Handlung und Struktur von Geschichten


Zur Einführung in das Kapitel ›Aufbau von Geschichten‹ beginnen wir mit der Klärung der beiden Begriffe.

zuletzt bearbeitet am 30. Nov 2021

veröffentlicht am 12. Aug 2017 von Eva Maria Nielsen

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Handlung vs. Geschichte = Route vs. Reise

Handlung vs. Geschichte = Route vs. Reise - Handlung und Struktur von Geschichten


Die Struktur bezieht sich auf den Aufbau der Geschichte. Ist sie minimalistisch oder in einem Bogen gespannt? (Mehr dazu unter ›Die fünf Bereiche der Genre-Entscheidung‹)

Die Handlung (meist auch als Plot bezeichnet) wird oftmals als Geschichte definiert, jedoch sollte man sie als Handlungsverlauf betrachten.

 

Hülle und Idee.

Der Handlungsverlauf bildet die Hülle der Geschichte, wie die Haut und Knochen eines Menschen. Sie kann erkundet und nachgezeichnet werden, um die kritischen Ereignisse des Romans herauszufiltern. Zudem trägt sie zu einem besseren Lesevergnügen bei, da sie der Geschichte Spannung, Überraschung und Schockmomente schenkt.

Die Geschichte stellt nur eine Idee dar und fügt sich maximal zu einer losen Interpretation eines Ereignisses zusammen. Eine Geschichte kann tausend Mal erzählt werden, aber der Plot / die Handlung unterscheidet sie voneinander.

Zu einem besseren Verständnis nutzen wir das Beispiel von den vielen Krimiserien wie Law and Order, Criminal Minds, NCIS oder Bones. Die Geschichte, die uns erzählt wird, ist meist dieselbe:

1. Ein Verbrechen findet statt.
2. Ein Team ermittelt in dem Fall.
3. Das Team bedient sich ihrer Erfahrungen und technischen Möglichkeiten, um die Hinweise zu finden und auszuwerten.
4. Sie klären den Fall auf.

Der Grund, warum man eine Serie lieber mag als die andere, ist die Handlung. In ihr begründen sich die Charaktere, ihre Aktionen, Komplikationen, Wendungen und Entwicklungen, um den Höhepunkt zu erreichen.

In diesem Sinne können wir Geschichte als eine chronologische Abfolge von Ereignissen definieren und die Handlung als eine kausale und logische Struktur, welche die Ereignisse miteinander verbindet. Oder, wie Paul Ashton (BBC) einmal sagte:

Der Plot / die Handlung ist die Route, die du nimmst und die Geschichte ist das Erlebnis, das du schaffst.

 

Die Geschichte

Ashtons Worte bedeuten für mich, dass der Leser meinen Roman mit einer Frage beginnen wird: ›Von was handelt diese Geschichte?‹. Und wenn er das Buch liest, bildet die Geschichte das Erlebnis, das ihn zur Antwort leitet. Die Frage kann auch lauten: ›Wird Frodo den Ring zerstören?‹ oder ›Kann Private Ryan gerettet werden?‹. Die Geschichte bleibt das Erlebnis und die Handlung mit ihren spannenden Wendungen sorgt für die Unterhaltung.

 

Die Handlung

Der Handlungsverlauf zeigt sich im Arrangement der einzelnen Szenen, die uns schrittweise durch die Geschichte führen.

Wenn man eine Geschichte als eine Kette aus kausalen Zusammenhängen betrachtet, dann ist der Handlungsverlauf die Wahl der einzelnen Glieder und der Ursachen, die sie miteinander verknüpfen. Diese Ereignisse sollten plausibel sein und in die Welt und Natur der Figuren passen, da sonst Zweifel an der kausalen Verbindung der Ereignisse auftreten könnte, die die Geschichte zusammenhalten. Und wenn man es richtig angeht, sollten die Ursachen in den Aktionen der Figuren begründet sein sowie in den Situationen (äußere und innere Einflüsse), die sie zu bestimmten Entscheidungen zwingen.

Aber beachte, dass nur Figuren und Situationen noch nicht ausreichen.

Aristoteles: „Die Tragödie ist eine Nachahmung einer guten und in sich geschlossenen Handlung von bestimmter Größe, in anziehend geformter Sprache, wobei diese formenden Mittel in den einzelnen Abschnitten je verschieden angewandt werden. Nachahmung von Handelnden und nicht durch Bericht, die Jammer (eleos) und Schaudern (phobos) hervorruft und hierdurch eine Reinigung von derartigen Erregungszuständen bewirkt.“ (Poetik Kap. 6, 1449b24ff.)

und

„Folglich handeln die Personen nicht, um die Charaktere nachzuahmen, sondern um der Handlungen willen beziehen sie Charaktere ein. Daher sind die Geschehnisse (ta pragmata) und der Mythos das Ziel der Tragödie; das Ziel ist aber das Wichtigste von Allem.“ (Poetik Kap. 6, 1450a20–23)

 

Das Versprechen an den Leser

Figur heißt nicht Geschichte, denn wie die Situation ist sie statisch. Wie jemand ist oder Wer jemand ist bringt den Leser nicht zum Lesen. Natürlich muss die Geschichte mit einem Charakter in einer bestimmten Situation beginnen, aber die Unsicherheit dieser Kombination, die ultimativ die Frage aufwirft: Was wird als nächstes passieren? Und wenn das folgende Ereignis geschieht, wandelt sich die Figur zu einer Figur in Aktion, und der Leser wird die Geschichte lesen, um zu erfahren, wohin die Aktionen führen.

Das ist das Versprechen, das wir Autoren dem Leser geben: Die Gewissheit, dass die Geschichte auf etwas hinsteuern wird, dass würdig der Zeit des Lesers ist. Das Versprechen ist wie der Stein in eine Katapult, der uns in einem Bogen zum Ende der Geschichte bringt.

Selbst der Titel eines Buches weist auf das Versprechen hin, dass wir als Autor unserer Geschichte geben. Lesen Sie von ›Stolz und Vorurteil‹ (dieser Titel erweckt viel mehr Reibung als zwischen Sinn und Sinnlichkeit), oder die GEschichte handelt von ›Findet Nemo‹.

Zusammenfassend können wir sagen, dass die Handlung die Mechanik ist, die den Leser zum Ende führt. Doch der Wunsch, das Buch überhaupt lesen zu wollen, kommt von dem Glauben an das Versprechen, dass die Geschichte es wert ist.

 

Mehr als nur ein Versprechen

Aber Romane sind lang.
Wenn wir weiter lesen wollen, muss unser Verlangen von mehr als nur einem Versprechen angetrieben werden. Nicht nur muss das Versprechen des Erzählers verstärkt werden, aber unser Wunsch muss verstärkt werden. Das ist zum Teil über die Handlung möglich, indem wir viele »künstlerisch« konstruierte Vorfälle hineinbasteln und zum anderen von den Figuren abhängig. Wir müssen immer stärker mit ihnen mitfühlen, sodass ihr Schicksal uns interessiert.

Mit anderen Worten, die Handlung, die Kette aus Ursache und Wirkung, muss uns auf eine immer dringendere Story-Reise führen, damit die ultimative Antwort auf die Frage »Was ist hier los?« die Reise wert sein wird.


Die Entwicklung einer Handlung beinhaltet Einzelheiten, die in einem Satz oder zwei zusammengefasst werden können. Die Idee für eine Geschichte benötigt kreative Gedanken, sowie Details, Charaktereigenschaften und Verzierungen, um die Geschichte fesselnder zu gestalten.

Beim Schreiben ist die Handlung meist zuerst abgeleitet. Du weißt, welche Richtung deine Geschichte einschlagen soll und wie sie zu dem Punkt führt, an dem sie enden soll. Ein gut entwickelter Handlungsverlauf kann eine unglaubliche Geschichte schaffen, aber eine gut ausgedachte Geschichte nicht unbedingt eine tolle Handlung.

 

Zusammenfassung:

1. Die Handlung ist das Herzstück der Geschichte.
2. Entwicklungen im Handlungsverlauf führen zu einer besseren Geschichte.
3. Gut gedachte Geschichten führen nicht zu einer besseren Handlung.
4. Dieselbe Geschichte kann mit Änderungen in der Handlung wiederholt werden, um unterschiedliche Geschichten entstehen zu lassen.
5. Die Entwicklung der Handlung ist kurz, spezifisch und knapp.
6. Die Entwicklung einer Geschichte bezieht sich auf das Schaffen von Details und Ausschmückung, um die Handlung fesselnder zu gestalten.
7. Die Handlung ist der rote Faden, während die Geschichte der Grund ist, warum sie jemand lesen will.



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Melanie Naumann ist die erste zertifizierte deutsche Story Grid Lektorin. Sie ist die Gründerin von Storyanalyse.de und gab die Leitung von Storyanalyse im Dezember 2021 an die Geschichtenhebamme Eva Maria Nielsen ab. Melanie arbeitet seither vorwiegend mit Songwritern zusammen, um ihnen zu helfen, die Power of Storytelling für ihre Songtexte zu nutzen.

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