Warum Geschichten Konflikte brauchen.


Konflikte sind die treibende Kraft deiner Geschichte. Sie entstehen aus den gegensätzlichen Objekten des Verlangens.

zuletzt bearbeitet am 30. Nov 2021

veröffentlicht am 07. Feb 2017 von Eva Maria Nielsen

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Konflikte für Figuren schaffen (2021)

Konflikte für Figuren schaffen (2021) - Warum Geschichten Konflikte brauchen.


Der Artikel ist Teil der Erkenntnisse des Story Grid.
© Story Grid, Shawn Coyne

 

Man kann eine wunderschöne Erzählung mit knackigen Dialogen und poetischen Beschreibungen verfassen, doch was bringt diese Geschichte dem Leser, wenn keine Konflikte darin existieren? Wenn der Protagonist sich mit keinen Problemen auseinandersetzen muss und keine Kämpfe (ob emotional oder körperlich) austrägt?

Dann ist die Geschichte keine Geschichte, sondern nur die Schilderung eines Ist-Zustands.

Wenn du jedoch eine Geschichte schreiben willst, die so spannend ist, dass sie deine Leser von Seite zu Seite befördert, dann musst du das Potenzial von Konflikten kennen. In diesem Beitrag erhältst du alle Infos, was Konflikte sind, und wo sie alles in einem Roman zu finden sind.

 

Inhaltsübersicht

  1. Die Notwendigkeit von Konflikten in Geschichten
  2. die 3 Arten von Konflikten
  3. Welcher Hauptkonflikt für welches Genre?
  4. Wo sollte der erste Konflikt in der Geschichte auftauchen?
  5. Konflikte schaffen eine Bindung zwischen Leser und Figur.
  6. Konflikt ist weder Unglück noch Pech
  7. Konflikte im Zusammenhang mit den Schlüsselelementen einer Szene
  8. Innere Konflikte & das Potential für Fortsetzungen
  9. PDF Checkliste zum Download

 

Leser im Hintergrund. Text darüber: Leser wollen mit den Figuren leiden, das Unmögliche bezwingen, das Unfassbare erleben, Elend und Leid erfahren, Gefahren überwinden und sich mit ihnen verlieben.Belletristische Werke verkaufen sich am besten, wenn die Leser mit den Hauptfiguren mitfiebern können.

Leser wollen mit den Figuren leiden, das Unmögliche bezwingen, das Unfassbare erleben, Elend und Leid erfahren, Gefahren überwinden und sich mit ihnen verlieben. Sie wollen ihre Emotionen mitfühlen. Sie wollen mit ihnen um ihr Leben fürchten und die Spannung fühlen, die wir Autoren durch Auseinandersetzungen, Gefahr und antagonistische Kräfte erschaffen.

Nur wer krasse Herausforderungen meistert, entwickelt sich als Person weiter.

Wenn deine Hauptfiguren durch Konflikte nicht herausgefordert werden, können sie sich nicht verändern. Und gerade diese Veränderung, ob zum Positiven oder Negativen, ist es, was uns als Leser interessiert.

Manchmal beeinflusst uns eine Geschichte so sehr, dass wir beginnen über unser eigenes Leben nachzudenken.

So z.B. in dem Film von Kramer vs. Kramer.

Ein Mann wird von seiner Frau verlassen und muss sich entscheiden, ob er seine Karriere weiter in den Vordergrund stellt und seinen Sohn vernachlässigt, oder ob er seinem Sohn mehr Zeit schenkt, aber dafür seine persönlichen Ziele zurückstecken muss. Er entscheidet sich für seinen Sohn und lernt mit der Zeit, wie wichtig Familie ist. So sehr, dass er am Ende in der Sorgerechtsverhandlung sich selbst fragt, was ist das Beste für seinen Sohn. Und er lässt ihn zurück zu seiner Mutter gehen, obwohl er ihn dafür ›verliert‹.

Das ist eine Veränderung, die uns selbst zum Nachdenken bracht. Vor allem, wenn wir Kinder haben und uns bewusst wird, dass wir nicht immer für sie da sind, wie wir es sollten, sondern auch oft unsere persönlichen Ziele voranstellen.

 

1. Die Notwendigkeit von Konflikten in Geschichten.

Robert McKee sagte dazu, dass der Protagonist einer Geschichte eine Welt betritt, die von dem Gesetz des Konflikts regiert wird.

Das bedeutet, eine Geschichte ohne Konflikte ist keine Geschichte. Sondern Konflikte bilden eine Geschichte.

Im großen Rahmen kannst du dir den Hauptkonflikt zwischen Protagonist und Antagonist wie beim Tauziehen vorstellen. Bis zum Ende des Romans weiß man als Leser nicht, wer gewinnt. In einem Krimi fragen wir uns, ob der Ermittler den Täter überführen wird. In einer Horrorgeschichte bangen wir um das Opfer, der versucht, dem Monster zu entkommen. In einer Actiongeschichte fragen wir uns, ob der Held das Opfer retten kann. Und in einer Lovestory sehnen wir uns danach, dass die beiden Liebenden ein Happy End erfahren.

Konflikte halten das Leserinteresse aufrecht, denn sie sind die Komplikationen, Herausforderungen, ungeahnten Stolpersteine und antagonistischen Kräfte, denen sich unsere Hauptfigur stellen muss.

Konflikte sind zwei Kräfte, die gegeneinander streben, um ihre unvereinbaren Ziele zu erreichen. Zueinander sind sie Gegensätze, wie zwei Pole, die sich abstoßen und durch diese polarisierenden Kräfte die Geschichte vorantreiben.

 

2. Die drei Arten von Konflikten

Es gibt drei Konfliktstufen, um die Pläne deines Protagonisten zu vereiteln und ihn daran zu hindern, das Objekt des Verlangens zu erreichen.

2.1 Innere/Interne Konflikte 

innere Konflikte

Innere Konflikte entstehen im Inneren deines Protagonisten und tragen dazu bei, mehr Charaktertiefe für deine Figur zu gewinnen und sie als dreidimensionale Figur darzustellen.

Interne Konflikte beziehen sich auf den inneren Kampf des Protagonisten und die Verfolgung eines unbewussten Zieles.

Das unbewusste Objekt des Verlangens steht dafür, was der Protagonist braucht, wohingegen das bewusste Objekt des Verlangens darstellt, was er will – das an der Oberfläche schwimmende, leicht zu identifizierende Ziel.

Interne Konflikte sind ein internes Bedürfnis, ein Wunsch, ein Glaube, Unruhe oder Moral. Durch interne Konflikte kannst du dem äußeren Konflikt mehr Bedeutung und Komplexität geben, wobei der äußere Konflikt den Protagonisten zwingt, Entscheidungen zu treffen und sich zu verändern. Ein starker, interner Konflikt kann eine gute Geschichte ausmachen.

Interne Konflikte können auch Verwirrung bedeuten, sobald sich der Protagonist mit einer schwierigen Aufgabe konfrontiert sieht. Wenn wir die Stimme des inneren Schweinehunds und die uns zurückhalten wollen, nie zu ignorieren schaffen, werden wir nie etwas erreichen.

 

2.2 Persönliche Konflikte

persönliche Konflikte

Persönliche Konflikte werden einerseits durch die Einführung eines Antagonisten hervorgerufen. Es muss alles darauf absetzen, den Protagonisten davon abzuhalten, dass er seine Ziele erreichen kann. Dies muss nicht unbedingt absichtlich geschehen, immerhin wird der Antagonist auch nur versuchen, sein Objekt des Verlangens zu gewinnen.

Andererseits können sich persönliche Konflikte auch aus der Uneinigkeit zwischen zwei Personen entstehen.
Selbst Held und Heldin können gegensätzliche Ziele besitzen. Der eine will die Schatzkarte, um einen Juwel zu finden; die andere um ihren Bruder zu retten. Sie sind sich gegenseitig im Weg, um ihre Ziele zu erreichen. Sind die beiden ein Paar, dann bedeutet das, das ihr Partner ein Hindernis und eine Ablenkung darstellt, um das eigene Ziel zu erreichen. Andererseits kann ein tiefsitzender Glaube von den Gefühlen für den Anderen bedroht werden. Was wäre, wenn die Liebe zu diesem Mann, ihren inneren Frieden stören würde, ihren Sinn für Sicherheit oder gar ihre Moral?

In kurz: Sieh zu, dass die Ziele der Figuren aufeinanderprallen. Diese Kollision schafft Konflikte.

 

2.3 Externe Konflikte

externe Konflikte

Externe Konflikte werden durch äußere Kräfte verursacht, die den Protagonisten am Erreichen seines bewussten Zieles hindern – sei es durch andere Personen, die sich ihm in den Weg stellen, durch Naturgewalten, oder gar die Gesellschaft.

Zum Beispiel: Ein bewusstes Ziel / Objekt des Verlangens kann in diesem Fall sein: Die Rettung einer entführten Person, seine Familie wiederfinden, die Liebe einer Person gewinnen, Fußballer werden ... oder eine introvertierte Lehrerin muss ihre Schwester aus dem Gefängnis befreien. Ein Glücksspieler muss die Mutter eines ausgesetzten Kleinkinds finden oder eine alleinerziehende Frau muss es schaffen, ihre Miete bezahlen zu können.

Wie du siehst, externe Konflikte müssen nicht unbedingt Mord und Totschlag bedeuten.

 

 

3. Welcher Konflikt für welches Genre?

Konflikte sollten deine Leser überraschen, und sich voneinander unterscheiden. Wie sehr sie sich unterscheiden sollten, hängt von der Wahl des Genres ab.

Beispielsweise wird eine Geschichte um das Erwachsenwerden sich sehr mit internen Konflikten beschäftigen. Ein James Bond Film wird eher von persönlichen Konflikten bestimmt sein, während ein Überleben-Thriller mehr auf externen Konflikten beruht.

Das Streben nach den externen (bewussten) und internen (unbewussten) Objekten des Verlangens sind das Herz und die Seele deiner Geschichte = Was der Protagonist will (z. B: Geld) versus dem, was er braucht (z.B. bedingungslose Liebe). Diese beiden Dinge bestimmen den Hauptkonflikt für den Protagonisten in deiner Geschichte (Karriere vs. Liebe).

Neben den allgemeinen Fragen, die du dich als Autor zu deinem Manuskript fragen solltest, definiere was dein Protagonist will und braucht.

Was sie anstreben und was sie unterbewusst in ihrem tiefsten Selbst vertreten, muss klar bestimmt werden. Wenn diese Punkte dir selbst als Autor der Geschichte nicht klar sind, wird der Leser sie auch nicht erkennen können. Die Geschichte, egal wie perfekt sie geschrieben ist, wird sich ohne konkrete Objekte des Verlangens nicht richtig anfühlen. Sie wird steril wirken, zu intellektuell oder unauffällig.

Deswegen frage dich:

  • Was will mein Protagonist?
  • Was braucht mein Protagonist?

 

Finde in diesem Beitrag mehr zur Motivation und den Zielen des Protagonisten heraus: Bestimme die Hauptfigur deiner Story

 

3.1 Finde den passenden internen Konflikt für deine Figur durch die Wahl ihres internen Genres

Willst du eine dreidimensionale Figur entwickeln, die wie jeder Mensch einen inneren Kampf des Für und Wider austrägt, musst du den passenden internen Konflikt für dein gewähltes, externes Genre finden.

Was könnte demnach ein unbewusstes, nicht greifbares Objekt des Verlangen für den Protagonisten sein?

Storyanalyse.de - Konflikte fordern den Protagonisten heraus. Er muss auf sie reagieren, egal ob sie zufällig (Duschwasser) oder kausal (Unfall) sind. Sie sind die kleinen und großen Krisen / Fragen, in denen er sich für die beste schlechteste Wahl entscheiden muss oder für eine Option zwischen zwei positiven Möglichkeiten, die nicht miteinander vereinbar sind.Vieles, aber was du letztlich wählst, hängt vor allem von deinem Genre ab.

Zum Glück bietet dir die Genreeinteilung des Story Grid genügend Inspiration, um das perfekte Wertespektrum für mögliche interne Konflikte zu finden.

Es gibt insgesamt drei Genres, die sich auf die innere Natur der Figur beziehen:

  • Status: Erfolg vs. Misserfolg – der soziale Stand deines Protagonisten verändert sich.
  • Weltanschauung: eine Veränderung im Leben führt zum Wandel der Werte, oder wie man die Welt sieht.
  • Moral: eine Veränderung der Moral des Protagonisten.

 

Betrachte diese drei Genres als eine erste Entscheidung, die du für die Entwicklung der inneren Psyche deiner Romanfigur treffen musst. Geht es ihr darum, einen besseren Stand zu erreichen und von anderen angesehen zu werden (Status), oder sucht sie nach Bedeutung, ist naiv oder gelangt zu einer wichtigen Erkenntnis (Weltanschauung), oder ist die Figur selbstsüchtig und muss lernen, das Wohl anderer vor das eigene zu stellen (Moral).

Wenn du diese erste Entscheidung getroffen hast, kannst du tiefer in die Möglichkeiten des ausgewählten, internen Genres eintauchen:

Status: Erfolg vs. Misserfolg, eine Veränderung des sozialen Standes

Erbärmlich: Schwacher Protagonist versucht, etwas aus sich zu machen und scheitert. (Little Miss Sunshine)
Gefühlvoll: der Schwache gewinnt, trotz allem (Rocky).
Tragisch: Streber begeht Fehler, die ihm zum Scheitern verurteilen (Eine amerikanische Tragödie)
Ansehen: Person mit Prinzipien steigt auf, ohne Kompromisse einzugehen (Gladiator)

Weltanschauung: eine Veränderung in der Wahrnehmung des Lebens

Bildung: eine Veränderung von einem sinnlosen Leben zu Bedeutung (Comeback der Liebe)
Erwachsenwerden: eine Veränderung von Naivität zu Weltlichkeit (Saturday Night Fever)
Offenbarung: Ignoranz zu Wissen (Ödipus Rex)
Ernüchterung: Glaube zu Ernüchterung (Der große Gatsby

Moral: eine Veränderung des moralischen Kompasses des Protagonisten.

Strafbar: Guter Mensch begeht Straftaten und wird bestraft (Wall Street).
Erlösung: Schlechter Mensch sucht Wiedergutmachung (Drugstore Cowboy)
Probe: Willenskraft gegen Versuchung (Der Unbeugsame)

Die Wahl des internen Genres wird von dem unbewussten Objekt des Verlangens deines Protagonisten bestimmt – oder der inneren Reise, der sie sich am Anfang der Geschichte noch nicht bewusst sind. Erst wenn sie sich zunehmend Herausforderungen stellen müssen und sie mit der Zeit realisieren, dass ihr altes Denken ihnen nicht behilflich ist, können sie sich verändern.

Das heißt, die innere Reise, die etwas verfolgt, was der Protagonist braucht, wird ihm erst an einem kritischen Wendepunkt in der Geschichte bewusst. Meist dann, wenn er das bisher Bekannte in Frage stellen muss, oder eine Entscheidung treffen muss, mit der er sich im internen Widerspruch befindet.

 

3.2 Kombiniere dein internes Genre (Figurenentwicklung) mit einem externen Genre (= externer Konflikt)

Bitte bedenke, dass diese Reise (außer du schreibst einen Mini-Plot) auch eine zweite externe Reise benötigt: die Verfolgung des bewussten Objekt des Verlangens, wie Gerechtigkeit, Überleben, Rettung, Freundschaft, ein Preis, etc. (externer Konflikt). 

Das Zusammenspiel dieser beiden Reisen nach den Objekten des Verlangens bringt deine Geschichte voran, da sie sowohl einem externen, dem Leser und Protagonisten bewusstes Ziel verfolgt und gleichzeitig Einblicke in die innere Natur der Figur gewährt und deren Veränderung aufzeigt.

Beispiel: Ein nicht greifbares Ziel des Protagonisten könnte der Respekt seiner Schwiegermutter sein. Das bedeutet, wenn er ihr die Geldsumme übergibt, könnte er ihre Anerkennung erhalten. Nicht nur, dass er für ihre Tochter sorgen kann, sondern auch für ihre Mutter. Unterbewusst könnte er das Verlangen besitzen, einer Autoritätsfigur aus den Schulden zu helfen als Beweis für innere Stärke.

Ebenso kann er wollen, dass sie mitbekommt, wie hart er für ihr Luxusleben arbeitet, und was er für sie opfern muss. In diesem Fall wäre das unterbewusste Verlangen bedingungslose Liebe von ihr zu erhalten.

Mit diesen beiden Objekten des Verlangens, Geld und Respekt (bedingungslose Liebe) wird die Handlung vorangetrieben.

Sie ergeben jeweils zwei Handlungsstränge.

Handlungsstrang A: die äußere Handlung, um das bewusste Objekt des Verlangens zu erreichen.

Handlungsstrang B: das interne Geschehen, um das unbewusste Objekt des Verlangens zu erreichen.

 

Vor allem, wenn du literarisch schreibst, solltest du dich mit den internen Konflikten deiner Protagonisten auseinandersetzen, da diese entscheidend für die Entwicklung des Charakters deiner Figur sind.
Literarische Werke verlangen meist den Mini-Plot als Grundlage der Erzählung, da die internen Konflikte die Geschichte vorantreiben sollen. Bedeutend ist hier der Wandel der inneren Welt, der für den Leser am Interessantes ist, da der Protagonist auf der internen Ebene am meisten zu verlieren hat.

Romane, die jedoch von externen, übermenschlichen Gegenkräften bestimmt werden, wie es vor allem in Horror und Action-Geschichten der Fall ist, können mehr auf interne Konflikte verzichten, da die Haupthandlung meist genügend Stoff bietet, um die Geschichte voranzubringen und die Spannung zu halten. Des Weiteren solltest du aufpassen, dass du – sofern du interne Konflikte in diese beiden Genres einbringst – es nicht übertreibst, weil du sonst das Versprechen an deine Leser enttäuschen könntest. Bedenke, was sie von deiner Geschichte erwarten, was du abliefern musst, und worin du dich nicht verlieren solltest.

 

Stephen King gehört zu den wenigen Personen, denen die Kombination aus externen und internen Konflikten perfekt gelingt.

Betrachten wir seine Werke wie ›The Shining‹ oder ›Sie‹ fällt auf, dass die Horrorelemente, die er einfügt, gleichzeitig Symbole der inneren Aufruhr darstellen.

Bei ›The Shining‹ nimmt der Alkoholmissbrauch Gestalt in übernatürlichen Geister, die den Protagonisten dazu bringen, seine Familie zu töten.
In ›Sie‹ schaffte er Annie Wilkes, die seinen eigenen Kampf mit Kokain widerspiegelte.

Besser als jeder andere weiß Stephen King, wie sehr man den innerem Kampf Einhalt geben muss, sodass sie sich nicht in externe Horrorszenarien verwandeln.

Tipp: Wann auch immer dein Schreibfluss stockt, analysiere wie spannend und überraschend das Streben deiner Hauptfigur ist, um das zu bekommen, was sie will und braucht.

 

4. Wo sollte der erste Konflikt in der Geschichte auftauchen?

Brechen wir die klassische Erzählstruktur oder den Mini-Plot auf ihre Bestandteile herunter, finden wir in der Kette von Ereignissen eine Similarität zu Joseph Campbells Aussage über die Heldenreise:

Ein oder mehrere Protagonisten begeben sich am Angang der Geschichte auf eine Mission und am Ende konnten sie die antagonistischen Kräfte (interne, persönliche oder äußere) entweder besiegen oder unterlagen ihnen, was sie grundsätzlich verändert.

Ist das alles?

Nicht ganz.

Weit am Anfang der Geschichte muss ein Ereignis das gewohnte Leben des Protagonisten aus der Bahn werfen.

Dieses Ereignis bezeichnen wir auch als das auslösende Ereignis.

Entweder passiert etwas Gutes oder, wie es zumeist der Fall ist, etwas Schlimmes geschieht.

Dieses Ereignis kann zufällig (Naturkatastrophe) oder begründet (Frau verlässt Protagonisten) sein. Diese Veränderung, sei es zum Guten oder Schlechten, erschüttert die Welt des Protagonisten und zwingt ihn zum Handeln, um wieder den Normalzustand zu erreichen.

Aus dem Verlangen, die gewohnte Balance wiederherzustellen, erwächst das Objekt des Verlangens, mit dem er sein Ziel erreichen kann. Dieses Objekt kann ein bewusstes Verlangen darstellen (ein greifbares Objekt, z.B. Ehefrau) oder ein unterbewusster Wunsch sein (Frau zu beweisen, dass er der beste Mann für sie ist).

Je nachdem, in welchem Genre du schreibst, unterscheidet sich die Ausgewogenheit von diesen beiden Bedürfnissen  welches dominiert und welches zwischen den Zeilen deiner Geschichte steht.

Das Allerwichtigste ist jedoch, dass deine Hauptfigur fest davon überzeugt sein muss, dass nur mit dem Objekt des Verlangens seine Welt wieder geordnet werden kann.

Ein Beispiel zum auslösenden Ereignis:

Am Anfang der Geschichte gesteht die Schwiegermutter dem Protagonisten, dass sie nur noch für ein halbes Jahr die Raten für ihre Villa bezahlen kann. Danach muss der Protagonist ihr helfen, alle Rechnungen zu begleichen, sodass sie weiterhin den Anschein einen Luxuslebens aufrechterhalten kann. Dieses Ereignis (Familienmitglied fordert verzweifelt um Hilfe) schmeißt den Protagonisten aus dem Alltagsleben und er muss etwas tun.

Aber auch Nichtstun ist eine Möglichkeit.

Wie es im normalen Leben ist, schieben wir Unangenehmes gern vor uns her. Auch der Protagonist kann sich dazu entscheiden, ihr nicht zu helfen. Doch dann wendet sich die Schwiegermutter an seine Frau und erzählt ihr von ihrem Dilemma, und das ihr Schwiegersohn nichts für sie getan hat. Die Tochter wird unter Stress gesetzt und steht zwischen den Fronten  zwischen der Liebe und Pflicht zu ihrer Mutter und die ihres Mannes.

Sagen wir, die Frau konfrontiert den Protagonisten. Er entscheidet sich, der Schwiegermutter zu helfen. Dafür glaubt er, muss er nur an eine enorme Geldsumme kommen und sie würde sie in Ruhe lassen. Das bedeutet, dass das bewusste, greifbare und externe Objekt des Verlangens eine riesige Summe Geld ist. Sobald er diese Summe aufgetrieben hat, verschwindet die Schwiegermutter wieder in ihr Luxusleben und sie sind sie los.

Mit diesem auslösenden Ereignis könnten wir einen Bogenplot zusammenspinnen. Die Geschichte könnte sich um die Planung und Durchführung eines Verbrechens drehen oder durch einen Überfall mit Verfolgungsjadgen zu einer Actiongeschichte werden. Die gesamte Handlung würde sich darum drehen, ob er das Geld zusammenbekommt oder nicht. Das ist super, das funktioniert.

Möchtest du jedoch auch die moralische Seite und den internen Konflikt beleuchten, der daraus entsteht, dass eine Schwiegermutter die Liebe ihres Schwiegersohns gegenüber ihrer Tochter missbraucht, nur um ihr Luxusleben fortführen zu können, solltest du ein internes Element des Erzählens einschließen. Dafür musst du dem Protagonisten ein unbewusstes Objekt des Verlangen geben.

Nach dem auslösendem Ereignis, welches das Leben deines Protagonisten aus dem Gleichgewicht brachte, wird sich deine Hauptfigur auf die Suche nach seinem Objekt des Verlangens begeben. Er muss Pläne schmieden und ausführen.

Sobald er sich auf den Pfad der Umsetzung seiner Pläne begibt, wirken antagonistische Kräfte gegen ihn. Seine Plänen gehen schief. Er muss umdenken. Wieder läuft etwas schief und er reagiert. Die Dinge eskalieren, bis er an dem Punkt angelangt, wo es keine Rückkehr für ihn gibt. Sein Leben wird nie mehr dasselbe sein, egal, ob er sein Ziel erreicht oder nicht.

 

5. Konflikte schaffen eine Bindung zwischen Leser und Figur.

Konzentrierst du dich auf das Streben nach dem Objekt des Verlangens in deiner Geschichte und arbeitest wunderbar spannende und überraschende Konflikte aus, dann wird das andere Patzer in deiner Geschichte wiedergutmachen.

Definierst du die Objekte des Verlangens nicht konkret, wird das deine Handlung zerstören.

Denke immer daran, dass der Leser sich in die Geschichte deines Protagonisten investieren muss. Und der Leser identifiziert sich am besten mit dieser fiktionalen Figur, wenn sie nach einem konkreten Ziel strebt.

Jeder versucht seine Ziele zu erreichen, um das zu bekommen, was er will.

So ist es ganz klar, dass wir mit einer Figur mitfühlen können, die auch nur versucht, dass zu bekommen, was sie will. Selbst wenn uns nicht gefällt, auf was sie es abgesehen hat.

Egal, welche Geschichte du schreibst – sei es ein Kriminalroman, eine Fantasy-Romanze, ein Sci-Fi Überlebensthriller, etc. – du brauchst mitreißende Objekte des Verlangens für deinen Protagonisten.

Beachte: Besitzt deine Hauptfigur nichts, was sie will oder braucht, dann hast du keinen Antrieb für deine Handlung, und keine Geschichte. Das Buch funktioniert nicht.

 

"Konflikte sind zwei Kräfte, die gegeneinander streben, um ihre unvereinbaren Ziele zu erreichen. Zueinander sind sie Gegensätze, wie zwei Pole, die sich abstoßen und durch diese polarisierenden Kräfte die Geschichte vorantreiben."

6. Aufpassen: Konflikt bedeutet nicht nur Unglück oder Pech.

Konflikte sind nicht nur Wut, Katastrophen und Auseinandersetzungen.

Sie sind auch keine Missverständnisse, die geklärt werden können. All diese ›hab ich nicht‹ – ›hast du Wohl‹ Streitigkeiten bringen keine Geschichte voran. Sie sind nicht der Konflikt, aus denen spannende Geschichten wachsen oder die eine Handlung vorantreiben können. Es geht nicht darum eine Figur auf Jobsuche zu schicken, sie kündigen zu lassen, sie sucht wieder einen Job, wieder gefeuert ... das ist keine Geschichte.

Konflikte müssen die Lage des Protagonisten bis zum Höhepunkt verschlimmern, wobei sie in ihrer Intensität zunehmen sollten.

Denk an Frodo: zuerst musste er sich entscheiden, ob er den Ring nach Bruchtal bringen soll oder ob Gandalf das allein machen muss.
In Bruchtal angekommen, steht er vor der nächsten Entscheidung. Soll er versuchen den Ring bis nach Mordor zu tragen, oder soll er zurück nach Hause gehen?

Klar, der Herr der Ringe ist ein Fantasy-Epos. Nichtsdestotrotz, kannst du auch in kleineren Geschichten die Intensität von Konflikten wachsen lassen.

Sei es ein Geschäftsmann, der morgens verschläft. Soll er noch zum Fitnessstudio für eine Trainingseinheit vor seinem Geschäftstermin oder soll er sie ausfallen lassen?

Er rennt zum Fitnessstudio. Er hat nur die Hälfte der Zeit zur Verfügung: Gewichte oder Laufband?

Dann, das Wasser in den Duschen funktioniert nicht. Soll er verschwitzt zum Termin oder nochmal kurz nach Hause? Er fährt heim und rast zu seinem Geschäftstermin. Er ignoriert ein Vorfahrtsschild und verursacht einen Unfall hinter sich. Soll er helfen oder Fahrerflucht begehen?

Konflikte fordern den Protagonisten heraus. Er muss auf sie reagieren, egal ob sie zufällig (Duschwasser) oder kausal (Unfall) sind. Sie sind die kleinen und großen Krisen / Fragen, in denen er sich für die beste schlechteste Wahl entscheiden muss oder für eine Option zwischen zwei positiven Möglichkeiten, die nicht miteinander vereinbar sind.

 

7. Konflikte im Zusammenhang mit den Schlüsselementen einer Szene

Der Bogenplot / die Drei-Akt Struktur besitzt in ihrer Struktur fünf Punkte, wo sich die Entwicklung der Handlung durch Konflikte in eine neue Richtung begibt.

Der erste Punkt ist das auslösende Ereignis. Es besteht aus der Darstellung der Ausgangssituation, inklusive des auslösenden Ereignisses, der Einführung der Figuren, der Festlegung des Ziels, der Motivationen und des Konflikts. Der erste Handlungspunkt oder Wendepunkt tritt etwa nach einem Viertel des Manuskripts auf.

Ein Handlungspunkt / Wendepunkt ist ein Ereignis, das den Lauf der Geschichte in eine neue Richtung lenkt. In chronologischer Reihenfolge findet man sie wie folgt in der Geschichte:

Auslösendes Ereignis – erster Handlung- / Wendepunkt – Mitte – zweiter Handlung- / Wendepunkt – Höhepunkt.
(sh. die visuelle Darstellung der Drei-Akt-Struktur)

Aus diesen Wendepunkten entspringt eine Komplikation aus dem Ergebnis des vorangegangen Problems. Konflikte bringen neue Konflikte hervor, da jede vorherige Lösung ein neues, unvorhergesehenes Problem birgt.

Wenn aus Konflikten Lösungen entstehen, dann sind Konflikte sowohl Hindernis als auch der Weg zur Auflösung. Sie sind der Antrieb der Handlung oder der Samen der Veränderung. Die verschiedenen Konflikte in einer Romanze sollten verwandt sein, mit Veränderung und dauerhafter Liebe als Auflösung. Der Held, die Heldin und sogar die Konflikte des Schurken sollten während des Laufs der Geschichte zusammengeflochten werden.

Starke Konflikte sollten definiert, und für den Leser klar zu verstehen sein. Zu viele Konflikte können ihn jedoch überfordern und verwirren, wie auch die Figuren. Ein klares Verständnis deiner Konflikte lässt dich Szenen schaffen, die deine Handlung voranbringen, die die Emotionen deiner Figuren herüberbringen und die Spannung und Drama erzeugen, weil man weiß, was auf dem Spiel steht.

»Die Stärke deiner Geschichte ist dein Konflikt.« (Debra Dixon)

 

8. Innere Konflikte & das Potenzial für Fortsetzungen

In der heutigen Film- und Buchwelt sind Serien und Buchreihen zu einem unverzichtbaren Standard in den Erwartungen der Kunden herangewachsen.

Mittlerweile sind wir selbst von Filmen Fortsetzungen gewöhnt und wir warten regelrecht darauf, dass von unserem Lieblingsfilm, -serie, oder -buch ein neuer Teil erscheint.

Leser und Zuschauer, die sich mit den Figuren deiner Geschichte identifizieren können - die mit ihnen mitfiebern, lieben und fühlen - brauchen Fortsetzungen, sodass der Erzähltraum für sie stets am Leben erhalten bleibt.

Wir wollen die Figuren, die uns inspirieren und beeindrucken, sei es Protagonist, Antagonist oder eine Nebenfigur, in ihrer Entwicklung verfolgen und sehen, wie es ihnen gelingt, sich neuen Herausforderungen zu stellen.

Wusstest du, dass selbst beim Verlagsanschreiben gehört der Punkt ›Möglichkeiten einer Fortsetzung‹ mittlerweile zum Standard des Exposés.

Und damit unsere Leser / Zuschauer eine Fortsetzung unserer Geschichte ersehnen, müssen wir den externen Inhaltsbereich mit dem internen verbinden (sh. Punkt 3.2), weil wir durch diese Kombination eine mitreißende und nachhaltige Geschichte schaffen, die durch ihre Figuren über mehrere Bände bestehen kann.

Anders ausgedrückt, gelingt es dir, deine Hauptfiguren einem inneren Kampf auszusetzen, der sich in mehreren Erzählsträngen kreuzt, und deine Geschichte zudem über eine externe, gut verwobene Handlung verfügt, dann betrachte diese Kombination als den Grundstein für eine super Fortsetzung – bei den Lesern als auch bei dir als Autor, denn je mehr Tiefe du deinen Figuren gibst (das erreichst du durch die internen Konflikte), umso realer werden sie.

Tipp: Um die Entwicklung deiner Figuren im gewählten internen Genre am besten auszureizen, zeige, wie sie von Buch zu Buch von einem Wert auf der Skala zum nächsten wandern. (schau dir die Werteskalen der Genres hier an: Kernwerte der Genres)

 

 

PDF: Fragen an dein Manuskript, die du dir als Autor stellen solltest:

Zur Übersicht habe ich dir eine Checkliste erstellt, mit der du ganz schnell dein Manuskript und das Potenzial deiner Konflikte überprüfen kannst.

Checkliste - Konflikte im Roman

Dazu gehören u.a.

  • Hast du deine Figuren (Protagonisten, Antagonisten) klar und kraftvoll in deiner Geschichte eingeführt? Beginnt die Geschichte mit einem Konflikt, Action oder einem Ereignis, das den Leser packen wird?
  • Hast du mehrere Konflikte? interne, externe oder Beziehungsprobleme? Sind diese Konflikte untrennbar miteinander verknüpft, sodass äußere Entwicklungen die internen beeinflussen, und andersherum?
  • Sind deine Konflikte klar definiert? Oder hast du alles auf deine Figuren geschmissen, nur um einen schwachen Konflikt zu verbergen?
  • Kann dein Hauptcharakter den zentralen Konflikt, der am Beginn der Geschichte etabliert wurde, auflösen?
  • Und viele weitere.

 

Hast du noch Fragen oder Anmerkungen? Lass sie mich in den Kommentaren wissen.



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Melanie Naumann ist die erste zertifizierte deutsche Story Grid Lektorin. Sie ist die Gründerin von Storyanalyse.de und gab die Leitung von Storyanalyse im Dezember 2021 an die Geschichtenhebamme Eva Maria Nielsen ab. Melanie arbeitet seither vorwiegend mit Songwritern zusammen, um ihnen zu helfen, die Power of Storytelling für ihre Songtexte zu nutzen.

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