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Wenn ich „Game of Thrones“ sehe, verliebe ich mich immer ein wenig in Tyrion Lannister. Nicht äußerlich, obwohl er ein nettes Lächeln hat. Ich mag auch nicht seine Frauengeschichten. Ich will zumindest die Einzige für meinen Partner sein.
Aber ich mag Tyrion. Trotzdem.
Weil er so komplex ist.
Weil er weder schwarz noch weiß ist.
Und weil ich weiß: So bin ich ja auch.
Unsere Welt ist nicht einfach schwarz-weiß, sondern hat viele Schattierungen.
Das sind die Figuren, die in einem moralischen oder ethischen Mittelfeld existieren. Für den Leer sind sie schwer einzuordnen und sie sorgen für gute Twists und Überraschungen. Sie sind Shapeshifter, verändern und passen sich ihrer Umwelt an wie ein Chamäleon. Und oft sind sie weder nur gut noch nur böse. Stattdessen sind sie komplexe Figuren, sind eine Mischung aus Tugenden und Lastern. Das macht sie glaubwürdiger und realistischer.
Mit diesen Charakteren kannst du die Grenzen zwischen richtig und falsch verschwimmen lassen. Die Lesenden werden herausgefordert, denn sie müssen sich mit den Absichten und Handlungen der moralsich grauen Figur auseinanderzusetzen.
Sie sind vielschichtige Persönlichkeiten, mit einer starken Motivation und einer gut ausgearbeiteten Vorgeschichte. Sie können widersprüchliche Eigenschaften aufweisen oder sich auf eine Art und Weise verhalten, die sich nur schwer als heldenhaft oder schurkisch einordnen lässt.
Sie begehen moralisch fragwürdige Handlungen oder verfolgen moralisch zweideutige Ziele verfolgen. Auch wenn sie edle Absichten haben, sind sie bereit, ihre Moral zu kompromittieren, um ihre Ziele zu erreichen.
Sie kämpfen oft mit inneren Konflikten und sind zwischen verschiedenen Wünschen, Loyalitäten oder Ideologien hin- und hergerissen. Diese innere Zerrissenheit verleiht ihnen mehr Tiefe und macht sie für die Lesenden sowohl interessanter und auch sympathischer.
Trotz ihrer Schwächen werden graue Charaktere oft so dargestellt, dass die Lesenden mit ihnen mitfühlen können. Sie haben vielleicht ein Trauma erlebt oder waren mit schwierigen Umständen konfrontiert, die ihre Entscheidungen und ihr Verhalten geprägt haben.
Sie machen im Laufe der Geschichte eine bedeutende Entwicklung durch. Wie jede gute Figur erleben sie eine Transformation. Sie wachsen mit ihren Handlungen und verändern ihre Überzeugungen, während sie sich den Herausforderungen und Konflikten stellen.
Severus Snape aus der Harry Potter-Reihe von J.K. Rowling: Snape wird zunächst als Bösewicht dargestellt, doch später stellt sich heraus, dass er komplexe Beweggründe und eine tragische Hintergrundgeschichte hat, die ihn sympathischer machen.
Holden Caulfield aus Der Fänger im Roggen von J.D. Salinger: Holden ist eine zutiefst verstörte Figur, die mit Gefühlen der Entfremdung und Desillusionierung kämpft. Er kann zynisch und verurteilend sein, aber er zeigt auch Momente der Verletzlichkeit und des Mitgefühls.
Jay Gatsby aus Der große Gatsby von F. Scott Fitzgerald: Gatsby ist ein geheimnisvoller und rätselhafter Charakter, der von seiner obsessiven Liebe zu Daisy Buchanan angetrieben wird. Während er oft als romantische Figur gesehen wird, ist er auch in illegale Aktivitäten verwickelt und bereit, andere zu betrügen, um seine Ziele zu erreichen.
Raskolnikow aus Verbrechen und Strafe von Fjodor Dostojewski: Raskolnikow ist ein zutiefst zwiespältiger Charakter, der einen Mord begeht, um seine eigene Überlegenheit zu beweisen. Im Laufe des Romans setzt er sich mit seiner Schuld auseinander und sucht schließlich nach Erlösung.
Und nicht zu vergessen mein
Tyrion Lannister aus der Reihe Das Lied von Eis und Feuer von George R.R. Martin: Tyrion ist ein witziger und intelligenter Charakter, der sich oft inmitten von politischen Intrigen und familiären Konflikten wiederfindet. Trotz seiner Schwächen ist er einer der komplexesten und moralisch zweideutigsten Charaktere in der Serie.
Amy aus Der Barbie Killer von Sandy Mercier
Amy tötet Männer, die Frauen Gewalt angetan haben und versucht so die Frauen zu retten. Sie ist moralisch ambivalent, aber sie zeigt keine Reue. Oder villeicht doch. Lest das Buch selbst.
Das sollte uns inzwischen klar sein. Sie zeigen, wie komplex wir Menschen sind. Sie zeigen, dass es auch in der Moral Grauzonen gibt, das Motiv und Handlung auseinander klaffen können. Diese ambivalenten Figuren spiegeln die Komplexität der Menschen im wirklichen Leben wider und regen zum Nachdenken und zur Diskussion über das Wesen von Gut und Böse an.
Aber als Autor oder Autorin kann man sich schon die Frage stellen: Wie schafft und man schreibt man diese ambivalenten Charkatere und wie kann man sie auf der Seite festhält.
ist keine Person mit guten, aber fehlerhaften Absichten, denn das ist ein Held. Ein moralisch grauer Charakter ist aber niemand mit unverzeihlichen Absichten wie ein Schurke.
Ein moralisch grauer Charakter ist jemand, der aufgrund fehlerhafter Überzeugungen, schwieriger Umstände oder egoistischer (verständlicher) Ziele fragwürdige Entscheidungen trifft - und der die Fähigkeit hat, sein Handeln zu bereuen.
Die meisten Leser lieben moralisch graue Charaktere, weil sie sich auf der Grenze zwischen Gut und Böse bewegen. Sie haben verständliche innere Ziele. Aber die Art und Weise, wie sie diese erreichen wollen, ihre äußeren Ziele, sind problematisch. Es gibt eine Dissonanz zwischen diesen beiden Dingen, im Innen und dem Außen, der Intention und dem Handeln.
Ambivalente Figuren wissen, dass sie etwas Schlechtes tun und sie können sich deswegen sogar schlecht fühlen. Aber ihre innere Motivation ist so stark, dass sie bereit sind, alles zu tun, um zu bekommen, was sie wollen und brauchen.
Und genau darin liegt die Antwort auf die Frage, wie man diese Art von Charakteren am besten ausarbeitet.
Der Schlüssel, um eine moralisch ambivalente Figur zu schaffen, liegt in einem starken Warumhinter ihren Wünschen und Überzeugungen.
Um diese Dissonanz wirklich zu spüren und sich in die problematischen äußeren Ziele hineinzuversetzen, müssen zuerst wir Autoren verstehen und fühlen, was diese Figuren antreibt. Danach können die Lesenden uns folgen. Alles beginnt mit der Entwicklung des Charakters.
Die ganz große Frage ist: Was ist mit ihr passiert? Was hat deine Figure so fehlerhaft, abgestumpft, pessimistisch oder egoistisch gemacht hat?
Nimm dir Zeit, um in ihre Vergangenheit einzutauchen, und scheue dich nicht davor, tiefgründig und dunkel zu werden. Die meisten ambivalenten Charaktere haben eine traumatische oder schwierige Vorgeschichte.
Du kannst deine Figur interviewen oder Tagebuch schreiben lassen.
Die zweite Frage ist: Was ist ihr tiefster Wunsch? Wie ist dieser in ihrer Vergangenheit verwurzelt? Dieser tiefste Wunsch sollte für die Lesenden verständlich sein, etwas, mit dem sie mitfühlen können.
Hier setzt die Magie ein, wenn du deiner Figur gut zugehört hast: Das ist der Punkt, an dem du sie vermenschlichst.
Auch Schurken haben nachvollziehbare innere Ziele. Aber Schurken sind nun mal Schurken. Die meisten von uns mögen sie nicht. Egal, wie verständlich ihre inneren Ziele sind. Denn Schurken zeigen keine Reue.
Moralisch graue Charaktere haben oft die Sympathie der Lesenden. Wenn du dieses innere Ziel konkret formulierst und dies für deine Figur wirklich ist, sie berührt, dann werden die Lesenden ihrauf der Seite und in ihrem Herzen viel Spielraum geben.
Die nächste große Frage ist: Was ist ihr zentraler Glaube oder ihr Glaubenssatz? Inwiefern irrt sie sich? Wie ist dieser Glaube in ihrer Vergangenheit verwurzelt? Inwiefern ist „Irren“ für die Lesenden tragbar, ohne das es sich moralisch unangenehm oder problematisch anfühlt?
Hier legst du den Grundstein für den Handlungsbogen deiner ambivalenten Charaktere. Verbinde diese fehlerhafte Überzeugung mit ihrem inneren Ziel und du hast eine Figur, die die Lesendenverstehen, auch wenn sie nicht mit ihr und ihren Taten übereinstimmen. Sie werden verstehen, warum dein Charakter fragwürdige Entscheidungen trifft, weil sie ihre Weltanschauung verstehen.
Sensibilisiere dich auch für das externe Ziel dieses Charakters. Welches problematische oder fragwürdige Ziel verfolgt die Person aufgrund eines inneren Hindernisses, um ihr inneres Ziel zu erreichen?
Diese ambivalenten Figuren brauchen ein internes Ziel und brechen die Regeln, um es zu erreichen. Wie weit sind sie bereit zu gehen? Und wie rechtfertigen sie dies in ihrem Kopf?
Wenn du diese vier Dinge miteinander verbindest, entsteht ein Dominoeffekt, der zu einem überzeugenden ambivalenten Charakter führt!
Eine schwierige oder traumatische Vorgeschichte führt zu der Entwicklung eines verständlicheninneren Ziels. Du brauchst eine Figur mit einem fragwürdigen inneren Glaube an ein Hindernis.Beides führt dazu, dass die Person ein externes Ziel verfolgt, das problematisch, egoistisch oder anderweitig moralisch grau ist.
Bumm, dein moralisch ambivalenter Charakter ist geboren!
Ich weiß, dass dieser Blogartikel umfangreich ist, mit vielen Fachbegriffen, Fragen und Anweisungen. Wenn du dich verloren oder verwirrt fühlst, buche ein 1:1 Coaching. Du kannst auch an der Buchreise der Bookerfly Community teilnehmen. Die Bookerfly Buchreise bietet alles, was du auf deiner Reise zum Schreiben brauchst, vom Handwerk über die Gemeinschaft bis hin zum Mindset und vielem mehr. Die Türen sind für die Anmeldung geöffnet und ich lade dich ein, einen Blick hineinzuwerfen!
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Eva Maria Nielsen ist Story-Grid-Nerd, Autorencoach und gehört zum Team der Bookerfly Schreib dein Buch Community. Wenn sie nicht gerade Romane schreibt, unterrichtet und coacht sie andere Autorinnen und Autoren, wie sie ihr Handwerk verbessern können. Sie ist die Gründerin des Bookerfly Buchclubs für Autoren. Du kannst sie regelmäßig auf dem Bookerfly Podcast hören - zusammen mit ihren wunderbaren Kolleginnen. Erhältst du schon den Newsletter? Wenn nicht, dann geht es hier entlang.