Dein Journal als Schatztruhe: So nutzt du deine Aufzeichnungen sinnvoll aus.


Geliebte Kinder haben viele Namen und manchmal werden sie auch einfach moderner, damit man die Idee besser verkaufen kann. Dabei ist das Tagebuch schreiben oder Journaling kein neues Phänomen.

Dein Tagebuch als Schatztruhe für deine Figuren

Meine erstes Tagebuch war ein Sarah Key Tagebuch mit Schlüssel und einer linierten Seite für jeden Tag. Und so kam es, dass der Einband schöner war als der Inhalt, weil ich keinen Platz hatte, mich auszudrücken. Es war darauf angelegt, kurz zu memorieren, wie der Tage gelaufen war, was ich gemacht hatte, welcher Lehrer mich geärgert, wer mich geküsst hatte und warum der Tag gut oder mies verlaufen war. Seelenschmerz und Alltagsfreuden halt. Ich habe das Jahr in meinem Sarah Key Tagebuchs auch nicht voll geschrieben. Grenzen mochte ich noch nie. 

Später fand ich einfach Hefte und schrieb auf, was mich beschäftigte. Ich wollte die Intensität des Erlebten festhalten, vergängliche Augenblicke wie Schätze im Bernstein meiner Worte festhalten und mich und die Welt besser verstehen. Ich wollte in die Zukunft schauen und definieren: Wer bin ich überhaupt? Was will ich? Wie kann ich mich als Mensch entwickeln? Wie werde ich empathischer? Stärker? Demütiger? Wie realisiere ich meine Träume? Dies war der Anfang einer Schreibreise, auf der ich mich immer noch befinde. 

Heute weiß ich: Hier liegt die Schatztruhe für das Rohmaterial meiner Geschichten und Bücher. Und ich habe gelernt, Erlebtes und Emotionen schnell mit dem Stift einzufangen. 

Eine Erfahrung segelt, wenn du  sie nicht festhältst, aus deinem Leben wie ein Schiff. Und dieses Schiff nimmt die Schätze und das Rohmaterial für deinen Roman mit sich. Heute schätze ich das stille Beobachten, das ruhige Erzählen, das etwas von sich selbst preiszugeben. Das ist das geheime Gewürz jeder guten Geschichte. Wenn du das schaffst, dann sagst du: So sehe ICH die Welt. 

Ein Gang durch die Geschichte des Tagebuchs

Heute nennen viele das Tagebuch: Ein Journal schreiben. Geliebte Kinder haben viele Namen und manchmal werden sie auch einfach moderner, damit man die Idee besser verkaufen kann. Dabei ist das Tagebuch schreiben oder Journaling kein neues Phänomen.

Die ersten Tagebücher kennen wir aus dem Mittelalter, wo Frauen ihre Gedanken festgehalten haben. Puritaner nutzten das Tagebuch zur Selbstdisziplin und Selbstkritik. Im amerikanischen Tranzendismus mit Emerson und Thoreau spielte das Tagebuch eine wichtige Rolle. Besonders berührt hat mich, dass amerikanische Pioniersfrauen Tagebuch schrieben, um ihre Einsamkeit zu bewältigen und ihre Kultur in der Fremde zu erhalten. 

Tagebücher wurden schon immer geschrieben, einfach aus dem Grund, weil wir Menschen gern Geschichten erzählen und reflektieren. Das können nur Menschen. 

 

Dein Tagebuch ist kein Google Kalender

Ich denke, es ist klar: Für mich war mein Tagebuch auch immer mein Journal. Journal ist ein modernes Wort und erleichtert dir vielleicht, dich von der alten Vorstellung eines Buches mit Schlüssel zu entfernen.  

Denn ein Tagebuch ist für dich als Autorin nicht dazu da, aufzuschreiben, was du an diesem Tag gemacht hast, welche Termine du wahrgenommen und mit wem du gesprochen hast. Dafür ist der Google-Kalender da!

Ein Tagebuch geht viel tiefer und dient dazu, deine bedeutungsvollen Interaktionen und Erfahrungen sowie deine täglichen Affirmationen und Dankbarkeit festzuhalten, wenn du sie aufschreibst. 

Viele haben auch verschiedene Tagebücher:

  • Eins für die wichtigsten Ereignisse des Monats,
  • eins, um am Ende des Jahres einen guten Überblick zu haben,
  • ein Bäh-Tagebuch für „Kack-Momente“ (gern auch in kakaobraun, wie Barbara Pachl-Eberhard im Interview auf dem Umsetzungskongress 2022 des Bookerflyclubs verraten hat.
  • Oder sie schreiben ein Dankbarkeitstagebuch,
  • haben eins für Visionen,
  • eins für dein Buchprojek
  • ... 

Nun, so viele Tagebücher brauchst du nicht, bitte atme auf. Evtl. ziehst du auch ein digitales Tagebuch vor. 

Ich schreibe immer noch mit der Hand, weil ich dieses langsame Schreiben als kreativ empfinde. Aber jeder muss seinen Weg finden. Nur einen Tipp gebe ich dir, das habe ich aus meiner Sarah Key Erfahrungen gelernt: Beim Tagebuchschreiben gibt es kein richtig oder falsch, kein: So musst du das machen. Da gilt nur die große Freiheit und dass du das Heft aufklappst und schreibst. 

Hier noch einige Gründe, warum du ein Tagebuch führen solltest.

 

Du gewöhnst dir an, jeden Tag zu schreiben

 

Wenn du ganz neu mit dem Schreiben anfängst und noch nicht deinen Rhythmus gefunden hast, ist ein etwa fünfminütiges Tagebuch am Anfang oder Ende des Tages ein idealer Weg, um deine Schreibgewohnheiten zu etablieren.

Es kann sein, dass du noch nicht richtig weißt, worüber du schreiben kannst. Du hast vielleicht noch gar kein Romanprojekt, über das du schreiben kannst, aber du kannst über alle Ideen schreiben, die dir durch den Kopf fliegen, oder auch über das, was dir gerade durch den Kopf geht.

Auch hier geht es nicht darum, welchen Termin du hattest, sondern darum: wie fühlst du dich? Jetzt? An diesem Tag? Was nimmst du mit aus diesem Tag? Hast du dich im Supermarkt mit jemandem über die letzte Packung Klopapier gestritten und fühlst dich deshalb nicht gut gelaunt? Hat dein Chef etwas besonders Verletzendes gesagt?

Deshalb führst du ein Tagebuch, damit du darüber schreiben und diese negativen Gefühle loslassen kannst.

Wenn dir jemand ein Kompliment gemacht oder gesagt hat, dass du etwas gut gemacht hast, schreibe auch darüber. Genieße das Gefühl, du hast es verdient.

 

Journaling: du verarbeitest deine Geschichte und beschreibst deine Emotionen

 

Hier kannst du aufschreiben, was bei deinem Buchprojekt funktioniert und was nicht. Hier kannst du Ideen zur Handlung oder zu den Charakteren aufschreiben.

Oder du kannst dich einfach darüber beschweren, was nicht funktioniert!

Wenn du mit deiner Geschichte in eine Sackgasse geraten bist, werden sich auf wundersame Weise Lösungen vor dir auftun. Sie werden auf eine Art und Weise auftauchen, die du nie für möglich gehalten hättest, wenn du nur an deinem Schreibtisch gesessen und auf eine leere Seite oder einen Bildschirm gestarrt hättest. Neue Wege tun sich auf. Weisheiten werden dir geschenkt und du lernst viel über dich. 

Du kannst aber auch feiern, was in deinem Roman funktioniert. Du kannst darüber schreiben, was du an deinen Figuren magst, ihre lustigen Macken und was dich zum Lachen bringt. Du kannst deine Figuren interviewen, sie selbst zu Wort kommen lassen, indem sie einen Tagebucheintrag schreiben und du sie so besser kennenlernst. 

Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Klarheit ich gewinne, wenn ich über meine Arbeit schreibe oder meinen Figuren Raum gebe, sich auszudrücken. 

Eine gute Sache ist, sich selbst Fragen zu stellen … was wäre wenn, … und schon lösen sich Plotknoten in deinem Gehirn. 

Du hast zum Beispiel eine Idee für deinen nächsten Roman, aber das ist im Moment noch alles.

Dann notiere die Idee, so vage sie sein mag, und verlinke zu deinem Register am Ende, damit die Idee nicht verloren geht. Denn oft verschwinden Ideen im Nirvana, genauso wie die Emotionen, die du nicht aufschreibst, wie ein Schiff aus deinem Leben segeln.

Ich bin eine Entdeckungsschriftstellerin, deshalb weiß ich nie, was passieren wird, aber ich schreibe gerne Notizen und Ideen auf, um eine grundlegende Geschichte in meinem Kopf zu formulieren.

 

Dein Unterbewusstseindarf  die Kontrolle übernehmen

 

Tagebuchschreiben ist ein bisschen wie freies Schreiben, das Julia Cameron als ihre Kreativtipp immer wieder anpreist. Es lässt dein Unterbewusstsein die Kontrolle übernehmen. Und wenn das passiert, weißt du einfach nicht, was dabei herauskommt.

Ich schreibe jeden Abend ein Tagebuch. An den meisten Abenden schreibe ich nur meine Affirmationen und Dankbarkeit. Aber wenn mich etwas beschäftigt, sei es bei der Arbeit oder sonst wo, nehme ich mir die Zeit, früh ins Bett zu gehen und es aufzuschreiben.

In neun von zehn Fällen finde ich eine Lösung oder einen Weg für das, was mich beschäftigt. Es ist vielleicht nicht die ultimative Lösung, aber es ist der nächste Schritt auf dem Weg.

Das, worüber du schreibst, kann mit der Arbeit zu tun haben, es kann um deine Beziehung gehen oder sogar um die Elternschaft. Wie auch immer, das Tagebuch hilft dir dabei, herauszufinden, was wichtig ist und was nicht, was du ändern kannst und worauf du keinen Einfluss hast.

 

So viele Tagebücher …

 

Wenn du etwas suchst, mit dem du dein Tagebuchleben in Gang bringen kannst, ist eines dieser Beispiele genau das Richtige für dich:

  • Bullet Journal - schreibe die Dinge auf, die deinen Tag beeinflusst haben
  • Morgenseiten - du schreibst gleich nach dem Aufwachen, noch bevor du richtig einschalten konntest. Die Idee dahinter ist, dass du aus einer freien Position heraus schreibst, bevor du deinem rationalen Gehirn erlaubst, deine Gedanken zu diktieren. Julia Camerons Buch „Der Weg des Künstlers“ geht sehr ausführlich auf die Morgenseiten ein und ist ein außergewöhnliches Buch für alle Kreativen.
  • Dankbarkeitsjournal. Du schreibst einfach 10 Dinge auf, für die du an diesem Tag dankbar bist. Das können große Dinge sein wie ein neuer Job oder ein neues Haus, aber auch kleine Dinge wie eine besonders gute Tasse Kaffee oder der Gesang eines Vogels im Baum vor deinem Haus. Ich füge auch meine Affirmationen hinzu und schließe so den Kreis der Dankbarkeit für die Dinge, die geschehen sind und die, die noch kommen werden.
  • Gesundheitstagebuch - wenn du ein besonders schwieriges Gesundheitsproblem hast, schreibe darüber. So kannst du darauf zurückblicken und deinen Weg zum Wohlbefinden aufzeichnen. Wenn du fitter wirst, schreibe auf, wie du dich nach jeder Trainingseinheit fühlst oder wie du ein neues Rezept ausprobiert hast. Halte dein Gewicht oder deine Kleidergröße fest, oder wie auch immer du deine neue Fitness misst.
  • Schwangerschaftstagebuch - was gibt es Besseres als ein Tagebuch, um sich an deine Schwangerschaft zu erinnern? Darin kannst du deine wachsende Taille, die körperlichen Veränderungen, die ersten Tritte, die Müdigkeit und die Freude festhalten! Du kannst Fotos von deinem Bauch einkleben und mögliche Namen auflisten. Die Schwangerschaft ist eine so verrückte und wunderbare Zeit im Leben (du bekommst einen Menschen, um Himmels willen!), dass es sich lohnt, sie zu dokumentieren.

 

 

 

 

 

Heutzutage schreiben viele Menschen elektronisch, aber mein kleiner Tipp für dich wäre, in einen schönen Notizblock und einen Stift zu investieren. Diese Art des Schreibens hat etwas sehr Erdendes, weil es dein Gehirn verlangsamt und dich mit den Worten, die du schreibst, viel mehr in Verbindung bringt.

Außerdem ist es nur für dich, du musst dir also keine Gedanken über deine Handschrift machen!

Ein schönes Notizbuch hat auch einen ästhetischen Reiz. Es ist viel persönlicher und bedeutet viel mehr als ein einfaches altes Google-Dokument.

Was passiert mit deinen Tagebüchern, wenn du stirbst?

Das entscheidest du. Vielleicht hast du ja Lust, sie einem Museum zu überlassen, als Zeitzeugenberichte. Glaubst du mir nicht? Dann schau mal hier im Tagebucharchiv nach.

 

Tipps

Vergiss alles, was du bisher zum Thema Tagebuchschreiben gehört hast. Tagbuchschreiben ist

… frei von allen Regeln.

Du kannst jederzeit dein Thema und deinen Stil, deine Meinung ändern, einen anderen Stift nehmen, die Zeit wechseln, eine andere Sprache nutzen. Grammatik und Rechtschreibung spielen hier keine Rolle.

Du bestimmst selbst. Es ist dein Tagebuch und du bestimmst selbst. Du kannst täglich oder sporadisch schreiben. Du brauchst dich nicht zu beschränken, du darfst dem Fluss, der Spontanität folgen.

 

Bücher

Ich gebe dir Buchtipps, aber eigentlich braucht man keine Anleitung, sondern nur Stift und Papier und dann geht es los …

Am Anfang meiner Schreibkarriere hat mir dieses Buch sehr viel Mut gemacht. Der Weg des Künstlers von Julia Cameron

Das erste Buch, das ich über Tagebuchschreiben gelesen habe und das mich wirklich nachhaltig berührt hat, ist von Elisabeth Mardorf: Kreativ Leben mit dem Tagebuch von Elisabeth Mardorf

Gerade erschienen ist dieses Buch von der Thrillerautorin Sandy Mercier, die hier über die Macht des geschriebenen Wortes zum Journaling einlädt:

Macht des geschriebenen Wortes von Jule Piper.

 

 

Hast du Lust, dich eine Woche mit mir auf deine ganz persönliche Heldenreise und mit mir autobiografisch im Kloster zu schreiben? Dann schau mal hier.

 

 

 
© Eva Maria Nielsen
Das bin ich, Eva Maria, die Geschichtenhebamme hinter der Storyanalyse. Ich gebe deinen Geschichten Geburtshilfe. Seit vielen Jahren wohne ich am Meer und liebe es, vor allem im Sommer, wenn die Sonne meine Haut wärmt und der Sand sich zwischen meinen Zehen versteckt. Tja, natürlich mag ich auch den Wind in den Haaren, die weite Aussicht bis zum Horizont. Und– ja, was wohl? – deine Geschichte(n).
Womit kann ich dir helfen?
 
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