Der magische Start: Warum du auf Vorspanne verzichten und gleich in die Geschichte eintauchen solltest!


Wenn du vorspulen musst, um deine Leser zu fesseln, fängst du nicht an der richtigen Stelle an. Rückblenden und Vorspanne sind fast immer die falsche Lösung für den Einstieg in ein Buch. Warum erfährst du hier.

Tauche gleich ohne Vorsapnn in die Geschichte ein

Ganz ehrlich. Obwohl ich es besser weiß, mache ich doch immer wieder diesen Fehler: Ich möchte so gern das Ende der Geschichte an den Anfang setzen. 

So wie Erich Segal es in Love Story gemacht hat: „Was kann man sagen über ein Mädchen von fünfundzwanzig Jahren, das gestorben ist?“

Wenn man weiß, dass der Protagonist stirbt, muss die Liebesgeschichte doch besonders spannend sein. Oder wenn du weißt, dass die Mörderin sich im Gebüsch vor dem Haus versteckt, und nur darauf wartet, dass der Lebensgefährte das einsame Landhaus verlässt. Da muss doch das Kopfkino angehen, oder?

So habe ich zwei meiner Manuskripte angefangen. Und ich habe die Vorausschau im „Das Dünenhaus“ gestrichen.  Trotz aller Liebe zu dieser Szene. 

Warum denn streichen? Bei Eric Segal hat es in Love Story doch auch funktioniert.  Das stimmt. Weil er nicht eine ganze Szene voraustellte, sondern den Roman in der Retroperspektive schreibt. Das ist ein klitzekleiner Unterschied.

Wenn du vorspulen musst, um deine Leser zu fesseln, fängst du nicht an der richtigen Stelle an. 

Rückblenden und Vorspanne sind fast immer die falsche Lösung für den Einstieg in ein Buch.

Das Problem ist, dass du den Leser zu früh ködern willst. Das geht meistens schief. Denn dein Leser hat noch keine emotionale Bindung zu den Protagonisten aufgebaut. Ein Vorspann versucht, die Lesenden vorab für den spannenden Teil der Geschichte zu interessieren. Der Leser hat noch keine emotionale Bindung zu den Figuren aufgebaut. 

Natürlich sind die Geschmäcker verschieden, und für alles gibt es wunderbare Ausnahmen. Generell aber muss man sagen: Eine Vorausschau ist ein billiger Trick, ein Lockvogel, der mehr scheitert, als funktioniert.Und ich verrate dir jetzt, warum.

 

Was ist eine Flash-Forward-Szene?

Für diejenigen, die den Begriff nicht kennen: Bei einer Flash-Forward-Szene beginnt das Buch mit einer Szene aus einem späteren Teil der Geschichte. Dann springt man in der Zeit zurück, um zu zeigen, wie die Figuren in diese Situation geraten sind. 

Du kennst das aus Filmen: Da kommt dann der Text: Zwei Monate vorher … dieser magische Satz erscheint nach der Eröffnungsszene, in der wir den Helden in einer schwierigen Lage sehen. 

Aus Romanen kennen wir das auch. Der Autor erregt die Aufmerksamkeit des Lesers und springt dann an den eigentlichen Anfang – bei der Heldenreise, würden wir sagen zur Ursprungswelt der Protagonisten - zurück und zeigt dann, wie die Figuren dorthin gekommen sind. Um auf Segals Love Story zurückzukommen: Wie haben die beiden sich kennen und lieben gelernt? Und warum ist sie gestorben?

Leserinnen und Leser brauchen Zeit, um sich für die Figuren zu interessieren, bevor du sie in Schwierigkeiten bringst. Darum funktioniert ein Blick in die Zukunft nicht besonders gut.

Eine kurze Anmerkung ... Ich beziehe mich nicht auf rückblickende Romane, die sagen: „Hier ist eine Geschichte aus meiner Vergangenheit“, wie zum Beispiel Stephen Kings Stand By Me oder auch der Klassiker Rebecca. Retrospektive Romane beginnen in der Regel in der Gegenwart, springen dann in die Vergangenheit und nutzen den Sprung zurück als Rahmenhandlung, und das ist auch gut so. Es ist eine ganz andere Technik. Daphne du Maurier hat es in Rebecca so gemacht.: „Vergangene Nacht träumte ich, ich wäre wieder in Manderley.“

 

 

Warum Flash-Forward-Szenen ins Leere laufen: Drei überzeugende Gründe

Flash-Forward-Szenen: Nicht so packend, wie du denkst – Der erste Grund

Wenn die Flash-Forward-Szene tatsächlich im Roman vorkommt, hatten die Leserinnen und Leser schon viele Kapitel Zeit, die Figuren kennenzulernen und sich für ihre Geschichte zu interessieren. Die Szene ist für sie von Bedeutung, weil sie so viele Emotionen in sie investiert haben. 

Wenn du aber mit der gleichen Szene beginnst, wissen die Lesenden nicht, wer die Figuren sind und was vor sich geht. Sie haben nicht die gleiche emotionale Verbindung wie du als Autor oder Autorin. 

Die Elemente, die dafür sorgen, dass die Szene im dritten Akt funktioniert, gibt es noch nicht, wenn es sich um eine Eröffnungsszene handelt. Die Leserinnen und Leser hatten noch keine Zeit, eine Verbindung aufzubauen und sich für den Protagonisten zu interessieren.

Stell dir vor, du schaltest den Fernseher ein und siehst eine zufällige Szene in einem Film, den du noch nie gesehen hast. Interessiert es dich, was da passiert? Vielleicht gibt es eine Verfolgungsjagd oder Menschen sind in Schwierigkeiten oder etwas Dramatisches passiert. Oder da ist gerade eine Sexszene?  

Aber du hast keinen Kontext für das, was passiert. Du leidest nicht mit den Figuren, du bangst nicht um sie, du bibberst nicht. Warum? Du hast noch keine emotionale Bindung an den Figuren oder der Situation aufgebaut.

In den meisten Flash-Forward-Szenen geht es nur um Action, um der Action willen. Das ist aufregend und fesselt die Leser. Glauben wir. Aber das ist es nicht, was die Leser wirklich fesselt.

Was die Lesenden fesselt, sind deine Figuren – und die müssen sie erst kennenlernen.

Der zweite Grund, warum Flash-Forward-Szenen problematisch sind: vorzeitige Enthüllungen

Eine Flash-Forward-Szene zeigt normalerweise einen wichtigen Moment im späteren Verlauf des Buches (deshalb hast du sie ja vorverlegt). 

Sie enthält oft eine wichtige Enthüllung oder Hinweis, und wenn du sie zuerst schreibst, nimmst du deinem Leser die Möglichkeit, dieses „Etwas“ zu entdecken und zu erahnen, was passiert. 

Wenn du zum Beispiel auf der ersten Seite siehst, dass der Protagonist in einem U-Boot gefangen ist, das zu explodieren droht, ist es keine Überraschung, wenn das später passiert. 

Schlimmer noch: Die Lesenden könnten sich fragen, wann diese Szene endlich eintritt. Sie werden sich kaum für die Vorgeschichte interessieren.  

Dem Leser ist klar, dass der Protagonist überlebt hat, um an diesen Punkt zu gelangen. Im schlimmsten Fall bringt es also nichts, was bis dahin passiert, den Protagonisten wirklich in Gefahr. 

Die Flash-Forward-Szene signalisiert: Jetzt geht die Geschichte erst richtig los und der Rest ist nur eine Vorbereitung. Das kann dazu führen, dass sich der Roman langsam anfühlt, auch wenn er es nicht ist.

Die Täuschung des Lesers: Warum Flash-Forward-Szenen oft ins Leere laufen

Meistens wird eine Flash-Forward-Szene hinzugefügt, weil du dir nicht sicher bist, ob deine Anfangsszene stark genug ist, um die Lesenden zu fesseln. 

Du glaubst, dass du etwas Aufregenderes brauchst, um sie zu fesseln und sie zum Lesen des Romans zu bewegen. Deine Instinkte sind richtig, aber anstatt deine Anfangsszene stärker zu machen, fügst du die Flash-Forward-Szene hinzu.

Das heißt, du zeigst den Lesern eine Szene, zu der sie keinen Bezug haben, reißt sie dann aus der Zeitlinie der Geschichte heraus und lässt sie eine Szene lesen, von der du weißt, dass sie nicht stark genug ist, um sie zu fesseln, und erwartest dann, dass sie sich auf die Geschichte einlassen, obwohl du ihnen keinen Grund gegeben hast, sich dafür zu interessieren.

Wenn du Glück hast und die Szene in der Zukunft tatsächlich das Interesse des Lesers weckt, dann reißt du ihn aus der Geschichte heraus und lässt ihn mit einer weniger interessanten Szene von vorne anfangen.

Meistens hört der Leser an dieser Stelle auf zu lesen, weil er verwirrt ist, keinen Bezug mehr zur Geschichte hat und sich bereits langweilt.

Flash-Forward-Szenen klingen nach einer tollen Idee, 

aber sei vorsichtig.

Wahrscheinlich ist die Frage „Soll ich vorspulen?“ nur dein gesunder Autoren-Instinkt. Du weißt instinktiv: Die Szene funktioniert noch nicht. Der Anfangsszene fehlt noch was. Und das solltest du ändern. 

Vertraue dir und deinem Bauchgefühl. Geh einen Schritt zurück und überlege, wie du die Anfangsszene verstärken oder verändern und den Roman insgesamt verbessern kannst. 

Eine Szene, die nicht funktioniert, funktioniert nicht, und das wird sich auch nicht ändern, nur weil du ihr etwas Spannendes vorangestellt hast.

Die Kernfragen des Story Grid

Erfahre hier mehr, wie Szenen funktionieren.

Noch mehr Tipps für deine Anfangsszene

ÜBUNG FÜR DICH:

Nimm dir fünf Minuten Zeit und untersuche deine Anfangsszene. Ist sie stark genug, um den Leser ganz allein zu fesseln?

 

Eva Maria Nielsen ist Story-Grid-Lektorin, Autorencoach und gehört zum Team des Bookerfly Clubs. Wenn sie nicht gerade Romane schreibt, unterrichtet und coacht sie andere Autorinnen und Autoren, wie sie ihr Handwerk verbessern können. Sie ist die Gründerin des Bookerfly Buchclubs für Autoren. Du kannst sie regelmäßig auf dem Bookerfly Podcast hören - zusammen mit ihren wunderbaren Kolleginnen. Erhältst du schon den Newsletter? Wenn nicht, dann geht es hier entlang.