So schreibst du Szenen, die deinem Leser den Atem rauben


4 Fragen, die deinen Szenen neues Leben einhauchen

Normalerweise wissen wir, warum wir eine Szene schreiben wollen. Aber wenn wir sie aus der Sicht eines Lesers betrachten, der die Szene ja lesen soll, eröffnet sich uns eine neue Perspektive. Wenn wir unsere Geschichte schreiben, konzentrieren wir uns einfach auf das Erzählen, es geht um die Figuren, die Handlung, die Spannung und so vieles mehr. Im ersten Guss konzentrieren wir Autoren uns auf das Erzählen der Geschichte und nicht auf die Finessen des Schreibhandwerks. Dialoge können später noch überarbeitet werden. Narrative Passagen szenisch gestaltet usw. Wenn wir unseren Text zum ersten Mal lesen, werden wir daran erinnert: Lesen ist eine andere Erfahrung ist als Schreiben.

1. Was passiert in dieser Szene?

Diese Frage hilft dir, die Handlung zu bestimmen. Du darfst dich darauf konzentrieren, was deine Figur tatsächlich tut. Wenn deine Antwort lautet: 

„Mary Donaldson überlegt, wie sehr sich ihr Leben verändert hat, seit sie Kronprinz Frederik kennengelernt hat“, ist das ein Hinweis, dass die Szene kein Ziel verfolgt. Denn Mary Donaldson denkt, sie handelt nicht. Wenn es aber eher heißt: „Mary Donaldson erzählt ihrer Freundin, wie sehr sich ihr Leben verändert hat, seit sie Kronprinz Frederik kennengelernt hat“, dann siehst du förmlich, dass die Figur etwas tut.

Was dir wieder einmal helfen kann, sind die Verben. Achte bei deiner Antwort auf die Verben, die du verwendest. Rennt deine Figur, jagt sie, sucht sie, weint sie, oder denkt sie nach, grübelt sie, überlegt sie, debattiert sie? Wenn die Verben, mit denen du die Handlung der Szene beschreibst, in irgendeiner Weise im Kopf der Figur sind, passiert in der Szene wahrscheinlich nichts. Handelt es sich bei den Verben jedoch um äußere Handlungen, dann ist wahrscheinlich tatsächlich etwas los. Und dann hast du es gut gemacht. 

Besondere Verben: Reden ist ein Aktionsverb. Trotzdem passiert nicht immer etwas, wenn zwei Leute sich unterhalten. Achte besonders auf die nächsten drei Fragen, wenn deine Szene auf Reden basiert.

2. Was lernen oder entdecken die Leser in dieser Szene?

So lässt sich feststellen, ob es einen Grund gibt, warum die Szene im Buch steht. Wenn er dort nichts Neues erfährt, gibt es wahrscheinlich auch nichts, was das Interesse deines Lesers wecken könnte. Jede Szene sollte etwas Neues enthüllen, sei es eine Eigenart der Figur oder ein erschütterndes Geheimnis. Versuche die Enthüllungen zu variieren. Gib deinem Leser eine Vielfalt von Eindrücken, z.B. kann er neue Seiten an den Figuren entdecken (Hannes ist sarkastisch, wenn er wütend ist). Oder du legst Hinweise auf kommende Konflikte (Klara ist allergisch gegen Erdnüsse). Du kannst auch Twists einbauen oder Handlungselemente (Marc hat gelogen, was seine Frau angeht).

Es gibt hier keine perfekte Mischung, aber die Vielfalt macht es spannend. Bring mindestens ein Detail in die Handlung ein, um die Geschichte voranzubringen, und gleiche den Rest je nach Schwerpunkt der Szene aus. Handelt es sich um eine Szene, in der sich die Charaktere entwickeln? Oder um eine Szene, die die Handlung vorantreibt? Ist dies eine Szene, in der die Handlung aufgebaut wird? 

Achte bei deiner Antwort auf die Art der entdeckten Dinge. Handelt es sich um Eigenschaften oder Informationen über die Figur und ihre Vergangenheit? Oder treiben die Informationen die Handlung voran? Wenn du feststellst, dass du dich schwerpunktmäßig oft in einem Bereich bewegst, kann es sein, dass du zu viel Hintergrundgeschichte, Infodumping oder Exposition in deinen Szenen hast.

3. Worüber machen sich deine Leser in dieser Szene Gedanken und was macht ihnen Sorge?

So kannst du feststellen, ob es genügend Konflikte oder einen Aufhänger gibt, um das Interesse der Leser zu wecken. Wenn es nichts gibt, worüber sie sich Sorgen machen müssen, ist das ein wichtiger Hinweis darauf, dass für den Protagonist nichts auf dem Spiel steht und er oder sie keine Konsequenzen zu befürchten hat. Wenn es nichts gibt, worüber der Leser sich wundern könnte, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es keine baumelnde Karotte gibt, die ihn zum Weiterlesen verleitet.

Ein Mangel an Konflikten ist ein häufiges Problem im ersten Entwurf. Oft gibt es keinen Grund zur Sorge, weil der Leser weiß, dass der Protagonist die Szene unbeschadet übersteht. Das ist ein Warnsignal dafür, dass der Szene ein Ziel, ein Konflikt, ein Einsatz oder alle drei fehlen.

Achte bei deiner Antwort darauf, wie genau die Details sind. Vage Antworten deuten auf einen vagen Konflikt oder Einsatz hin, der nicht stark genug ist, um deinen Leser so zu beunruhigen, so dass er nägelkauend weiter schmökert und die Nacht zum Tag macht. 

Bob kommt nicht zum Auto kommt klingt als Szenenüberschrift nicht sehr überzeugend. Warum sollte es mich interessieren, ob Bob es zum Auto schafft? Aber hier geht es schon viel mehr zur Sache: Signe verfolgt zusammen mit Bob den Dieb, der sein Auto gestohlen hat, weil im Auto lebenswichtige Medikamente für Bobs Kind sind.  Das wird dein Leser sich auf vielfacher Ebene fürchten und sich um Bob, das Kind usw. sorgen. Werden sie den Dieb einholen? Bekommen sie die Medikamente zurück? Wird das Kind Schaden tragen? Was passiert mit dem Dieb? Und ach ja, ich wüsste auch noch gern, ob sich da was anbahnt zwischen Bob und Signe. Viele offen Fragen sorgen für geballte Spannung. 

4. Was bringt deinen Leser dazu, die nächste Szene zu lesen?

Wenn du darauf antworten kannst, weißt du, wohin die Szene führt, was ihr Ziel ist. Wenn das, was passiert, dem Leser keinen Grund liefert, die nächste Szene zu lesen, ist klar, dass die Handlung sich nur auf die vorhergehende Szene bezog und somit „episodisch“ ist. Und so läufst du Gefahr, zu viele Erklärungsszenen aneinander zu reihen. Die Szene mag für sich genommen interessant sein, sicher hast du etwas szenisch oder dialogisch wunderbar eingefangen und du liebst gerade diesen poetischen Satz aus dem Mund deiner Protagonistin. ABER wenn du mutig bist und die Szene streichst, geht nichts verloren und die nächste Szene würde genauso ablaufen.

Auch wenn nicht jede Szene von der vorherigen Szene abhängt, solltest du doch ein Gefühl für die Eigendynamik der Geschichte haben. Wenn die Leser das Buch am Ende einer Szene leicht zur Seite legen können, ist das wahrscheinlich eine Stelle, an der die Geschichte ins Stocken gerät oder sich verlangsamt. Da musst du Andeutungen machen, Fragen offen lassen, damit die Leser wissen wollen, wie es weitergeht.

Achte in deiner Antwort auf die offenen Fragen und die Folgen der Handlungen in dieser Szene. Sind deine Antworten recht vage, ist das ein Indiz dafür, dass du deinen Leser kaum fesseln wirst. Sorge auch dafür, dass auf vorhersehbare Ereignisse auch unvorhersehbare folgen. Damit schaffst du tolle Twists.

Um zu sehen, ob Irene es lebend aus dem Land schafft, wird die Leser wahrscheinlich nicht zum Weiterlesen bewegt, weil Irene wohl nicht sterben wird. Aber um zu sehen, ob Irene es mit den brisanten Informationen, die sie aus dem Land schmuggeln soll, es über die Grenze schafft, obwohl die Grenzpolizei sie verfolgt, da wirst du die Leser wahrscheinlich dazu bringen, umzublättern. Die Antwort könnte nein sein.

 

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