Der Artikel ist Teil der Erkenntnisse des Story Grid.
© Story Grid, Shawn Coyne
Das global auslösende Ereignis der Geschichte
Ohne ein globales auslösende Ereignisse der Geschichte bleibt dem Autor nichts ... außer eine Zusammenstellung aus Schnipseln, die keine Einheit ergeben ... Figurenentwürfe oder akribische Beschreibungen von leblosen Objekten, die zu keiner emotionalen Auflösung führen.
Das ist die Art des Schreibens, die im Allgemeinglauben als schriftstellerische Tätigkeit missverstanden wird: in der Lage zu sein, Worte auf einzigartige und poetische Weise aneinanderzureihen.
Und das so, ohne dass irgendetwas passiert, was eine Aktion oder Reaktion einer Figur verlangt.
Diese Art des Schreibens macht noch lange keine Geschichten aus. Es ist nur eine Art, mit Worten zu protzen. Es ist nicht Schreiben, sondern Tippen (Truman Capote).
Ohne auslösende Ereignisse kann nichts Bedeutendes geschehen. Und wenn nichts Bedeutendes geschieht, ist es keine Geschichte.
Wie der Käse die Maus in die Falle lockt, so muss auch das auslösende Ereignis am Anfang einer Geschichte unwiderstehlich für das Zielpublikum sein.
In diesem Beitrag erfährst du, wie du das auslösende Ereignis für deinen Roman finden kannst.
Inhaltsübersicht:
- Das auslösende Ereignis – im Verhältnis zu den Einheiten einer Geschichte
- Finde das auslösende Ereignis deiner Geschichte mit Hilfe deines Genres
- Das auslösende Ereignis – im Verhältnis zu den Einheiten einer Geschichte
- Zwei Varianten für auslösende Ereignisse
- Exkurs: das Auslösende Ereignis in Akten, Kapiteln und Szenen
Was ist das auslösende Ereignis der globalen Geschichte?
Das auslösende Ereignis der globalen Geschichte bezieht sich auf den Punkt, an dem dein Protagonist eine unumkehrbare Entscheidung trifft.
1. Das auslösende Ereignis der globalen Geschichte – der Moment, der die Geschichte in Gang setzt.
Das auslösende Ereignis für den Anfang der Geschichte stellt die wichtigste Entscheidung für einen Autor dar.
Dieses Ereignis definiert nicht nur das Genre, den Punkt, an dem der Leser deutlich sieht, ob er einen Krimi, eine Liebes- oder Horrorgeschichte liest; sondern ist gleichzeitig der Moment, der darüber entscheidet, ob ein Leser die Geschichte weiter lesen wird oder nicht.
Wenn das auslösende Ereignis am Anfang der Geschichte zu schwach ist, ruckelt vielleicht ein Zahnrädchen, aber es wird nicht stark genug sein, dass Leben des Protagonisten so dermaßen aus der Bahn zu werfen (selbst wenn es nur ein Mini-Plot ist), dass die Handlung es schafft, den Leser mitzureißen.
Um das auslösende Ereignis mitreißend zu gestalten, sollte es nicht nur bedeutend für dein externes oder internes Genre sein, sondern auch eine starke Reaktion deines Protagonisten hervorrufen.
Sollte er sich dafür entscheiden, nichts zu tun, dann wird diese Entscheidung vor allem auch in Mini-Plots als Reaktion angesehen (aktives Verstecken).
Das auslösende Ereignis am Anfang der Geschichte muss dem Leser ein Versprechen geben: das Versprechen auf das Ende.
Das Ende muss ein nachvollziehbares, unausweichliches und überraschendes Ergebnis auf das auslösende Ereignis der Geschichte sein. Sollte es nicht überraschend sein, wird kaum ein Leser das Buch seinen Freunden weiterempfehlen.
Verspreche nichts, was du nicht halten / in der Geschichte rüberbringen kannst. Das ist das Hauptproblem von Geschichten, die nicht funktionieren – egal, wie gut sie geschrieben sind.
2. Finde das auslösende Ereignis deiner Geschichte mit Hilfe deines Genres
Das auslösende Ereignis am Anfang einer Geschichte wird von der Wahl des Genres bestimmt.
Viele Genres besitzen konventionelle auslösende Ereignisse, welche zu den obligatorischen Höhepunkten führen.
Schreibst du einen Krimi, ist der Höhepunkt der Geschichte, den Täter zu stellen – dafür muss das auslösende Ereignis das Verbrechen sein.
Bei Liebesgeschichten ist das auslösende Ereignis der Moment, wenn sich das zukünftige 'Paar' das erste Mal trifft. Der Höhepunkt ist die Frage, ob sie zusammenbleiben oder sich trennen.
Das Horror-Genre braucht die Attacke des Monsters als auslösendes Ereignis, welches den obligatorischen Höhepunkt vorbereitet, bei dem das Hauptopfer auf das anscheinend unbezwingbare Monster vom Anfang der Story trifft.
Hier folgen ein paar Beispiele bekannter Geschichten und ihre auslösenden Ereignisse:
Charlie und die Schokoladenfabrik
Der junge Charlie gewinnt das letzte der fünf goldenen Tickets, mit dem er mit seinem Großvater die Schokoladenfabrik von Willy Wonka besichtigen darf.
Titanic
Wie bei Charlie gewinnt Jack Dawson ein Schiffsticket beim Poker und er kann mit der Titanic mitfahren.
Der König der Löwen
Die Geschichte beginnt mit dem auslösenden Ereignis sofort – die Geburt Simbas, die dem Königsbruder Ska die Chance nimmt, jemals König zu sein, sofern er nicht etwas dagegen unternimmt.
Jurassic Park
Ein tropischer Sturm trifft die Isla Nublar und die kleine Gruppe, die gerade den Park besichtigt, bleibt vor dem Gehege des T-Rex stehen. Der Zaun hat keinen Strom mehr und der Tyrannosaurus bricht aus.
Der Zauberer von OZ
Dorothy wird durch einen Tornado in die magische Welt von OZ katapultiert.
Moby Dick
Ein junger Mann bekommt einen Job auf dem Schiff eines monomanischen Walfängers.
3. Das auslösende Ereignis – im Verhältnis zu den Einheiten einer Geschichte
Anfang der globalen Geschichte: Das auslösende Ereignis ist das große Ereignis, das die Geschichte in Gang bringt.
Mitte und Ende der globalen Geschichte: Das auslösende Ereignis ist eine gleichwertige oder leicht abgeschwächte Szene im Vergleich zum auslösenden Ereignis des Anfangs.
Sequenz: In einer Sequenz ist das auslösende Ereignis noch kleiner, aber gilt auch hier als auslösende Ereignis jener bestimmten Sequenz.
Das auslösende Ereignis gehört in jede Szene, die wiederum eine Sequenz unterstützt.
Das kleinste auslösende Ereignis ist eine Aktion in einem Taktschlag, welche die Beziehung von zwei Figuren aufrüttelt.
Egal, an welche Einheit von Geschichten wir denken (von den Akten bis zu den Taktschlägen), das auslösende Ereignis muss immer das Leben des Protagonisten aus dem Gleichgewicht bringen, sei es zum positiven oder negativen.
4. Zwei Varianten für auslösende Ereignisse
Ein auslösendes Ereignis kann entweder kausal oder zufällig sein.
4.1 Das kausale auslösende Ereignis:
Ein kausales auslösendes Ereignis ist das Ergebnis einer aktiven Entscheidung: ein Mann kündigt seinen Job; eine Anwältin verklagt den Staat; ein Jugendlicher klaut Zigaretten oder eine Frau verlässt ihre Familie ...
4.2 Das zufällige auslösende Ereignis:
Ein zufälliges auslösendes Ereignis kann in einer Geschichte eingesetzt werden, wenn etwas unerwartetes, ungeplantes oder wenn etwas aus Versehen geschieht: ein Lotteriegewinn; ein Sturm zieht auf See auf; ein Hai attackiert; etwas fällt auf ein Kind, etc.
5. Exkurs: das Auslösende Ereignis in Akten, Kapiteln und Szenen
Ein gutes auslösendes Ereignis schafft noch keinen Bestseller. Neben Glück, dass man mit der passenden Geschichte zur richtigen Zeit und mit gutem Marketing den Markt betritt, sollte auch jeder Taktschlag, jede Szene, Sequenz und jeder Akt mit spannenden auslösenden Ereignissen ausgestattet sein, so dass der Leser von einer Seite zur nächsten kommt, ohne dass er bemerkt, wie die Zeit verfliegt.
Vergiss dabei nicht, dass das auslösende Ereignis eine Reaktion vom Protagonisten hervorrufen muss.
In den obengenannten Beispielen (von 4.1 und 4.2) wäre das:
Der Arbeitgeber will seinen Angestellten zurück; der Richter will eine Affäre vertuschen; der Ladenbesitzer übernimmt Selbstjustiz; der Mann beschließt, die Frau zurückzugewinnen; die Frau des Lotteriegewinners will das Geld für sich und entscheidet sich, den Mann umzubringen; der Kapitän eines Schiffes legt aus Sicherheitsgründen an einer verbotenen Insel an; das Opfer des Haiangriffs schwört Rache; das Kind behält den mysteriösen Gegenstand und testet ihn aus.
5.1 Schreibe entgegen der Erwartung des Lesers
Diese mitreißenden Ereignisse gelingen meist, wenn man entgegen der Erwartungen des Lesers schreibt. Das heißt, man sollte nie die zehn erstbesten Ideen umsetzen, die einem einfallen, sondern besser die elfte Idee. Denn die erste Idee hat man meist schon irgendwo gesehen.
Also immer, wenn der Leser erwartet, dass die Figuren nach links abbiegen, sollten sie nach rechts springen (und umgekehrt). Fülle die Konventionen und obligatorischen Szenen deines Genres auf einzigartige Weise und die Leser werden es dir danken, wenn sie in jeder Szene mitfiebern, weil sie wissen, dass die Figur immer anders handelt, als sie es sich vorstellen.
Ein Tipp:
Wie im ersten Teil angesprochen, gibt es kausale und zufällige auslösende Ereignisse. Diese beiden Varianten kann man nutzen, um Abwechslung in die Geschichte zu bringen.
Hast du Fragen oder Anmerkungen? Hinterlass mir eine Nachricht in den Kommentaren.