Die magische Kraft düsterer Zukunftsvisionen


Der Begriff „Dystopie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt übler oder schlechter Ort. Somit kann die Dystopie als Gegenentwurf zur Utopie von Thomas More verstanden werden. Dystopien spielen in der Zukunft der Menschheit und können als Warnung vor einer negativen Entwicklung der Gesellschaft verstanden werden. Willst du eine Dystopie schreiben? Was brauchst du dazu?

Dystopien

Dystopien sind heute beliebt. Denk nur mal an Die Tribute von Panem oder auch Filme wie The Matrix.

Warum faszinieren diese Geschichten so viele Menschen?

Ich denke, sie bieten Möglichkeiten, sich mit aktuellen gesellschaftlichen und politischen Themen auseinanderzusetzen, während sie gleichzeitig eine spannende und oft düstere Welt präsentieren. Sie zeigen uns eine Welt, die Helden und Heldinnen braucht und dass der Mensch nach Machiavelli  ein Tier ist, das andere ausnutzt und für seine Zwecke missbraucht. Und damit das nicht passiert, braucht es Helden und Heldinnen.

Dieses Thema ist so alt wie die Menschheit, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, das Dystopien vor allem jetzt unter jungen Lesern und Leserinnen beliebt sind. Aber Dystopien wurden auch früher schon geschrieben.

Kennst du diese Dystopien?

Sicher kennst du diese bekannten Dystopien und die Gründe, warum sie so beliebt sind?

1984 von George Orwell

Obwohl dieses Buch bereits in den 1940er Jahren veröffentlicht wurde, ist es heute immer noch relevant und beliebt, es ist ein richtiger Klassiker. 1984 präsentiert eine totalitäre Gesellschaft, in der Überwachung und Manipulation allgegenwärtig sind.

Die Themen von Überwachung, Kontrolle und Wahrheitsfindung sind heute in unserer digitalen mit Überwachungsmöglichkeiten, die vor einigen Jahren noch unvorstellbar waren, so relevant wie nie zuvor. Gerade deswegen spricht 1984 weiterhin viele Leserinnen und Leser an.

Farm der Tiere von George Orwell

Farm der Tiere ist eine politische Fabel von George Orwell, die erstmals 1945 veröffentlicht wurde. In dieser Allegorie kritisieren und erforschen anthropomorphisierte Tiere die Natur der politischen Macht und Korruption. Hier sind einige der Hauptthemen: Eine kleine Gruppe übernimmt die Macht und missbraucht sie zu ihrem persönlichen Gewinn. Das gemeine Volk - hier die Arbeiter, werden unterdrückt und misshandelt.

Das Buch entstand in einer Zeit großer politischer Unruhen, kurz nach den zwei Weltkriegen. Damals hat sich die politische Landschaft drastisch veränderte, aber man hatte auch durch die Geschichte der totalitären Regime in Deutschland und Russland erlebt, zu was wir Menschen fähig sind. Orwells Geschichte spiegelt also spezifische historische Ereignisse wider, insbesondere die Russische Revolution und die Ära Stalin.

Der Report der Magd von Magaret Atwood (1985)

ist eine feministische Dystopie. Atwood wollte aber gar kein feministisches Buch schreiben. Sie beschreibt in ihrem Kult-Roman Der Report der Magd eine albtraumhaften Welt – obwohl alles, was die Autorin darin schildert, irgendwo auf der Welt schon einmal passiert ist. Vielleicht ist das Buch darum so beängstigend.

Momentan erlebt das Buch, das 1985 erschienen ist, durch die gleichnamige Serien-Verfilmung von 2017 bei Netflix, eine Renaissance. In diesem autokratischen Staat gebären die Mägde für die Ehefrauen Kinder, wenn diese unfruchtbar sind.

Diese Art Leihmutterschaft kommt im Alten Testament an mehreren Stellen vor, u.a. in der Geschichte von Lea und Rahel, beide Ehefrauen Jakobs. Beide wenden sich an ihre Mägde, damit sie an ihrer Stelle „für“ ihren Ehemann Jakob Kinder gebären können.

Die Tribute von Panem von Suzanne Collins

Diese Buchreihe und ihre Verfilmungen haben eine große Fangemeinde gefunden. Sie zeigen eine düstere Zukunftsvision, in der die Gesellschaft in einzelne Distrikte unterteilt ist und die Jugendlichen jedes Jahr in einem grausamen Kampf ums Überleben antreten müssen. Die Reihe thematisiert soziale Ungerechtigkeit, den Missbrauch von Macht und den Kampf um Freiheit, was viele Leserinnen und Leser anspricht.

Die Bestimmung von Veronica Roth

ist eine dystopische Trilogie. Die Geschichte spielt in einer postapokalyptischen Gesellschaft, die in verschiedene Fraktionen unterteilt ist, die auf den unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen der Menschen basiert.

Die Hauptfigur, Tris, stellt das System in Frage und kämpft gegen Unterdrückung und Korruption. Die Mischung aus Action, Romantik und politischen Intrigen macht die Bücher für ein breites Publikum attraktiv.

Spätestens jetzt ist klar: Dystopien sind beliebt und zeitlos. Sie erlauben uns, über die möglichen Konsequenzen aktueller Trends und Entscheidungen nachzudenken und uns zu fragen, welche Art von Zukunft wir wirklich wollen. 

 

Was bedeutet Dystopie?

Der Begriff „Dystopie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt übler oder schlechter Ort. Somit kann die Dystopie als Gegenentwurf zur Utopie von Thomas More verstanden werden.

Dystopien spielen in der Zukunft der Menschheit und können als Warnung vor einer negativen Entwicklung der Gesellschaft verstanden werden.

Willst du eine Dystopie schreiben? Was brauchst du dazu?

Die wesentlichen Merkmal einer Dystopie

Zu den wesentlichen Merkmalen einer Dystopie zählen diese Dinge:

1. Hoher technischer Fortschritt 

In vielen Dystopien spielt eine übermächtige Technik eine wichtige Rolle. Die Technik-Erfindungen wurden von der Menschheit erschaffen, sind aber nicht mehr kontrollierbar. 

Umsetzungstipp: Wo erleben Menschen sich von der Technik bedroht? Frage dich: Was wäre wenn ... 

2. Oberflächliche Utopie

Oberflächlich betrachtet scheint in Dystopien alles herrlich zu sein. Die Gesellschaft bemüht sich eine Fassade aufrecht zu erhalten. Hinter dieser bemüht aufrechterhaltenen Fassade verbirgt sich eine Gesellschaft, wo Menschen in ihren Rechten und ihrer Freiheit beschnitten werden.

Umsetzungstipp: Überlege, wie die verschiedenen Akteure die Gesellschaft sehen? Was ist ihr Ziel? Aus welcher Perspektive du die Geschichte erzählen willst? Aus der Perspektive der Unterdrücker, der Privilegierten oder aber der Unterdrückten, die aufbegehren. Wird es ihnen gelingen?

3. Weit auseinanderklaffendes Klassensystem

In Dystopien ist die Gesellschaft gespalten. Fast immer gibt es eine  Oberschicht und eine Unterschicht. Dazwischen gibt es nichts. Die Oben führen ein privilegiertes und oft technisch fortschrittliches Leben. Oft ist eine Verschwendung von Rohstoffen zu erkennen.

Zeige diese Unterschiede, schreib szenisch, vor allem, wenn du die Armut oder die Dekadenz der Oberschicht darstellst. Dann wird dein Held oder deine Heldin sofort Sympathien erhalten und der Lesenden werden sich emotional in der Geschichte engagieren.

Der unteren Schicht steht hingegen oft nicht einmal ausreichend Wasser und Essen zur Verfügung. Häufig spielen auch Versklavung und Einschüchterung eine entscheidende Rolle.

Umsetzungstipp: Wie können deine Figuren unterdrückt werden? Was fehlt ihnen? Was brauchen sie unbedingt und was verwehrt ihnen die Gesellschaft? Inwiefern sind ihre Recht beschnitten? Fehlen ihnen die primären Güter – und wenn ja: Was macht der Hunger oder der Durst oder die eingeschränkte Meinungsfreiheit mit ihnen?

4. Fehlende Gerechtigkeit

Gerecht geht es in Dystopien nie zu. Gerechtigkeit ist ein Fremdwort. Eine kleine Gruppe bestimmt über den Rest der Menschheit. Zur Machtdurchsetzung kommt eine militarisierte Polizei zum Einsatz, die die Gesetze der Machtinhaber mit Gewalt durchsetzt. Eine Rechtsprechung gibt es nicht.

Umsetzungstipp: Wer arbeitet mit dem System zusammen? Welche Privilegien haben diese ausführenden Organe? Wählen sie ihren Weg selbst oder sind sie willenlose Sklaven oder Roboter?

5. Aufstrebender Held oder Heldin

In vielen Dystopien findet sich ein Protagonist oder eine Gruppe von Aufständischen, die gegen das Regime und die Missstände aufbegehrt.

Umsetzungtipp: Mach dir vorab Gedanken, gegen wen und was sie aufbegehren. Was wollen sie erreichen? Und wie scheitern sie zuerst in ihrem Versuch. Dann – wenn es eine Gruppe von Helden gibt: Wer ist der Anführer oder die Anführerin? Wer ist die leitende Figur?

Fazit

Und hier noch einmal zusammenfassend, wie du arbeiten könntest:

Beginne damit, eine Welt zu entwerfen, in der der technologische Fortschritt zwar beeindruckend, aber außer Kontrolle geraten ist. Vielleicht gibt es eine Regierung oder eine mächtige Organisation, die die Technologie für ihre eigenen Zwecke einsetzt, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für die Gesellschaft.

Denke dann darüber nach, wie du diese scheinbar perfekte Welt darstellen kannst, die tatsächlich voller Unterdrückung und Ungerechtigkeit ist. Vielleicht gibt es eine elitäre Oberschicht, die alle Privilegien genießt, während die breite Masse der Bevölkerung in Armut und Elend lebt. Du könntest auch zeigen, wie die Menschen in dieser Welt manipuliert und kontrolliert werden, sei es durch Propaganda, Überwachung oder direkte Gewalt.

Ein wichtiger Aspekt deiner Dystopie wird der aufstrebende Held oder die aufstrebende Heldin sein. Sie kämpfen gegen das System. Überlege, welche Eigenschaften dieser Held haben sollte und welche Hindernisse er auf seinem Weg überwinden muss. Vielleicht ist er ein gewöhnlicher Bürger, der plötzlich erkennt, dass etwas nicht stimmt, oder ein ehemaliger Insider, der die Wahrheit über das Regime entdeckt hat.

Indem du diese Merkmale einer Dystopie in deine Geschichte einbaust, kannst du eine fesselnde Welt erschaffen, die die Leser zum Nachdenken anregt und sie gleichzeitig in den Bann zieht.

Mit diesen Geschichten hast du eine einzigartige Möglichkeit, wichtige Themen anzusprechen und gleichzeitig eine spannende Geschichte zu erzählen.

Wenn du das Story Grid für deine Dystopie nutzen willst, dann schau bei diesen Inhaltsgenres: Status-Geschichten, Action-Story oder auch die Weltanschauungs-Story. Ein gutes Plotschema ist die Heldenreise.

Viel Vergügen beim Plotten und Schreiben. Ich freue mich auf deine Geschichte, denn Geschichten verändern die Welt.

Eva Maria Nielsen ist Story-Grid-Lektorin, Autorencoach und gehört zum Team des Bookerfly Clubs. Wenn sie nicht gerade Romane schreibt, unterrichtet und coacht sie andere Autorinnen und Autoren, wie sie ihr Handwerk verbessern können. Sie ist die Gründerin des Bookerfly Buchclubs für Autoren. Du kannst sie regelmäßig auf dem Bookerfly Podcast hören - zusammen mit ihren wunderbaren Kolleginnen. Erhältst du schon den Newsletter? Wenn nicht, dann geht es hier entlang.