Der Artikel ist Teil der Erkenntnisse des Story Grid.
© Story Grid, Shawn Coyne
Während die klassische Handlungsstruktur das Zeug für Action-Filme und für Mord-Mysterys mit Meisterdetektiven besitzt, bringt man den Mini-Plot am häufigsten mit dem literarischen Schreibstil in Verbindung.
Was ist ein Mini-Plot?
Mini-Plots sind auch als emotionale Handlungsverläufe bekannt. Sie bilden ein minimalistischer Ansatz an den Bogenplot, indem der Autor die Elemente des klassischen Aufbaus auf die interne Ebene reduziert. Zumeist sind diese Geschichten intern, erscheinen ohne Handlung und / oder beinhalten einen passiven Protagonisten. Allerdings leitet man die Verbindungen zwischen Ursache und Wirkung meist von Punkten des emotionalen Wachstums ab, statt von actiongeladenen Herausforderungen.
Manche mögen argumentieren, dass dies eine »verwässerte« Version des Bogenplots sei, da es über die gleichen Muster verfügt, die sich im Mini-Plot jedoch nur auf der emotionalen Ebene abspielen.
Vom Genre Teilbereich des Inhalts werden die Handlungen nach Status, Weltansicht und Moral meist mit dem Mini-Plot assoziiert. Diese Bereiche sind die Versuche eines Individuums mit seinem Leiden klarzukommen, während sich der Mini-Plot auf den innerlichen Krieg gegen die inneren Gegenkräfte bezieht.
Die Eigenschaften des Mini-Plots
Die Hauptfiguren, oft sind es hier mehrere Protagonisten, sehen sich mit ihren inneren Dämonen konfrontiert. Im Gegensatz zum action-orientierten Bogenplot, wo ein Protagonist seinen Gegner oder die Kräfte der Natur bekämpft und ein externes Objekt der Begierde verfolgt (manchmal in Verbindung mit einem internen ›Das Schweigen der Lämmer), vermeiden die Charaktere des Mini-Plots externe Konfrontationen um jeden Preis und schleichen passiv durch die Welt.
In ihrem Inneren tragen sie jedoch den Kampf ihres Lebens aus.
Der Kampf ihres Lebens
Ihre inneren Stimmen (die ihres gnadenlosen inneren Elternteils, ihres pragmatischen Verhandlungsführers und ihr rebellisches authentisches Selbst) befinden sich im Widerspruch. Oft sind die inneren Konfrontationen so immens, dass der Charakter in einen katatonischen Zustand gegenüber der Außenwelt verfällt, bis die Geschichte ihn zwingt, dem inneren Kampf zu unterliegen oder ihn zu überwinden.
Der Mini-Plot unterscheidet sich vom Bogenplot vor allem auch durch sein offenes Ende.
Während der Bogenplot eine irreversible äußere Veränderung am Ende hervorbringt, die alle aufgekommenen Fragen beantwortet, sodass die Neugier des Lesers vollkommen befriedigt ist, lässt der Mini-Plot (der eine irreversible interne Veränderung der Figur hervortragen kann) einige Fragen offen. Dadurch hinterlässt die Geschichte den Leser mit einer gewissen Unsicherheit, die diskutiert werden kann oder zum Nachdenken anregt.
Der Mini-Plot verfügt über kein ›Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage‹, denn ein Teil der offenen Fragen bleibt unbeantwortet, sodass der Leser selbst den Ausgang interpretieren kann. Der Mini-Plot verlangt eine tiefgreifende Beziehung zwischen dem Leser und den Protagonisten, denn ihm fehlt die actionreiche Handlung, die ihn wie in den Stieg Larsson Büchern oder in den Fast and Furious Filmen vorantreibt.
Das Spiel mit der Zeit im Mini-Plot
Im Gegensatz zum Bogenplot, der einen linearen Ablauf der Ereignisse mit einem traditionellen Anfang, Mitte und Ende besitzt, kann im Mini-Plot die Geschichte auch vom Ende zum Anfang verlaufen, wie in Harold Pinter’s ›Betrogen‹. Das bedeutet, der Autor kann das Ende an den Anfang, den Anfang in die Mitte und die Mitte ans Ende setzen. Jedoch darf er nicht den Anfang, die Mitte oder das Ende zwischendrin stoppen, ohne die Anforderungen der globalen Geschichte zu erfüllen. Es muss sich an die logische (oder unlogische) Begründung des Teilbereichs Realität des Genres halten. Ein gutes Beispiel für die Bravour des Mini-Plots ist Pulp Fiction von Quentin Tarantino.
Ursache und Wirkung
Die Einhaltung der philosophischen Kausalität, die für den Bogenplot entscheidend ist, kann im Mini-Plot ausgelassen werden.
Das Prinzip von Ursache und Wirkung bildet die Grundlage unserer Denkweise, wenn wir annehmen, dass alle Ursachen zu einer Wirkung führen. Etwas passiert und dann kommt noch etwas anderes. Ein kranker Mann hustet in seine Hand und grüßt eine Frau mit einem Händedruck. Die Ursache, Keime auf die Hand zu setzen und sie auf eine andere Person zu übertragen, schafft die Wirkung, dass das Immunsystem der Frau mit den Erregern fertig werden muss.
Die Philosophie gegen das Ursache-Wirkung-Prinzip wird im Mini-Plot erforscht. Es beschäftigt sich mit der Vorstellung, dass das Schicksal der Figur von Geburt an bestimmt ist. Die griechischen Klassiker, wie Sophokles König Ödipus, heben dieses Konzept zu unvergesslichen Extremen.
Weder Himmel noch Hölle
Eine weitere Annahme begründet sich in dem Gedanken, dass das Universum gleichgültig gegenüber den Handlungen der Menschen ist und die moralischen und / oder ethischen Entscheidungen einer Person nichts in der Welt bedeuten. Es gibt keine Verdammnis und keine Erlösung. Wir ernten nicht, was wir säen, denn in Wirklichkeit gibt es keine Farm.
Sehr tiefgreifende psychologische Aspekte.
Um diese Art der philosophischen Erkundung effektiv zu dramatisieren, benötigt die Geschichte ein Netz an Charakteren, um diese zugrunde liegende Annahmen zu bekräftigen. Dafür sollten wir nicht wie im Bogenplot aus einer einzigen Perspektive schreiben, weil der Leser sonst intuitiv eine Verbindung zum Protagonist aufbaut, wobei er annimmt, dass die Hauptfigur ein externes Objekt der Begierde verfolgen wird. Da sich dieses Objekt im Mini-Plot aber in den ersten Szenen nicht finden lässt, verliert der Leser das Interesse.
Meister des Mini-Plots wie Raymond Carver, John Cheever, George Sanders und Alice Munro, die sich an der Spitze der Pyramide von Kurzgeschichten befinden, sind in der Lage komplette Welten mit mehreren Figuren zu schaffen, die sich mit der Absurdität und / oder Nutzlosigkeit der Existenz auseinandersetzen. Sie können keinen dicken Roman mit einem Mini-Plot schreiben, weil sich ihre gesamte Arbeit auf die Kernthemen konzentriert, die sie mit Präzision in engen Räume erforschen.
Zusammenfassung: Mini-Plot
In der Zusammenfassung regiert der Bogenplot, mit seinem einzelnen Protagonisten, der sich den externen Gegenkräften stellt, die kommerzielle Buchkultur und die Studios von Hollywood.
Der Mini-Plot hingegen mit seinem / seinen passiven Protagonisten setzt sich mit dem inneren Sturm und Drang Gefühlen auseinander. Er findet sich in der literarischen Buchkultur und der Indie-Filmwelt wieder.