Startschwierigkeiten überwinden:  Die 5 häufigsten Fehler bei Buchanfängen


Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, hat schon Hermann Hesse gesagt, und das stimmt. Doch wie bekommen wir diesen Zauber, diese Magie in den Anfang unserer Geschichte? Wie schreiben wir, dass die Lesenden sich in die fiktive Welt entführen lassen, bis die Suppe überkocht und das Badewasser kalt wird und ihnen nachts der E-Reader aus der Hand fällt?

Die 5 häufigsten Fehler bei Buchanfängen

Kennst du das? Du kuschelst dich aufs Sofa und öffnest ein neu erworbenes Buch. Der Titel ist so spannend, er bringt in dir was zum Klingen, auch Cover und Klappentext sind fesselnd. Du freust dich auf eine gute Lesestunde – und dann klappst du schon nach kurzer Zeit genervt das Buch zu. Der Anfang ist so schleppend, so dröge, dass du dann doch lieber was anders liest oder joggen gehst. Das ist der Alptraum jedes Autors, und darum schreiben wir unsere Anfänge sehr oft um. 

Damit du gerade das nicht machst, solltest du jetzt weiterlesen. 

Der Anfang eines Romans muss verschiedene Forderungen erfüllen.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, hat schon Hermann Hesse gesagt, und das stimmt. Doch wie bekommen wir diesen Zauber, diese Magie in den Anfang unserer Geschichte? Wie schreiben wir so, dass die Lesenden sich in die fiktive Welt entführen lassen, bis die Suppe überkocht und das Badewasser kalt wird und ihnen nachts der E-Reader aus der Hand fällt?

Das Wie musst du selbst umsetzen, aber ich kann dir zumindest sagen, was die häufigsten Fehler sind. Wenn du die umschiffst, wie der Kapitän die gefährlichen Riffe, dann bist du dem Hafen schon viel näher. 

Der Anfang eines Romans muss verschiedene Anforderungen erfüllen. Er muss die Hauptfigur und die Charaktere einführen, die Welt und die Geschichte aufbauen und die Handlung in Gang bringen, während er die Leserinnen und Leser fesselt und sie dazu bringt, weiterzublättern. 

Bei all dem Aufbau und der Einführung ist es kein Wunder, dass ein erster Entwurf oft die falsche Anfangsszene hat oder zu lange braucht, um in Gang zu kommen.

 

1. Du fängst an der falschen Stelle an

Einer der häufigsten Fehler bei Buchanfängen (aber auch Kapitelanfängen!) ist, dass die Geschichte an der falschen Stelle beginnt. Leicht tappt man als Autor oder Autorin in die Falle eines unnötigen Vorspanns, oder die Lesenden werden ohne den richtigen Kontext mitten in die Handlung gestürzt. Beides ist schwierig.

Wir müssen den Spagat schaffen zwischen einer Einleitung, die den Leserinnen und Lesern Orientierung gibt, und dem direkten Einstieg in die Geschichte. 

Überlege dir, ob deine Anfangsszenen den Protagonisten oder die Protagonistin einführen, den Schauplatz festlegen und die Bühne für den zentralen Konflikt bereiten. Wenn nicht, überprüfe noch einmal, wo deine Geschichte wirklich beginnt und passe sie entsprechend an.

Oft fällt es Autoren – oft Bauchschreibern - schwer, den Anfang zu schreiben, wenn sie nicht wissen, wie sich die Geschichte entwickelt, bis sie sie schreiben. Was wie der richtige Anfang aussieht, entpuppt sich als allgemeines Räuspern und Aufwärmen. Der eigentliche Anfang ist entweder erst nach mehreren Kapiteln, oder wir brauchten mehr Anlaufzeit, um dorthin zu kommen.

 Anfänge, die zu früh beginnen: 

Achte auf Szenen, in denen deine Figur viele normale Alltagsroutinen durchläuft, ohne ein Ziel, einen Konflikt oder ein Problem zu haben.

 Anfänge, die zu spät beginnen: 

Achte auf viel Action und Figuren, die sich in einer misslichen Lage befinden, ohne einen klaren Grund, ein Gefühl dafür, wer sie sind, oder einen Kontext für das, was vor sich geht. Der Leser muss sich erst emotional an deine Figuren binden, ehe er sich um sie sorgt und auf sie einlässt.

 

2. Du investierst zu viel (oder zu wenig) in den Aufbau

Das richtige Maß an Einleitung ist entscheidend, um die Lesenden zu fesseln, ohne sie mit unnötigen Informationen zu überfordern. Anfänge mit vielen Informationen und Hintergrundgeschichten verzögern die Erzählung. Dies passiert oft in Fantasygeschichten oder historischen Schmökern, weil die Autoren dort den Lesenden eine unbekannte Welt vorstellen wollen. 

Aber auch eine zu dürftige Darstellung verwirrt die Lesenden. Achte darauf, dass du gerade so viel Kontext lieferst, um die Lesenden zu fesseln und gleichzeitig Raum für Neugierde und Überraschungen oder Entdeckungen lässt, während sich die Geschichte entfaltet. Finde ein Gleichgewicht zwischen der Enthüllung wichtiger Details und dem Zurückhalten von Informationen, um die Spannung und den Schwung aufrechtzuerhalten.

Wenn du dieses Maß findest, weckst du automatisch die Neugier der Leserinnen und Leser, führst sie in die Szene ein und gibt ihnen gerade genug Informationen, um zu verstehen, was vor sich geht, ohne die Geheimnisse zu verraten. Die entscheidenden Elemente sind da - eine interessante Person mit einem interessanten Problem, die etwas Interessantes tut.

 

Anfänge mit zu viel Aufbau: 

Achte auf Szenen voller Infodumps, Hintergrundgeschichten und zu viel Aufbau, um die Lesenden auf den Beginn der Geschichte „vorzubereiten“.

Anfänge mit zu wenig Vorbereitung: 

Achte auf verwirrende Szenen, die nicht genug Informationen enthalten, damit die Lesenden verstehen, was passiert und warum es wichtig ist.

 

3. Du hast vergessen, für Fragen zur Geschichte zu sorgen.

Überzeugende Anfänge wecken die Neugier und werfen Fragen auf, die die Lesenden dazu bringen, umzublättern und umzublättern und umzublättern … sprich weiterzulesen. 

Wenn deine Anfangsszene nicht fesselnd ist oder keinen klaren Erzählstrang vorgeben, solltest du sie überarbeiten und mit geheimnisvollen Elementen und Konflikten versehen. Führe fesselnde Charaktere, verblüffende Situationen oder rätselhafte Dilemmas ein, die die Lesenden tiefer in die Welt der Geschichte locken. Mach dir Zweideutigkeiten zu eigen und hinterlasse Spuren, die Fragen aufwerfen,  um die Lesenden zu verlocken, Antworten auf die Fragen zu finden, die vor ihnen liegen.

Eine Frage in der Geschichte sorgt dafür, dass die Leserinnen und Leser mehr wissen wollen - ein faszinierendes Problem, eine fesselnde Figur, eine bizarre Situation oder vielleicht eine wörtliche Frage, wie die fantastische Anfangszeile aus Wilbur und Charlotte von E.B. White: „Wohin geht Papa mit dieser Axt?“ Mal ehrlich – darauf wüsste ich auch gern eine Antwort, und ich bin sofort mitten im Geschehen. 

Anfänge, die alles erklären

Suche nach Szenen, die alles erklären und keine Geheimnisse verschweigen. In solchen Anfängen gibt es oft viel zu erzählen, Infodumps oder Hintergrundgeschichten, weil der Schwerpunkt darauf liegt, zu erklären, wie die Dinge funktionieren, und nicht darauf, das Geheimnis zu lüften, was gerade vor sich geht. Es passieren zwar Dinge, aber nichts, was die Lesenden neugierig macht oder sie so interessiert, dass sie wissen wollen, wie es ausgeht.

 

4. Du hast einen unklaren oder reaktiven Protagonisten.

Ein unklarer oder passiver Protagonist kann deines Anfangszaubers untergraben und die Lesenden ohne einen fesselnden Anker, der sie durch die Geschichte führt, zurücklassen. Achte darauf, dass dein Protagonist oder deine Protagonistin handelt, klare Beweggründe hat und ein persönliches Interesse an den Ereignissen hat. Was will deine Figur? 

Die Leserinnen und Leser sollten sich die Kämpfe deiner Figur einfühlen und sie bei der Bewältigung anfeuern. Vermeide mehrere Sichtweisen, die den Fokus verwässern, oder Protagonisten, die nur auf äußere Reize reagieren, ohne die Handlung voranzutreiben.

Verwirrende oder schleppende Anfänge sind oft das Ergebnis eines unklaren oder reaktiven Protagonisten. Die Leserinnen und Leser haben keinen Leitfaden für die Geschichte und lesen daher viele Szenen ohne Zusammenhang oder Sinn.

Anfänge mit einer unklaren Figur: 

Achte auf mehrere Perspektiven mit Figuren, die alle mit einem Problem zu kämpfen haben. Sticht keine Person als Hauptfigur hervor? Oder ein Konflikt? Wenn nicht klar ist, worum es geht oder wer das Problem hat, können die Lesenden nicht erkennen, was sie lesen oder über wen sie lesen. Und sie werden sich deshalb nicht emotional an deine Figur binden.

Anfänge mit einem reaktiven Protagonisten: 

Achte auf einen Protagonisten, der von den Ereignissen mitgerissen wird und nie eine Entscheidung trifft, was er tun soll. Oft hat diese Figur kein persönliches Interesse an der Handlung, sondern wird nur zufällig in die Geschehnisse verwickelt. Da niemand aktiv etwas tut, gibt es auch keinen Helden. Oder eine Heldin.

 

5. Deine Struktur ist unausgewogen.

Die strukturelle Balance eines Anfangs ist ein solides Fundament für den Rest der Erzählung. Anfänge, die sich zu lange hinziehen oder überstürzt beginnen, stören das Tempo und den Zusammenhalt der Geschichte. 

Überprüfe, ob die Ereignisse am Anfang mit der allgemeinen Struktur und dem Ziel deines Romans übereinstimmen, und ob sie die Grundlage für die weiteren Entwicklungen bilden, ohne dass der Leser das Gefühl für den Erzählfluss verliert. Achte auf das Tempo, den Rhythmus und den Fluss deines Anfangs und passe ihn bei Bedarf an, um ein harmonisches Gleichgewicht zu erreichen, das die Geschichte vorantreibt.

Manchmal funktionieren unsere Anfänge im Großen und Ganzen, aber sie fühlen sich entweder zu langsam oder zu schnell für die Gesamtstruktur des Romans an. Das ist etwas anderes, als wenn du an der falschen Stelle anfängst, denn die richtigen Teile sind vorhanden, sie sind nur nicht aufeinander abgestimmt und bringen das Tempo des Romans durcheinander. Hier habe ich noch mehr Tipps für dich. 

Anfänge, die spät enden: 

Achte auf traditionelle Anfangsereignisse (einleitendes Ereignis, Problem des ersten Akts, erster Handlungspunkt usw.), die nach der 30%-Marke des Romans enden (gemessen an der Seitenzahl). Das ist ein guter Hinweis darauf, dass es zu viele unzusammenhängende Informationen im vorderen Teil des Romans gibt. Vielleicht gibt es zu viele Hintergrundgeschichten oder Szenen, die die Handlung nicht vorantreiben, oder sogar zu viele gleiche Szenen, die der Geschichte nicht dienlich sind.

Anfänge, die früh enden: 

Achte auf traditionelle Anfangsereignisse (einleitendes Ereignis, Problem im ersten Akt, erster Handlungspunkt usw.), die vor der 20 %-Marke des Romans enden (gemessen an der Seitenzahl). Die Chancen stehen gut, dass die Geschichte nicht gut genug aufgebaut ist und zu schnell beginnt. Es ist üblich, dass das auslösende Ereignis in der Eröffnungsszene zu früh beginnt.

Um einen Anfang zu korrigieren, müssen wir uns in vielen Fällen nur das Ende ansehen. Wenn wir wissen, wie die Geschichte endet, ist es klarer, wo und wie sie beginnen muss.

Mach dir also nicht zu viel Stress, wenn dein Anfang im ersten Entwurf ein bisschen schief ist. Du kannst ihn immer noch überarbeiten und sicherstellen, dass er die Lesenden packt und sie in die Geschichte zieht. HIer erfährst du mehr über die Mathematik des Schreibens

ÜBUNG FÜR DICH: 

Nimm dir fünf Minuten Zeit und überprüfe deinen Anfang. Machst du einen der hier erwähnten Fehler? Wenn ja, überlege dir, wie du sie beheben kannst. Wenn nicht (Glückwunsch!), dann nimm dir vielleicht noch ein paar Minuten Zeit und überlege dir, wie du deinen Anfang noch besser machen kannst. 

 

Eva Maria Nielsen ist Story-Grid-Lektorin, Autorencoach und gehört zum Team des Bookerfly Clubs. Wenn sie nicht gerade Romane schreibt, unterrichtet und coacht sie andere Autorinnen und Autoren, wie sie ihr Handwerk verbessern können. Sie ist die Gründerin des Bookerfly Buchclubs für Autoren. Du kannst sie regelmäßig auf dem Bookerfly Podcast hören - zusammen mit ihren wunderbaren Kolleginnen. Erhältst du schon den Newsletter? Wenn nicht, dann geht es hier entlang.