Die 6 Todsünden, die du nicht machen solltest, wenn du dein 1. Kapitel schreibst …


Vermeide diese 6 Todsünden im 1. Kapitels …

Der Anfang macht die Musik und es ist egal, wie gut dein Plot ist und wie ausgearbeitet deine Figuren, wenn das erste Kapitel, ja, sogar die ersten Seiten nicht gelingen, scheitert der beste Roman. Warum? Die meisten Leserinnen und Leser werden sich nicht durch einen seitenlangen Wörterwald quälen, nur um zur Lichtung, dem  guten Teil deiner Geschichte, zu gelangen. Hier verrate ich dir die sechs Todsünden, die du gerade im ersten Kapitel nicht begehen solltest. Vermeide sie aber auch gern später. 

Vermeide schleichende, langatmige und langsame Anfänge

Damit meine ich, dass das Manuskript mit banalen, langweiligen Dingen anfängt. Man beschreibt das alltägliche Leben, lässt den Protagonisten aufwachen, frühstücken … der Autor verzettelt sich in einer einfachen Beschreibung des täglichen Lebens des Protagonisten.Zwar ist es in der Regel gut, das Leben des Protagonisten zu zeigen, "wie es war", bevor das große Problem der Geschichte auftaucht. Achte aber trotzdem darauf, dass du nicht die belanglosen und falschen Aspekte zeigst.

Tipp: 

Schau dir das Leben deines Protagonisten an. Finde etwas, das sowohl den Konflikt als auch das Leben des Protagonisten zeigt. Selbst ein ganz normaler Tag kann einen Moment enthalten, in dem der Protagonist etwas will und jemand ihn daran hindert, selbst wenn es nur der letzte Donut in der Packung ist. Suche nach Momenten (oder schaffe sie, du bist schließlich der Autor und damit der Gott, der diese Geschichte und ihre Welt schafft!), in denen:

  • dein Protagonist versucht, etwas zu erreichen oder zu vollenden, was für ihn wichtig ist;
  • erzeigt einen Charakterzug, der später in der Geschichte wichtig oder notwendig sein wird;
  • das Problem, um das es geht, ist interessant und macht den Leser neugierig auf das, was passiert.

Bau gern Fragen in die Geschichte ein. Dann will der Leser Antworten und liest weiter.  Stell Fragen, die sich konkret um den Konflikt drehen. Also nicht einfach: „Was zum Teufel ist hier los?“

Wenn der Leser verwirrt ist, wird er nicht gefesselt. Fragen müssen konkrete Details enthalten. „Warum stiehlt das Mädchen Hühner?“ „Was machen sie auf dieser Raumstation?“ „Warum ist dieser Hobbit so besessen von Schmuck?“

 

Versuch nicht zu glänzen

Schreib bitte nicht literarisch, wenn du einen Unterhaltungsroman schreiben willst und verbiege deine Sprache. Immer wieder treffe ich auf Autoren, die ein Manuskript vorlegen, das ausgefallen klingen soll, aber wo der Wortlaut nur die Handlung abbremst und blockiert.  Diese Autoren wollen zeigen, dass sie wissen, wie man schreibt. Das erwarte ich auch von Autoren. Aber ich erwarte auch, dass sie mich in ihre Geschichte entführen. 

Gute Texte haben einen Tarnmantel, sie sind fast immer unsichtbar. Die Leser werden in die Geschichte hineingezogen, und nur die wirklich wunderbaren Zeilen springen heraus und werden zu Dingen, an die sie sich erinnern. Stell dir das vor wie großartige Zeilen aus einem Film, die Schlagworte, die dir noch im Gedächtnis bleiben, wenn der Film schon längst verblasst ist.

Konzentriere dich nicht so sehr auf die Beschreibung. Nicht alles muss gestelzt klingen oder metaphorisch sein. Gute Texte haben einen Rhythmus und eine Eleganz, die mehr ist als viele schöne Worte. Entdecke deine Satzmelodie, indem du dir die Seiten laut vorliest. Fließt die Sprache? Strömt sie wie ein Fluss?

Lies als Nächstes die Seiten deines Lieblingsbuchs laut und hör den Unterschied.

Schau dir diese Lieblingsseiten genau an und untersuche, wie der Autor diese Wörter zusammengesetzt hat und was sie auf verschiedenen Ebenen bewirken. Es geht nicht nur um die Worte, sondern auch um die Geschichte, die Figuren und die darunter liegenden Gefühle.

 

Verpulvere nicht alle Informationen 

Man sieht nicht die Spitze des Eisbergs, sondern alles, was unten drunter liegt … die Geschichte konzentriert sich auf etwas, das die Leute einfach nicht wissen wollen. Wenn dein Manuskript übermäßig viel über etwas Ekliges oder Persönliches berichtet (brauchst du wirklich eine Toilettenszene?), streich es. Schau dir deine Szene an und überlege:

  • Warum hast du  diese Szene für den Anfang gewählt?
  • Was willst du damit zeigen? Was willst du?
  • Welches Gefühl oder welchen Gedanken sollte der Leser mitnehmen?

Überlege, ob du eine andere Szene schreiben kannst, in der all das vorkommt, ohne dass du die Dinge beschreibst, die besser ungesagt bleiben.

 

Entferne alle Klischees

Nichts ist so gähnend langweilig, wie ein Manuskript voller Klischees und fadenscheiniger Formulierungen. Hier kann ich dich trösten: Wenn Klischees Teil des Textes sind, dann können sie den Gnadentod bei der Überarbeitung und im stilistischen Lektorat erleiden. Aber wenn das Klischee die eigentliche Einleitung ist, dann ist das schon etwas mehr Arbeit. Wie erkennst du klischeehafte Anfänge? Einige der häufigsten Klischees sind:

  • Jemand wacht am Morgen auf.
  • Jemand schaut in den Spiegel und beschreibt sich selbst.
  • Jemand erhält eine Nachricht, sei es ein Telefonanruf, ein Brief oder die Ankunft einer geheimnisvollen Person mit Informationen.
  • Jemand geht auf eine Reise.
  • Jemand schreibt in ein Tagebuch, um zu erzählen, was passiert ist.
  • Jemand, der sich in einer schlimmen Situation befindet, ohne dass er weiß, was los ist.

Oft sind solche Eröffnungen nur das literarische Räuspern des Autors, der sich erst warm schreiben muss. Ein paar Seiten weiter findet der Leser dann den eigentlichen Anfang der Geschichte. 

Lies bis zum Punkt, wo wirklich etwas den Weg Ihres Protagonisten ändert und etwas passiert. Wahrscheinlich ist das der Punkt, an dem du anfangen solltest. Oft kannst du dort beginnen und den Rest weglassen.

 

Verliere nicht den Fokus

Das Manuskript schweift ab und die Leser fragen sich, worum es eigentlich geht.

Je nachdem, was das Problem ist, kann es ein wenig dauern, bis man es in den Griff bekommt. Die häufigsten Gründe sind: 

Du weißt nicht, was das Ziel deines Protagonisten ist. Wenn du dir nicht sicher bist, was der Protagonist in der Szene erreichen will, gerät die Szene ins Stocken. Sie  erscheint dann sinnlos (weil sie aus struktureller Sicht tatsächlich sinnlos ist). Überlege dir, was ein Protagonist erreichen will. Dann kannst du deinen Text so ändern, dass das Ziel klar ist und die Handlung eines Protagonisten in irgendeiner Weise darauf abzielt, dieses Ziel zu erreichen.

Es gibt zu viele Dinge, die dein Protagonist will: Wenn du versuchst, alle Ziele und Nebenhandlungen das erste Kapitel zu packen, wird der Leser in der Regel überfordert, der Text wirkt zerstreut und unkonzentriert. Wähle ein Ziel aus, das den besten Aufhänger bietet. Der Rest kann sich im Laufe der Geschichte entfalten. Die Leser wollen das Dessert löffelweise essen und nicht den ganzen Eisbecher auf einmal in sich hineinstopfen. (Ugh, Hirnfrost)

Oder du versuchst zu zeigen, was alle wollen: Dein Protagonist hat ein klares Ziel, aber das gilt auch für den Antagonisten, den Bösewicht und die drei Nebenfiguren. Es ist zwar gut, für jeden einen Handlungsbogen zu haben, aber wenn man sie alle auf einmal sieht, ist es für den Leser schwer zu erkennen, wer die Hauptfigur ist und wem er die Daumen drücken soll. Zeig also das Ziel des Protagonisten, und lass die anderen Ziele erst dann auftauchen, wenn der Leser gefesselt ist.

 

Bleib realistisch in der Innensicht

Was im Kopf des Protagonisten vorgeht, stimmt nicht mit dem überein, was in der Geschichte vor sich geht.

Dies ist in der Regel ein Problem des Blickwinkels (POV). Wenn du um dein Leben rennst, bemerkst du, welche Farbe die Vorhänge haben, es sei denn, du willst sie zur Flucht zu benutzen.

Schauen dir deine POV-Figur an. Was passiert in der Szene? Was würde jemand in dieser Situation denken? Innere Monologe oder die Innensicht des POV ist kein Freifahrtschein, damit sie alles um sich herum beschreiben. Sie ist ein Mittel, um den Leser wissen zu lassen, wer deine POV-Figur ist und wie sie denkt.

Wenn du trotzdem die Vorhänge zeigen willst, dann beschreibe sie so, dass es für die Szene glaubwürdig ist. Lass die POV-Figur die Vorhänge betrachten und darüber nachdenken, wie sie sie benutzen kann, um sich aus dem Fenster zu schwingen. Zeig die antiken Holzschnitzereien, denn sie bieten Halt, um zu klettern. Füge die Details so ein, dass sie für den Gemütszustand der POV-Figur und die jeweilige Szene relevant sind.

 

Wenn deinem Leser der Anfang nicht gefällt, sind die Chancen, dass er zur Mitte deiner Geschichte weiter liest, gering. Wenn einem Agenten dein Anfang nicht gefällt, sind die Chancen, eine Anfrage zu erhalten, noch geringer. Also, sorg einfach dafür, dass dein Anfang so gut wie möglich ist. Ich freue mich auf deine mitreißenden Geschichten. Und wenn du mehr über gute Kapitelanfänge lesen möchtest, gibt es hier noch einen spannenden Artikel. 

 

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Inspiration zu diesem Artikel habe ich bei Janice Hardy gefunden.