Der Artikel ist Teil der Erkenntnisse des Story Grid.
© Story Grid, Shawn Coyne
Shawn Coyne rät jedem Autor, der mit seinem Roman Schwierigkeiten hat, dass er sich eine Frage stellt: »Was ist mein Genre?«
Wenn wir die externen Genres betrachten, kann man sie gut voneinander unterscheiden. Das liegt daran, dass der Hauptkonflikt durch äußere Umstände hervorgerufen wird. Wir können also klar eine Liebesgeschichte von einer Actiongeschichte oder einen Krimi von einer Kriegsgeschichte trennen.
Interne Genres beziehen sich auf den Kampf, den der Protagonist in seinem Inneren austrägt. Es ist daher nicht einfach, die drei internen Genres (Weltanschauung, Status und Moral) voneinander zu trennen. Vor allem, da die Konventionen dieser Genres eher abstrakt und in äußere Vorfälle verwoben sind.
Der folgende Beitrag befasst sich mit den kleinen, aber feinen Unterschieden der drei internen Genres. Du erhältst eine klare Übersicht der drei internen Genres und einen Leitfaden, wie du sie voneinander trennen kannst.
Übersicht
- Das Waffel- vs. das Spaghettigehirn
- Kategorien der internen Genres
- Status
- Weltanschauung
- Moral
- Interne Genres erkennen
Das Waffel- vs. das Spaghettigehirn
Kim Kessler, eine zertifizierte Story Grid Lektorin, nutzte die Analogie zwischen Waffel- und Spaghettigehirn um herauszustellen, wie es unterschiedlich von Mensch zu Mensch ist, wie sie Informationen in ihrem Gehirn organisieren.
Im Waffelgehirn befindet sich jede Kategorie in ihrem eigenen Viereck: Beruf, Familie, Liebe, Vergangenheit, Zukunft, etc. Voneinander getrennt, aufgeräumt und sauber. Wenn das Waffelgehirn einen Reiz erfährt, weiß es genau, welches Viereck es besuchen muss.
Im Spaghettigehirn ist jedes Thema eine einzelne Nudel. Wenn das Spaghettigehirn einen Reiz erfährt, findet es auch die richtige Nudel. Aber man kommt auch zu all den Nudeln, die diese eine Nudel berührt ... und von denen führt es zu all den Spaghettis, die auch jene Nudeln berühren. Alles ist miteinander verbunden und es ist unmöglich herauszufinden, welche Verbindungen hilfreich und welche nur ein Nebenprodukt durch die Dichte der Themen sind.
Und ja, interne Genres sind wie das Spaghettigehirn.
Aber das heißt nicht, dass wir sie für unnötig betrachten dürfen.
Interne Genres sind wichtig, denn sie geben einer Geschichte Tiefe und lässt sie nicht mehr oberflächlich erscheinen.
Wenn wir uns damit beschäftigen, was eine Figur bewusst will, dann liegt dieses Ziel in einem externen Genre. Da wir aber Genres miteinander kombinieren können, und manche externe Genres wie Liebesgeschichten oder Thriller ein internes Genre als sekundäres Genre benötigen, befassen sich die internen Genres mit dem, was ein Protagonist unterbewusst braucht.
Fädeln wir die Spaghetti auseinander.
Auch wenn interne Genres einem verfitzten Faden ähneln, sind sie keinesfalls willkürlich. Sie bestehen aus eindeutigen Mustern, welche bestimmte Bedeutungen aus dem kollektiven menschlichen Unterbewusstsein hervorrufen können. Diese Muster besitzen spezifische Eigenschaften, die wir nutzen können, um neue bedeutende Geschichten zu schreiben.
Die internen Genres, an denen sich das Story Grid orientiert, stammen von Norman Friedman, der als erster Literaturkritiker einen Unterschied zwischen externen und internen Genres gemacht hat.
Das Story Grid organisiert die internen Genres und ihre untergeordneten Kategorien wie folgt:
Status
- Erbärmlich
- Gefühlvoll
- Tragisch
- Ansehen
Weltanschauung
- Bildung
- Erwachsenwerden
- Offenbarung
- Ernüchterung
Moral
- Strafbar
- Erlösung
- Probe (Triumph/Niederlage)
Kategorien der internen Genres
Dabei konzentriert sich jede Kategorie auf ein spezifisches Element, das sich auf den Protagonisten bezieht.
Status
Status (Glück): Diese Geschichten konzentrieren sich auf die Fähigkeit des Protagonisten, mit Unglück umzugehen, das nicht von ihrer Persönlichkeit oder ihren Gedanken abhängig ist.
Diese Geschichten ordnen sich in der Bedürfnispyramide von Maslow auf der Ebene der Anerkennung ein. Hier geht es darum, von einem sozialen Rang auf einen höheren Status aufsteigen zu wollen – entweder man schafft es oder nicht. Jede Unterkategorie dieses Genres verläuft zwischen den Werten: Erfolg und Misserfolg.
Statusgeschichten sind die Geschichten, die noch am ehesten mit den externen Genres verbunden sind. Der Protagonist ändert nicht seinen moralischen Kompass oder seine Gedanken, nur sein externes Glück und seine Umstände wandeln sich – entweder durch oder wegen seiner inneren Natur.
- Erbärmlich: Schwacher Protagonist versucht, etwas aus sich zu machen und scheitert. (Little Miss Sunshine)
- Gefühlvoll: der Schwache gewinnt, trotz allem (Rocky).
- Tragisch: Streber begeht Fehler, die ihm zum Scheitern verurteilen (Eine amerikanische Tragödie)
- Ansehen: Person mit Prinzipien steigt auf, ohne Kompromisse einzugehen (Gladiator)
In diesem Artikel erfährst du mehr zum Status-Genre: Das Status-Genre in Geschichten (Leitfaden)
Weltanschauung
Weltanschauung (Gedanken): Diese Geschichten konzentrieren sich auf die Art und Weise, wie der Protagonist seine Welt und die Umstände versteht.
Geschichten, die sich um die Weltanschauung drehen, ordnen sich bei der Maslowschen Bedürfnispyramide auf der Ebene der Selbstverwirklichung ein.
Die Protagonisten erlangen ein besseres Verständnis von etwas oder entdecken eine neue Wahrheit.
Diese Erfahrung verändert wie der Protagonist denkt, und kann (muss aber nicht) die Entscheidungen beeinflussen, die sie treffen. Ungleich dem Status-Genre sind die Werte des Genres Weltanschauung unterschiedlich von Unterkategorie zu Unterkategorie.
Die abstrakten Werte sind die beiden Pole von Verständnis und Unverständnis, welche die drei Bereiche Glaube, Kultiviertheit und Wissen umfassen.
- Bildung: eine Veränderung von einem sinnlosen Leben zu Bedeutung (Comeback der Liebe)
- Erwachsenwerden: eine Veränderung von Naivität zu Weltlichkeit (Saturday Night Fever)
- Offenbarung: Ignoranz zu Wissen (Ödipus Rex)
- Ernüchterung: Glaube zu Ernüchterung (Der große Gatsby)
In diesem Artikel erfährst du mehr zum Weltanschauungs-Genre: Passt das Weltanschauung-Genre zu deinen Figuren?
Moral
Moral (Charakter): Das Genre konzentriert sich auf das Verhalten und die Entscheidungen des Protagonisten, die von seinem moralischen Kompass und seiner Willensstärke angetrieben werden.
Moral ordnet sich auf der Bedürfnispyramide an der Spitze der Pyramide ein, besser gesagt, darüber. Es dreht sich hier um die Ebene der Transzendenz.
In diesen Geschichten wird der moralische Kompass des Protagonisten ausgetestet, was zu einem Wandel seiner Persönlichkeit führt. Dieser Wandel wird sowohl durch die Gedanken der Figur klar sowie in seinen Handlungen – selbst wenn diese schlecht oder gut sind.
Jede Unterkategorie des Genres Moral wandelt sich zwischen den Werten: Selbstsüchtig und Uneigennützigkeit.
- Strafbar: Guter Mensch begeht Straftaten und wird bestraft (Wall Street).
- Erlösung: Schlechter Mensch sucht Wiedergutmachung (Drugstore Cowboy)
- Probe (Triumph/Niederlage) Willenskraft gegen Versuchung (Der Unbeugsame)
In diesem Artikel erfährst du mehr zum Moral-Genre: Passt das Moral-Genre zu deinen Figuren?
Die oben genannten Elemente sind nicht nur Kategorien, sondern stellen auch die Ursache und Wirkung des inneren Wandels des Protagonisten dar. Die Beziehung zwischen diesen drei Elementen erschafft eine klare Aussage über die Ursache und Wirkung, welches auf die untergeordnete Kategorie eines der drei Genres hinweist.
So hat Friedman den Rahmen erstellt, um interne Genres zu identifizieren:
Quelle: Friedman, Norman. “Forms of the Plot,” The Journal of General Education 8, no. 4 (July 1955): 241-53.
Zusammengefasst von Kim Kessler (www.trenchcoach.com) & Leslie Watts (www.writership.com)
Übersetzt von Melanie Naumann
1. Identifiziere den Protagonisten.
Der Protagonist ist die Person, welche in der Geschichte die größte Entwicklung durchmacht. Es ist die Person, deren Wohlergehen das Interesse des Lesers hat und diejenige, um die sich die Handlung dreht.
2. Stelle heraus, was die Situation des Protagonisten am Anfang der Geschichte ist.
- Was macht den Protagonisten aus (Willenskraft und Motive) und finden wir ihn sympathisch? (Moral)
- Was ist seine Denkweise? Kann er seine Denkweise an neue Informationen anpassen? Kann er ausreichend seine Situation und die Konsequenzen seiner Handlung verstehen, dass er zur Rechenschaft gezogen werden kann? (Weltanschauung)
- Was ist sein sozialer Rang (externe Situation) und befürchten wir, dass sich sein Rang verschlechtert, oder hoffen wir, dass er sich verbessert? (Status)
3. Stelle heraus, was die Situation des Protagonisten am Ende der Geschichte ist und wie sich die folgenden drei internen Elemente verändert haben
- Wie ist sein Charakter und wie hat er sich verändert? (Moral)
- Wie ist der Grad seiner Denkweise und wie hat sich dieser verändert? (Weltanschauung)
- Was ist sein sozialer Rand und wie hat er sich verändert? (Status)
4. Was erfährt der Leser bezüglich dieser Entwicklung des Protagonisten?
Die Erfahrung sollte sich an der Kernemotion orientieren, welches der globale Wert der Kategorie beim Höhepunkt der Geschichte herüberbringt. Nur so kannst du eine Geschichte abliefern, welche hält, was sie verspricht.
5. Formuliere die Veränderung als eine Aussage zur Ursache und Wirkung.
Wenn ein Protagonist mit einem ________ Level an Willenskraft und Motiv und einer _________ Denkweise ________ an externen Kräften erfährt und sich __________ entwickelt, wird das Resultat ________ sein.
6. Lege fest, welche Unterkategorie der internen Genres am besten zu dieser Aussage zu Ursache und Wirkung passt.
7. Beurteile, ob diese Unterkategorie gut ausgeführt wurde und ob es die beste Paarung mit deiner Geschichte als ein Ganzes ergibt.
Im nächsten Beitrag werde ich zu jeder Unterkategorie der drei internen Genres ein Beispiel bringen und es erklären, sodass du ein noch besseres Verständnis für die internen Genres entwickelst.
Bis dahin, Melanie =)