem Unpassenden.
Beispiele: Eine schüchterne Biologin muss einen Poetry Slam moderieren. Ein Kochbuchautor hasst Gemüse.
Diese Gegensätze laden nicht nur zum Lachen ein – sie machen neugierig, weil sie Klischees aufbrechen.
Übung: Kontrast-Casting
Erstelle eine Figur, die das genaue Gegenteil deiner Vorstellung eines „Helden” ist. Lass sie in einer Szene auftreten – z. B. eine Lesung halten, einen Heiratsantrag machen oder eine Bank überfallen. Beobachte, was passiert.
Viele Schreibende behandeln Sprache wie einen Gebrauchsgegenstand. Funktional, korrekt, effizient. Aber Humor braucht mehr: Sprachfreude. Klang. Spieltrieb. Es darf auch mal albern werden – oder poetisch verschroben.
Was du konkret nutzen kannst: Unerwartete Vergleiche, Wortneuschöpfungen, Rhythmuswechsel, Zweideutigkeiten, Alliteration und Reim – ja, auch in Prosa!
Beispiele:
Er war zuverlässig wie ein WLAN im Zug.
Sein Charme war wie altes Parfum – aufdringlich und längst verflogen.
Übung: Das Murmeltier-Upgrade
Nimm einen langweiligen Satz wie: „Ich bin müde."
Schreibe ihn zehnmal neu – aber jedes Mal auf eine andere, schräge, bildhafte Weise.
Beispiel:
Warum das wichtig ist: Weil originelle Sprache deine Erzählstimme stärkt – und Lacher produziert, ohne Witzchen machen zu müssen.
Die Königsdisziplin des humoristischen Schreibens ist es, Komik aus Handlung entstehen zu lassen. Nicht durch platte Gags, sondern durch nachvollziehbare Missgeschicke, falsche Entscheidungen und menschliche Unvollkommenheit.
Gute Situationskomik zeigt: Deine Figur meint es ernst, handelt aus bestem Wissen – und landet dennoch im Schlamassel.
Beispiel aus einer Cosy-Crime-Szene: Die Ermittlerin schleicht sich nachts durch einen Garten, bleibt mit ihrem Schal im Gartenzwerg hängen, löst dabei eine Lichterkette aus – und wird vom bellenden Dackel der Nachbarin gestellt.
Warum das funktioniert: Weil die Szene lebendig ist. Weil Lesenden die Peinlichkeit nachempfinden können. Und weil es eben nicht „drüber”, sondern liebevoll überzeichnet ist.
Figurendynamik als Komikquelle
Auch zwischen Figuren entstehen lustige Momente – besonders, wenn sie sehr unterschiedlich ticken. Ein methodischer Planer trifft auf eine chaotische Bauchmenschin? Das schreit nach Komik.
Schreib eine Szene, in der zwei Figuren gemeinsam ein Möbelstück aufbauen – aber die Anleitung ist nur auf Finnisch. Beobachte, wie der Konflikt, das Missverständnis und die Wortwechsel Komik erzeugen.
Wenn Sprache Musik ist, dann ist Humor der Jazz. Timing ist der Takt. Und gute Pointen brauchen Raum. Zu früh – und sie verpufft. Zu spät – und niemand hört mehr zu.
Wie erzeugst du gutes Timing beim Schreiben? Mach Pausen: Lass den Gag atmen. Nutze Absätze und Ein-Satz-Abschnitte. Überrasch den Rhythmus: Beginne normal – und lass den letzten Satz kippen. Weniger ist mehr: Ein gut gesetzter Satz kann mehr Wirkung haben als zehn lahme Witzversuche.
Beispiel:
Diese Art von Humor ist wie eine verbale Stolperfalle: elegant platziert, leise – aber wirkungsvoll.
Übung:
Nimm eine Szene, in der nichts passiert – z. B. beim Warten an der Bushaltestelle. Füge drei überraschende Elemente ein: ein sprechender Papagei, eine verlorene Socke und ein Ex-Freund mit neuer Frisur. Wie veränderst du Rhythmus, Pausen, Satzlänge – damit das komisch wirkt?
Humor braucht Haltung – keine Show. Manche Gags wirken bemüht, weil sie nur ein Ziel haben: zu gefallen. Aber echter Humor – auch im Schreiben – entsteht nicht aus dem Wunsch, witzig zu sein, sondern aus dem Wunsch, ehrlich, menschlich und berührbar zu sein. Gerade in schwierigen Themen kann ein gut gesetzter humorvoller Moment eine ganze Szene tragen – oder retten.
„Ich wollte nicht weinen. Aber mein Kaffeebecher sah mich an wie ein Therapeut – und da war's passiert.”
Lustige Texte sind keine „leichte” Kost. Sie sind das Ergebnis von sorgfältiger Beobachtung, präziser Sprache, Mut zur Unvollkommenheit und der Fähigkeit, aus dem Alltag das Absurde herauszulesen.
Ob du Cosy Crime schreibst, Fantasy mit schrägen Nebenfiguren, realistische Romane mit feinem Sprachwitz oder Kinderbücher mit tierischer Komik – Humor kann dein Werkzeug sein, um deine Lesenden nicht nur zum Lachen zu bringen, sondern zum Bleiben.
Schreibspiel: Operation Komik
Lies die Szene jemandem vor, der nichts vom Projekt weiß. Frag: „Wo musstest du grinsen?” – Das ist dein Gold.
Wenn du dranbleiben willst, schnapp dir einen Schreibblock und notiere täglich: Einen absurden Moment, einen gelungenen Vergleich, einen Satz, bei dem du selbst grinsen musstest.
So wird dein Humor nicht kalkuliert, sondern gelebter Teil deiner Sprache.
Und wenn du wieder mal an deinem Text sitzt, verzweifelst, plotst, feilst – denk dran: Der Humor ist oft schon da. Du musst ihn nur einladen, mit dir zu schreiben.